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Carl Wilhelm Lancizolle

* 17.02.1796  in Berlin
† 21.05.1871 in Berlin

Carl Wilhelm Lanzizolle wurde am 17.02.1796 in der preußischen Hauptstadt Berlin geboren. Er war der Sohn von Jean Étienne de Leuze, Konsistorialrat und Geheimer Vortragender Rat im Kultusministerium sowie Mitglied der französisch-reformierten Gemeine in Berlin. Seine Mutter war Charlotte Isabelle Amélie du Trossel, deren Vater Étienne du Trossel Obergerichtsrat der Französischen Gemeinde war.

Zunächst besuchte Lancizolle von Ostern 1804 bis 1811 in Berlin das Französische Gymnasium und später das Friedrichswerdersche Gymnasium. Im Jahre 1813 melde er sich freiwillig zu den Waffen um gegen Napoleon als Freiwilliger Jäger in den Krieg zu ziehen.

Im Herbst 1814 trat er ein Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität an und wechselte später an die Georg-August-Universität nach Göttingen. Er studierte Rechtswissenschaften und konnte seine Studien im Jahre 1818 erfolgreich mit einer Promotion über Lehnsverjährung in Göttingen abschließen. Im folgenden Jahr habilitierte er in Berlin. Zu seinen Berliner Lehrern gehörte u.a. der Jurist Savigny, dem führenden Kopf der Berliner Rechtsgelehrten.

Im Jahre 1820 trat er eine Stelle als außerordentlicher Professor an, ehe er im Jahre 1823 ordentlicher Professor in Berlin wurde. Er unterrichtete neben Privatrecht vor allem rechtsgeschichtliche Fragestellungen. Sein wohl bedeutendster Schüler dürfte der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm gewesen sein. Nach der Revolution nahm er seine Lehrtätigkeit nur noch unregelmäßig wahr und gab sie im Jahre 1869 endgültig auf.

Seit dem Jahre 1832 gehörte er dem Ober-Censur-Collegium an und im Jahre 1843 wurde er vom Ober-Censur-Gericht übernommen, das die Nachfolge des Ober-Censur-Collegiums angetreten hatte. Im Jahre 1848 wurde die Zensurbehörde jedoch aufgelöst.

Bereits seit 1845 wurde der Rechtsgelehrte durch König Friedrich Wilhelm IV. mit Sonderaufgaben betraut. So schlichte er einen Streit über Handelsinteressen in Westafrika zwischen Großbritannien und Frankreich. In Westfalen musste er sich mit standesherrlichen Verhältnissen auseinandersetzen und während des Schleswig-Holstein-Konfliktes prüfte er preußische Ansprüche. Später prüfte er ebensolche gegenüber Braunschweig.

Zwischen 1852 und 1866 wurde Lancizolle übte er die Aufgaben eines Direktors der preußischen Staatsarchive aus.

Auch im kirchlichen Bereich war der Jurist aktiv und gehörte bereits im Jahre 1824 zu den Begründern der Berliner Missionsgesellschaft. Auch bei der Gründung der Philippus-Apostelkirche und Parochie in Berlin war er tatkräftig beteiligt.

Schon früh schloss sich der Jurist dem romantisch-neupietistischen Kreis um die Brüder Leopold und Ernst Ludwig von Gerlach an. Dies war ein streng konservativer Kreis. Einflüsse der Restauration durch Carl Ludwig von Haller und seinem Berliner Lehrer Friedrich Carl von Savigny prägten sein zukünftiges Rechtsverständnis.

