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Johann Erich Biester an Immanuel Kant

vom 07.03.1789.

Berlin, 7 März 1789.

Ich sende Ihnen hier, Theurester und Verehrungswehrter Mann, das neue Quartal der Berl. Monatsschrift. In dem neuesten Stücke (März, Nr. 1) hat ein Ungenannter, wie mich dünkt in einer sehr feinen u. schön ausgedrückten Allegorie den Unterschied der Wolfischen und Kantischen Philosophie angegeben: wie jene stolz dogmatisch, eilig von Schluß auf Schluß u. Beweis auf Beweis schreitend, u. eingebildet Wahrheitschaffend; diese hingegen warnend, die Schwierigkeiten kennend u. anzeigend, u. daher wahrhaft belehrend u. nützlich ist. Der Verfasser (der aber unbekannt zu bleiben wünscht) ist der sonst als Historiker schätzbare Professor Hegewisch zu Kiel.

Nehmen Sie übrigens, Theurester, auch diesen Anfang des neuen Iahrganges mit Ihrer gewohnten Güte an. Sie sehen, wir fahren auf unserm gewohnten Wege fort, und haben noch immer gute u. scharfsinnige Mitarbeiter. Treten Sie also auch mal wieder zu uns, wie Sie es sonst so fleißig und lehrreich thaten. - Ihre größern Arbeiten, die ich mit allen Kräften meines Geistes u. Gefühles bewundere, haben Ihnen freilich bis itzt alle Zeit zu solchen Nebensachen geraubt. Aber ich hoffe, daß Sie auch einst wieder gütig an die Monatsschrift denken werden; und das um so mehr, da Sie mir von Zeit zu Zeit durch Reisende Ihr fortdaurendes Wohlwollen nebst einem Versprechen, nächstens zu schreiben u. zu schicken, haben ankündigen lassen.

Mit dem größten Vergnügen erfahre ich, daß (was Sie vielleicht itzt Selbst noch nicht wissen) vor einigen Tagen das OberSchulkollegium beschlossen, Ihnen Ihr feststehendes Gehalt bis auf 500 Rthl. jährlich zu erhöhen. Dieser Zug von Gerechtigkeit, wodurch endlich eine langbegangene Nachläßigkeit wieder in etwas gut gemacht wird, hat alle denkende Menschen hier außerordentlich erfreut; u. daß um so mehr, weil durch keine Vorstellung von dort her (vom dortigen Staatsministerium oder sonst) sondern bloß durch die Erinnerung einiger wohldenkenden Glieder des O[ber]Schulkollegiums dieser Entschluß sogleich bewilligt und gefaßt ist. Mit dem lebhaftesten Antheil an dieser angenehmen Veränderung, welche Ihnen die so wohl verdiente größere Bequemlichkeit u. Gemächlichkeit schaffen kann, - wünsche ich nicht sowohl Ihnen dazu Glück, als vielmehr unsrer Regierung, welche durch solche Handlungen in den Augen eines nicht zu strengen Richters manche andere expiiren kann.

Der Genius unsers Vaterlandes erhalte Sie noch lange zu unsrer Ehre und zu unsrer Belehrung!

Leben Sie gesund u. wohl, und würdigen mich Ihrer fortdaurenden gütigen Freundschaft.

Biester.

HE. Prof. Kraus werde ich nächstens wegen eines nach England zu richtenden Schreibens antworten.

Quelle:
Preußische Akademie der Wissenschaften (Hg): Kants gesammelte Schriften, Bd. XI. Briefe 1789-1794, Berlin 1900