Die Hinrichtung des Knochenhauers Prahl am 07.07.1813
Der Bau der Napoléonschanze.
Die ehemalige Freie Reichsstadt Lübeck gehörte seit dem 01.01.1811 zum französischen Kaiserreich. In der Stadt war die französische Verwaltung eingerichtet worden, sodaß im Rathaus nicht mehr ein Bürgermeister sondern ein Maire die Geschicke der Stadt regierte. Auch wurden die Söhne der Stadt zu Soldaten Frankreichs, die auch in den Weiten Russlands und auf den deutschen Schlachtfeldern ihr Leben lassen mussten. Die Stimmung, gerade in den ehemals deutschen Départements Frankreichs war im Sommer und Herbst 1813 stark angespannt. Die Bevölkerung litt unter dem Druck der neuen Herren und sah aus dem Osten die russisch-preußische Armee vorrücken. Städte wie Bremen oder Hamburg waren zwischenzeitlich für kurze Zeit auch von den Alliierten besetzt worden, mussten jedoch wieder aufgegeben werden.
Der französische Major Abadie hob am Morgen des 05.07.1813 auf dem Lübecker Marktplatz neue Rekruten für die Armee Kaiser Napoléons aus. Zahlreiche Zuschauer beobachteten das Treiben auf dem Marktplatz unter spöttischen Kommentaren und erregten so das Missfallen des Offiziers. Dieser forderte sodann die am nächsten stehenden Zivilpersonen auf, zurückzutreten.
Als man dieser Aufforderung nicht nachkam, versuchte er die Zivilisten mit Stößen vor die Brust zurückzudrängen. Als der Gärtner Green gegen diese Behandlung protestierte, wurde er von Soldaten verhaftet. Der in der Nähe stehende Knochenhauer Prahl lachte über das Geschehene höhnisch. Der sichtlich verärgerte Offizier wandte sich nun dem lachenden Schlachtermeister Jürgen Paul Prahl zu und fragte nach dem Grund des Lachens. Als er dabei auch den Degen gegenüber dem Knochenhauer erhob, ergriff dieser den Arm des Offiziers. Ungeklärt ist jedoch bis heute, ob er nur den Degen festhalten oder an sich bringen wollte. Abadie ließ Jürgen Paul Prahl sofort verhaften.
Bereits in den Morgenstunden des 07.07.1813 trat im Stadthaus ein Militärgericht zusammen, dessen Vorsitz Major Staglieno vom 111. Linienregiment führte. Die Anklage erhob Capitain-Adjutant-Major Riston von derselben Einheit. Die Verteidigung des Knochenbauers übernahm der Jurist Johann Friedrich Hach. Der Tatvorwurf lautete auf Anstiftung zum Aufruhr und Widerstand gegen die französische Militärgewalt.
Nachdem der Angeklagte Prahl und nachdem die Verteidigung und Anklage ihre Anträge vorgebracht hatten, entschied das Gericht hinter verschlossenen Türen über das Urteil. Es wurde entschieden, dass der Handwerker gegen das Kaiserliche Dekret vom 26.01.1813 verstoßen hatte, das jegliche Aufwiegelung gegen die französische Herrschaft unter Todesstrafe stellte. Das Urteil wurde auf Kosten des Verurteilten in 300 Exemplaren gedruckt und in der Stadt öffentlich verlesen. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 915 Franc und die Kosten für den Prozess betrugen 12 Franc.
Seine Ehefrau und die vier Kinder ging aufs Rathaus um bei Maire Friedrich Adolph von Heintze um Gnade zu bitten. Dieser und auch der Unterpräfekt wandten sich an den Militärbefehlshaber Paul Thièbault, dem es jedoch verboten war hier ein Gnadenrecht auszuüben und zudem waren Militärgerichtsurteile sofort zu vollziehen.
Am Mittag des 07.07.1813 wurde Jürgen Paul Prahl in die nördlichen Wallanlagen geführt. Auf dem Festungswall am Mühlentor wurde das Urteil durch ein französisches Exekutionskommando vollstreckt und der Leichnahm wurde an Ort und Stelle verscharrt.
Der Gattin wurde als Gnadenbeweis gestattet, den Leichnahm ihres Mannes auszugraben und diesen an einer anderen Stelle beisetzen zu lassen. So fand der Knochenhauer Prahl seine letzte Ruhestätte auf den St.-Annen-Friedhof. Die auferlegten Druckkosten in Höhe von 915 Franc wurden ihr erlassen, sodass sie aus dem Nachlass ihres Gatten nur die 12 Franc Prozesskosten tragen musste. Mit der Auflösung des Friedhofes ging auch das Grab des Verurteilten verloren.
Nach der Befreiung Lübecks im Dezember 1813 war dieser Vorfall des Sommers nicht in Vergessenheit geraten. Die Handwerkszünfte der Stadt sammelten Gelder um ein Denkmal für den mutigen Mann zu errichten. Der Architeckt Joseph Christian Lillie, ein aus Kopenhagen nach Lübeck ausgewanderter Architekt, schuf einen Entwurf für das Denkmal, den der Bildhauer George Pieter Remé verwirklichte.
Die Einweihung des Denkmals erfolgte am 07.07.1820, genau am 7. Todestag des Schlachtermeisters Prahl, unter großer Teilnahme der Bevölkerung. Auf der Vorderseite trug es die Inschriften »Waffengewalt erkohr zum Opfer den friedlichen Bürger« und »Innig danke dem Herrn jeder, den Freiheit beglückt«. Auf der Rückseite waren noch die Inschriften »Hier sank J. P. Prahl den VII. Juli MDCCCXIII« und »Der Unschuld allgemeine Achtung. Von vereinten Aemtern errichtet MDCCCXX« zu lesen.
Das Denkmal stand bis zum Bau des Elbe-Lübeck-Kanals etwa 50 Meter näher am Wasser und erhielt im Jahre 1898 seinen heutigen Standort auf der Krone eines verbliebenen Wallrests.
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