So war er noch 1831 ein unbeirrbarer Vertreter des vorparlamentarisch-altständischen Gedankens gewesen, wie er in de Vorrede zu »Beiträge zur Politik und zum Staatsrecht« bekannte:

zu der schärfsten Opposition gegen alle absolutistische Tyrannei geistlicher oder weltlicher Machthaber und Obrigkeiten und deren servile Beschönigung, wie gegen die vielköpfige Tyrannei des falschen Liberalismus und gegen die vielfache, seltsame Allianz und Vermischung dieser scheinbar unversöhnlichen Elemente; mit einem Wort: von Herzen bin ich feind aller revolutionären Thorheit und Verkehrtheit, in welcher Region der Gesellschaft sie sich regen mag

So wagte der Jurist einen Kampf gegen jegliche revolutionären Regungen und Tendenzen der Epoche. So wendete Lancizolle sich gegen die liberale Verfassungsbewegung und die Idee der Volkssouveränität. Er setzte sich für eine von Gott gegebene Herrschaftsformen ein und wandte sich gegen einen »einen gesteigerten Regierungs- und Beamten-Absolutismus« und dem »Trugbild der öffentlichen Meinung«.

Er musste jedoch erleben, dass sich seine Gesinnungsfreunde inhaltlich von ihm entfernen und sich insbesondere nach 1848 für eine konstitunelle Staatsform in Preußen einsetzten. So traten zum Beispiel sein alter Freund Ernst Ludwig von Gerlach oder sein Fakultätskollege Friedrich Ludwig Stahl für entsprechende politische Staatsform ein. Diese gesellschaftliche Veränderung könnte womöglich der Auslöser gewesen sein, dass er sich von seiner Lehrtätigkeit zurückzog. Mit seiner letzten juristischen Arbeit »Vom Königtum und Landständen in Preußen« versuchte er nochmals das provinzialständische System gegen liberale Gegner zu verteidigen. Der Historiker Heinrich Gotthard von Treitschke sah in ihm eine »Stimme aus dem Grab«. Sein Urteil fasste er mit folgenden Worten zusammen:

Der treue Hallerianer sprach, wie vor Zeiten Schmalz und Marwitz, von den verschiedenen ›Staaten‹ des königlichen Hauses, den modernen Staat und seine Rechtseinheit hielt er für eine leere Abstraction.

Neben seiner juristischen Tätigkeit erwarb sich Lancizolle jedoch große Verdienste um das evangelische Kirchenlied, indem er u.a. die Werke Paul Gerhards neu editierte.

Im Jahre 1829 ging Lancizolle die Ehe mit Friederike Seegermund ein. Aus der Ehe stammten insgesamt vier Söhne und vier Töchter.

Carl Wilhelm von Lancizolle starb am 21.05.1871 in Berlin, nachdem er seine letzten Lebensjahre von Krankheit gezeichnet war.

Werke:

  • Dissertatio de praescriptione feudali. Berlin 1820
  • Geschichte der Bildung des preußischen Staats. Erster Theil. Erste (und zweite) Abtheilung. Nicolaische Buchhandlung, Berlin und Stettin 1828
  • Grundzüge der Geschichte des deutschen Städtewesens mit besonderer Rücksicht auf die preussischen Staaten. Nicolaische Buchhandlung, 1829
  • Uebersicht der deutschen Reichsstandschafts- und Territorial-Verhältnisse : vor dem französischen Revolutionskriege, der seitdem eingetretenen Veränderungen und der gegenwärtigen Bestandtheile des deutschen Bundes und der Bundesstaaten. Dümmler, Berlin 1830
  • Beiträge zur Politik und zum Staatsrecht. Erste Sammlung. Berlin 1831
  • Über Ursachen, Charakter und Folgen der Julitage. Berlin 1831.
  • Ueber Königthum und Landstände in Preußen. Ferdinand Dümmler, Berlin 1846
  • Beiträge zum Verständnis und zur Würdigung der preußischen landständischen Verfassung vor und seit dem 3. Februar 1847. Berlin 1847
  • Rechtsquellen für die gegenwärtige landständischen Verfassung in Preußen mit Einschluß der Landtags-Abschiede. Berlin 1847
  • Die Bedeutung der römisch-deutschen Kaiserwürde nach den Rechtsanschauungen des Mittelalters. Berlin 1856.