Eine platonische Beziehung zwischen einer Frankfurter Bürgerstochter und dem preußischen König Friedrich Wilhelm II.
Am 06.12. 1792 konnte ein preußisch-hessisches Heer die Freie Reichsstadt Frankfurt am Main von den französischen Revolutionstruppen zurückerobern. Sie stürmten unter der Führung von Prinz Carl von Hessen-Philippsthal erfolgreich gegen das Friedberger Tor. Der preußische König Friedrich Wilhelm II. stiftete für die in Kampf gefallenen Hessen, die in vorderster Linie gekämpft hatten, im Jahre 1793 ein Monument.
Nach der Einnahme Frankfurts verlegte der preußische Monarch auch sein Heerlager nach Frankfurt und logierte bis März 1793 im Gasthof »Rotes Haus« auf der vornehmen Frankfurter Zeil. In Frankfurt genoss der preußische König, der in seiner Heimat als »der dicke Lüdderjahn« verspottet wurde, die Wertschätzung des Frankfurter Bürgertums. Goethes Mutter Elisabeth Katharina schrieb über jene Tage:
So wie der König von uns geliebt wird, ist wohl schwerlich noch ein Monarch geliebt worden.
Diese Zeit fand später unter den Namen »Preußenwinter« Einzug in die Frankfurter Stadtgeschichte.
Hier traf Friedrich Wilhelm II. am 06.01.1793 anlässlich eines Balls im Palais Thurn und Taxis erstmals mit der gerade erst achtzehnjährigen Anna Sophie Elisabeth Bethmann-Metzler zusammen. Sie war die Tochter des Kaufmanns und Bankiers Peter Heinrich Metzler und seiner Ehefrau Katharina Elisabeth Bethemann. Der preußische Monarch traf in den nächsten Wochen mehrmals mit dem jungen Mädchen zusammen, doch erst Mitte März konnte er mit ihr selbst ein erstes kurzes Gespräch führen. Dieses Zusammentreffen ließ den preußischen Monarchen nun für das junge Mädchen schwärmen und er begann um sie zu werben.
Als der Monarch am Abend des 22.03.1793 im Klesterbacher Feldlager saß formulierte er erstmals einige Zeilen an die angebetete Bankierstochter, die 30 Jahre jünger als er war. Zunächst bat Friedrich Wilhelm in den in französischer Sprache abgefassten Briefen ihr gelegentlich einige Zeilen zukommen lassen zu dürfen. Er wünschte sich aber auch von ihr einige Zeilen zu erhalten. Ihre zwei Tage später folgende Antwort war jedoch diplomatisch distanziert:
Ich erkläre mir die Güte, die Ihre Majestät für mich haben, mit der Güte, die Sie für alle Welt haben, nur daß ein unbedeutendes Wesen wie ich sich dieser Güte nicht würdig fühlt.
Der preußische König war über ihre Antwort sehr erfreut, hatte er doch mit keiner solchen Erwiderung gerechnet. So schrieb er am 27.03.1793 voller Freude nachfolgende Zeilen:
Den Feind schlagen und am selben Tag einen Brief von Ihnen, mein Fräulein, empfangen, das ist zuviel Glück auf einmal!
Er ließ im gleichen Brief die wenigen Begegnungen beider Revue passieren, hatten sich der König und die Bankierstochter bisher kaum mehr als 5 Minuten unterhalten können, spürte der alternde Monarch einen Ausdruck von Milde und Güte in ihrer Miene zu erkennen.
Im April wurde der verliebte König kühner in seinem Werben um Anna Sophie Elisabeth Bethmann-Metzler. So schlug er ein Tête-à-Téte am Frankfurter Forsthaus vor. Er würde dort alleine sein Frühstück zu sich nehmen und sich über ihre Gesellschaft sehr freuen. Anna Sophie Elisabeth Bethmann-Metzler kam jedoch in Begleitung ihrer Mutter. So konnten die beiden Frauen ihren morgendlichen Ausflug als harmlosen Ausritt kaschieren. Der Vormittag war für Friedrich Wilhelm, trotz Anstandsdame »der Gipfel des Glücks«. Ein zweites Treffen, das der König an gleicher Stelle plante, lehnte sie jedoch ab um nicht zum Gesprächsthema der Frankfurter Gesellschaft zu werden.
