Die Bezwingung des Mont Blanc bis zum Ende der napoleonischen Epoche
Erstmals wurde im Jahre 1581 der heute unter dem Namen Mont Blanc bekannte höchste Berg der Europäischen Union unter dem Namen Les Glaciers in den Savoyer Alpen erwähnt. 25 Jahre später wurde der Berg auf einer anderen Landkarte als »Montagne Maudite« eingetragen. »Montagne Maudite« bedeutet soviel wie verfluchter Berg und wurde in späteren Jahren für den Nachbargipfel Mont Maudit genutzt wurde.
Die erste Vermessung des Mont Blanc erfolgte im Jahre 1727. Der Prinz von Sulzbach besuchte als einer der ersten Touristen das Charmonix. In Jahre 1741 besuchte auch der englische Reiseschriftsteller Richard Pococke (1704-1769), zusammen mit dem englischen Landbesitzers William Windham (1717-1761) den »verfluchten Berg«. Im Volk glaubte man noch, dass unter den Gletschern Drachen und Geister lebten oder ganze Städte für ihren Hochmut unter Eis begraben wurden. Durch seine Erzählung wurde der alpine Berg in ganz Europa bekannt. So kam es im Jahre 1745 zu einer trigometrischen Vermessung, die eine Höhe von 4.276 Höhenmeter ermittelte. Eine Genfer Gelehrtengesellschaft unter der Leitung von Pierre Martel bescheinigte schließlich, dass der Mont Blanc auch der höchste Berg Europas sei.
Im Jahre 1760 vermaßen die Brüder de Luc den Mont Blanc erneut und mussten die Höhe des Berges zwischenzeitlich um gut 400 Meter korrigieren, somit befand sich der Gipfel demnach auf genau 4660 Meter.
Anno 1760 kam der Genfer Naturforscher Horace Bénédict de Saussure nach Chamonix. Er lobte für die Erstbesteigung des Mont Blanc eine stattliche Belohnung aus. Im Mittelpunkt seines Interesses standen jedoch naturwissenschaftliche Aspekte. Ihm selbst war jedoch die Besteigung des im faszinierenden Wetters nicht möglich. So begnügte er sich mit der Ersteigung des Brévant.
Marc Théodor Bourrit versuchte mehrfach den Gipfel zu erreichen, scheitere jedoch stets. Durch seine Reiseberichte wurde der Mont Blanc jedoch immer bekannter und bis zum Jahre 1774 fanden weitere Versuche statt. Saussure selbst versuchte eine Bergbesteigung. Dabei wurden verschiedene Aufstiege von Frankreich und Italien aus probiert. Im Jahre 1775 erreichte der piermontesische Arzt Michel-Gabriel Paccard und sein Begleiter Jacques Balmat erstmals das nordwestlich des Berges gelegene Grand Plateau in 4.000 Meter Höhe. In den nächsten Jahren wurden keine weiteren ernsthaften Bemühungen zur Bezwingung des Berges unternommen
Im Jahre 1784 versuchte Marc Théodor Bourrit erneut den Mont Blanc zu bezwingen. Dieses mal erreichten zwei seiner Bergführer, Jean-Marie Couttet und dem Jäger Cuidet, den Dône du Goûter und den Fuß des Bosses du Dromedaire.Im gleichen Jahr versuchten es erneut Dr. Paccard, der zusammen mit H. Pornet, P. Perresaux jun. sowie J.B. Jaquet, von St. Gervais aus kommend über die Höhe der Aiguille du Goûter. Zusammen mit Pierre Balmat ging er in Richtung Tacul und erreichte den Jardin und Couvercle.
Die folgenden Jahre wurde heftigst über die richtige Route diskutiert. Ob die Strecke von Saint-Gervais über die Aiguille du Goûter oder der Anstieg von Chamonix über den Bossongletscher erfolgversprechender sei. Auf der ersten Route wurde übrigens 1785 die erste hochalpine Schutzhütte in den Alpen errichtet.Die Veranlassung zu diesem Bau ging gemeinsam von Saussure und Marc Théodor Bourrit aus.
Am 08.06.1786 stiegen zwei Gruppen, eine von Saint-Gervais und eine andere von Chamonix, auf den Col du Dônne, den Sattel zwischen Mont Blanc und Dônne du Goûter und trafen dort zusammen. Jacques Balmat schloss sich der Gruppe von Chamonix an und wurde beim Versuch einen weiteren Weg über den Bossesgrat zu finden, von den anderen getrennt. Auf Grund mangelhafter Ausrüstung musste er auf etwa 4.000 Meter unterhalb des Grand Plateau biwakieren. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden alle Versuche, den Berg zu bezwingen aus geringen Höhen begonnen. Durch den seinerzeitigen Aberglauben hielt man es für unmöglich am Berg zu übernachten. Balmats Gletscher-Biwak widerlegte jedoch diese Ansicht eindrucksvoll.
Am 07.08.1786 brachen Jacques Balmat und Michel-Gabriel Paccard von Chamonix auf und übernachteten am Gite à Balmar, einer Felsformation nahe dem Bossonsgletscher auf etwa 2.300 Meter Höhe. Am nächsten Tag setzten sie ihren Aufstieg ab 4 Uhr morgens fort. Sie gingen über den Gletscherbruch Jonction, die Grands Mulets, das Grand Plateau und die Nordflanke des Mont Blanc entlang. Am 08.08.1786 erreichten die beiden Bergsteiger um 18:23 als erste Menschen den Gipfel des höchsten Berges Europas. Nach nur 24 Minuten Aufenthalt begannen beide mit dem Abstieg.
Zur jener Zeit hielten sich die sächsischen Adeligen Adolf Traugott von Gersdorff und Karl Andreas von Meyer zu Knonow in Chamonix auf. Beide verweilten auf einer Forschungsreise in diesem Ort. Sie fertigten von dieser Erstbesteigungsroute Zeichnungen an. Gersdorff hielt zudem noch einen ausführlichen Bericht in seinem Reisetagebuch fest.
Im folgenden Jahr stieg Balmat mit einer weiteren Gruppe den Berg hinauf. Im Jahre 1790 führte er Horace Bénédict de Saussure, der seinerzeit den Preis für die Erstbesteigung ausgesetzt hatte, auf den Gipfel des Mont Blanc, wo er wissenschaftliche Experiemente unternahm.
Im Jahre 1808 erstieg Marie Paradis als erste Frau den Berg. Sie wurde jedoch auf einigen Teilstrecken durch die Bergführer Jacques Balmat und seiner zwei Begleiter getragen. Aus eigener Kraft gelang es erst im Jahre 1838 Henriette d'Angeville den Gipfel zu erreichen.
In unseren Tagen wird die Bezwingung des Mont Blanc als eine der Geburtsstunden des modernen Alpenismus betrachtet. Zugleich ist es auch ein Ausdruck der schwindenden Angst der Menschen vor den Gefahren der Berge und einer verklärten Hinwendung zur Natur.
Heute noch erinnert ein kleines Denkmal an den Arzt Michel-Gabriel Paccard in der Ortschaft Chamonix am Fuße des Berges.