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Die astronomischen Grundlagen des französischen Revolutionskalenders

von Prof. Dr. Peter Aufgebauer

Jahrform

Im 7. Artikel des Dekrets wurde festgelegt, daß das Jahr in zwölf Monate zu je 30 Tagen mit 5 zusätzlichen monatsfreien Tagen eingeteilt werden sollte.

In den Diskussionen des Kalenderkomitees waren auch andere Jahrformen besprochen worden, aber mit Rücksicht und unter Berufung auf bestimmte astronomische Verhältnisse entschied man sich für genannte Regelung. Zur Begründung führte Romme vor dem Konvent aus: „Die Teilung der Erdbahn durch die beiden Äquinoktien und die beiden Solstitien, die Einteilung des Jahres in vier Jahreszeiten erlauben als Teiler nur ein Vielfaches von vier. Man hat sich zweifellos deshalb für die Zahl zwölf entschieden, weil sie zum Ausdruck bringt, wie oft während eines Erdumlaufs der Mond an der Sonne vorbeizieht“.[1]

Für die Benennung der Monate gab es die unterschiedlichsten Vorschläge; ein Mitglied des Komitees wollte sie mit den Namen des Tierkreises versehen, ein anderes mit den Namen berühmter Männer, „die sich für die Freiheit eingesetzt haben“[2]. Schließlich konnte sich ein Vorschlag des Dichters Fabre d'Eglantine durchsetzen, wonach die Monatsnamen gleichzeitig Charakteristisches über die jeweilige Jahreszeit aussagen und die Monate ihre Zugehörigkeit zu einem bestimmten Quartal in einem einheitlichen Endreim verdeutlichen sollten:

Herbst: Vendémiaire (Weinmonat)

Brumaire (Nebelmonat) Frimaire (Reifmonat)

Winter: Nivôse (Schneemonat)

Pluviôse (Regenmonat) Ventôse (Windmonat)

Frühling: Germinal (Keimmonat)

Floréal (Blütenmonat) Prairial (Grasmonat)

Sommer: Messidor (Erntemonat)

Thermidor (Hitzemonat) Fructidor (Obstmonat)

Vor dem Konvent erklärte Fabre den Vorteil dieser Monatsnamen dahin, daß in ihnen die jeweilige „Eigenart der Jahreszeit, die Temperatur und der Zustand der Vegetation“ sinnfällig werden.[3] Delambre sah einen Vorteil in dem astronomischen Zusammenhang, daß aufgrund der Regelung des Jahresanfangs jeder Monatsanfang fast genau mit dem Eintritt der Sonne in ein neues Tierkreiszeichen zusammenfiel, „während im Julianischen oder Gregorianischen Kalender der Eintritt der Sonne in jedes Zeichen etwa um den 22. Tag des Monats erfolgt“[4].

Demgegenüber ließen sich freilich auch Einwände erheben: Kritiker des Revolutionskalenders machten alsbald geltend, die Monatsnamen seien aus mehreren unterschiedlichen Sprachen zusammengeschustert; die Einteilung des Jahres in zwölf Monate entspreche nicht dem dekadischen System; die Benennungen der Monate passen nur für Länder unter nördlicher geographischer Breite, strenggenommen nur für das Klima von Frankreich. Somit erschien der Revolutionskalender auch in diesem Punkt für andere Länder nicht als beispielhaft[5].

Den umstrittensten Punkt dieser Jahrform aber bildeten die (im Gemeinjahr) 5 Zusatztage, die an den letzten Monat angehängt wurden. Man nannte sie zunächst „Sansculottides", später einfach Zusatz- oder Ergänzungstage. Mit dem Einführen dieser monatsfreien Tage war - bewußt [6] - auf die Epagomenen des alten ägyptischen Kalenders, das persische und alexandrinische Jahr zurückgegriffen worden - eine nicht nur unter den Zeitgenossen umstrittene Art, die Tradition zu wahren:

„Die veraltete Jahrform eines despotischen asiatischen Staates paßte nicht für die freie Republik, deren Bewohner unter ganz anderen Lebensbedingungen und in einem fort- geschrittenen Zeitalter lebten“.[7]


[1] La division de l’orbite de la terre par les deux équinoxes et les deux solstices, la division de l’année en quatre saisons, ne permettait pour diviseur, qu’un multiple de 4. On s’est sans doute déterminé pour le nombre 12 parce que c’est celui qui exprime combien de fois la lune passe devant le soleil, pendant que la terre fait une revolution. C’est division est commode et ne peut être combattue solidement. - Villain (1885), S.640.

[2] Collection de Documents, T. 2 (1894), S. 439.

[3] ebd., S.701.

[4] Delambre (1814), S. 695.

[5] Vgl. Couderc (1946), S.81.

[6] Delambre (1814), S. 691.

[7] Ginzel (1914), S.331.