Doch musste Friedrich Wilhelm II. nicht zu lange auf ein Wiedersehen warten. Anlässlich der Verlobung seiner Söhne Friedrich Wilhelm und Louis Ferdinand mit den mecklenburgischen Prinzessinnen Luise und Friederike wurde auch die junge Frankfurter Bankierstochter eingeladen. Sie versuchte den König von sich abzulenken, indem sie behauptete, dass es einen ernsthaften Bewerber gebe, der bereits um ihre Hand angehalten habe. Doch statt sich ein neues Objekt seiner Liebe zu suchen, beflügelte es den alternden Monarchen umso mehr. So hoffte er, aus ihrer Wortwahl zu schließen, dass Sophie Bethmann-Metzler nicht glücklich sei. Noch in der gleichen Nacht schrieb er ihr wieder und warnte sie, sich nicht zu binden falls sie unsicher sei.
Auf dieses Schreiben hörte er nichts mehr von Sophie. Als er zwei Wochen später das Theater in Frankfurt besuchte, schlugen dem Monarchen von allen Seiten Eiseskälte entgegen. Es ist zu vermuten, dass dieser Stimmungswandel auf Initiative der Bankiersfamilie zurückzuführen war. Hatten sie doch beste Kontakte zum österreichischen Kaiser Franz und somit war eine Annäherung an den preußischen Hof möglicherweise schädlich für die eigenen Bankgeschäfte. Hinzu kam sicherlich auch, das die Stadt Frankfurt – als Krönungsort der Habsburger Kaiser – auf der Seite des Kaisers stand.
Denn Anna Sophie Elisabeth Bethmann-Metzler war Joachim von Schwarzkopf versprochen. So schrieb sie – ungeklärt ist ob aus freien Stücken oder nicht – an den preußischen Monarchen, sie nicht weiter zu bedrängen. Doch dieser ignorierte – wie nicht anders zu erwarten – ihre Bitte und erklärte der Angebeteten die ewige Liebe.
Eigentlich beabsichtigte der preußische Monarch mit seinen Truppen in die Vogesen abzumarschieren, doch konnte er sich nicht von seiner Angebeteten trennen und versuchte alles um ein weiteres Rendezvous mit ihr zu ermöglichen. Als sie sich jedoch beharrlich weigerte, wollte er sich endgültig von ihr losreißen, wenn man sich noch einmal am Gartentor treffen, oder von ihren Eltern zum Essen eingeladen werden könnte.
In irgendeiner Weise hoffe ich, Abschied von Ihnen nehmen zu können. Es würde mir unmöglich sein, dies vor aller Welt tun zu müssen. Ich habe mich mehr in der Gewalt als viele andere; das aber ginge über meine Kräfte.
Doch schon wieder wies Anna Sophie Elisabeth Bethmann-Metzler den liebestollen König ab. Sie hatte Angst um ihren Ruf und berichtete dem Verehrer, dass sie durch die Verleumdungen ihrer Umgebung bereits krank geworden sei. So schrieb sie ihm verzweifelt:
Ich habe wegen Ew. Majestät sehr viel Kummer und Demütigungen erfahren, und Gott weiß doch, daß ich unschuldig bin.
Doch statt endlich seine Liebesbekundungen an das junge Mädchen einzustellen, bedachte der König sie weiterhin mit Liebesschwüren und kleinen Aufmerksamkeiten. So erhielt sie von ihm beispielsweise auch eine Stute geschenkt. Doch sie war auch nicht stark genug, auf die Briefe nicht mehr zu reagieren, fürchtete sie doch den preußischen König privat und politisch zu brüskieren. So plante die Bankiersfamilie, die Freie Reichsstadt Frankfurt für längere Zeit zu verlassen.
Friedrich Wilhelm schrieb ihr zum Abschied folgende traurigen Zeilen:
Der traurigste Augenblick ist also gekommen, wo ich Ihnen für immer Lebewohl sagen muss, wo jede schmeichelhafte Hoffnung für die Zukunft zerstört ist. Ihr Bild wird immer in leuchtenden Zügen in meinem Herzen bleiben.
Doch als Anna Sophie Elisabeth Bethmann-Metzler ihm, auf sein Bitten hin einen getragenen Handschuh zum Abschied sandte, keimte erneut die Hoffnung in den Monarchen auf. Dieser nahm es zum Anlass weitere Briefe an das junge Mädchen zu senden und auch nochmals sein Werben zu verstärken. So sandte er im nächsten Brief einen Büschel seiner eigenen Haare und erbat sich von der Angebeteten einen aus ihrem Haar geflochtenen Ring.
Nun wurde der König so forsch und unterbreitete ihr das Angebot, se zur Gräfin von Brandenburg zu machen und gleichzeitig die morganatische Ehe einzugehen. Wie schon in ihren vorhergehenden Briefen blieb die Bankierstochter auch dieses Mal standhaft und wehrte das königliche Anliegen diplomatisch ab. Doch der König überlegte nun sogar sich von seiner rechtmäßig angetrauten, aber schon seit Jahren getrennt lebenden Ehefrau – nur wegen der Frankfurterin – endgültig zu trennen.
Bei einem weiteren Besuch Friedrich Wilhelm II. gelang es ihm tatsächlich mit der Angebeteten Sophie Bethmann-Metzler zusammenzutreffen. Dieses Zusammentreffen fand jedoch unter Aufsicht der Familie auf dem Metzlerschen Familienlandsitz statt. Zum Abschied aus Frankfurt schrieb der leidende Liebhaber:
Amor hat Custine zu einer gründlichen Rache für den Schlag verholfen, den ich ihm versetzt habe: er hat mir eine völlige Niederlage beigebracht. Ich bin absichtlich vor Tagesanbruch aufgebrochen. Ich hatte ganz rote Augen wie eine alte Hexe, und ich hatte glücklicherweise meinen runden Hut aufgesetzt, um mein Gesicht zu verbergen […] Die zwei Tage, an denen ich Sie wiedergesehen, wieder gesprochen habe, werden vielleicht die letzten schönen Tage meines Lebens sein!
Durch das preußische Engagement in Polen, war es Friedrich Wilhelm zunächst nicht mehr möglich in Frankfurt und der Umgebung zu verweilen. Jedoch unterließ er es in den folgenden Monaten nicht, der angebeteten Frankfurter Bankierstochter weiterhin Botschaften zu schicken. Seine Schriftstücke schwankten von völliger Resignation Hoffnung. Doch Sophies Briefe wurden immer unpersönlicher und sie beschränkte sich darauf, dem preußischen Monarchen über die Geschehnisse der Frankfurter Gesellschaft zu berichten.
Es sollte noch bis zum August 1794 dauern, als der König sich in melancholischer Stimmung befand, bereit war, seine Erinnerungen an das letzte Zusammentreffen im Landhaus der Metzlers auszulöschen und alles zu vergessen.
Der sich anschließende Briefwechsel zwischen Sophie Bethmann-Metzler und Friedrich Wilhelm II. wurde immer seltener und beschränkte sich auf harmlose Botschaften beider. Sie war jedoch umso überraschter, als der preußische König im Oktober des Jahres 1795 schriftlich um eine letztmalige und endgültige Entscheidung binnen 14 Tagen drängte. Sie teilte ihm mit, dass es von ihrer Seite aus seit langem keine Unklarheiten mehr gegeben habe.
Doch Friedrich Wilhelm, der bisher in einer Traumwelt lebte, sah sich nun von Bethmann-Metzler getäuscht und schrieb über das gerade 20jährige Mädchen:
Es ist ein verborgener Superlativ in Ihrem Wesen. Sie sind entweder ein Engel oder ein Dämon. Wenn Sie mich wirklich nicht wiedersehen wollen, so muß ich glauben, daß Sie das Letztere sind, aber den Schein erwecken wollen, das Erstere zu sein.
Es sollte noch bis zum 29.12.1795 dauern, bis der preußische König die Hoffnungslosigkeit seiner Liebesbeschwörungen einsah und sagte ihr zum wiederholten Male »Lebewohl«. Dieses war jedoch auch endgültig.
Der preußische Monarch starb, fast zwei Jahre nach seinem letzten Brief, am 16.11.1797 in Potsdam. Anna Sophie Elisabeth Bethmann-Metzler heiratete am 02.11.1796 den acht Jahre älteren königlich-großbritannischen und kurbraunschweigischen Gesandten in Frankfurt, Joachim von Schwarzkopf. Diese Verbindung wurde in Frankfurt allseits begrüßt, auch die Mutter von Johann Wolfgang von Goethe schrieb, dass Sophie »durch ihre Wahl viel bei mir und dem ganzen Publikum gewonnen« habe. Das Paar lebte auf der Grüneburg und machte das Hofgut der Familie Bethmann-Metzler zu einem der angesehensten Salons der Stadt. Das Paar schenkte sechs Kindern das Leben. Doch bereits im Jahre 1806 starben Sophie und Joachim von Schwarzkopf binnen zweier Monate.