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Aufzeichnungen des Kammerdieners Tamanti über den Aufenthalt Napoléons in Berlin

vom 25.10. bis 05.12.1806.

Vorrede

In einer Zeit wo so viele Schriften über Napoleon herauskommen, in denen sich oft das Wahre vom Falschen schwer unterscheiden läßt, machte sich der Verfasser der folgenden Notizen um soweniger Bedenken mit denselben hervorzutreten, da er durchgehends als Augenzeuge schreibt. Er erhielt nämlich im October 1806 als der Kaiser der Franzosen in Potsdam erwartet wurde den Befehl, sich auf dem Königlichen Schlosse daselbst einzufinden, um beidemselben als Kammerdiener zu functioniren. Dieses Amt welches ihm vom 24ten October bis 24ten November ununterbrochen verblieb, und ihn in die nächste Umgebung Napoleons brachte, machte es ihm möglich die folgenden Bemerkungen zu sammeln, welche er hiermit dem geehrten Lesern, so wie er sie schon damals niederschrieb, als einen kleinen Beitrag zur Kenntniß jener verhängnißvollen ewig denk und merkwürdigen Zeit übergiebt, in der Hoffnung, daß sie ansprechen werden, und mit dem belohnenden Gefühle unserm vortrefflichen Könige mit trreustem Herzen ergeben dem Vaterlande, soweit es der ihm angewiesene Beruf gestattete nicht erfolglos die redlichsten Dienste geleistet zu haben -

 

* * *

Es war am 24ten October Vormittags halb eilf Uhr, als der Kaiser Napoleon Bonaparte auf der grünen Rampe im Lustgarten von Potsdam vom Pferde stieg. »Hier werde ich also wohnen? fragte er den Marschall Duroc. Ja Sire entgegnete dieser, Erw. Majestant werden die Zimmer bewohnen, welche der russische Kaiser bewohnt hat. – Nachdem hierauf der Kaiser befohlen, daß die Wachen seiner Garden, wenn sie kämen, im Königlichen Schlosse ebenso aufziehen sollte, wie dies bey der Anwesenheit des Königs von Preußen geschehen sey, trat er in den Marmorsaal, um seine Zimmer in Augenschein zu nehmen. Er fragte mich: »was ich für eine Bedienung habe? worauf ich erwiederte, daß ich Kammerdiener Sr. Majestaet des Königs von Preußen sey. Hierauf zeigte ich dem Kaiser die zu seiner Wohnung bestimmten Zimmer. –

 

Eingetreten in das sogenannte gelbe Zimmer, wo sich zwei Kammerdiener befanden, fragte er mich »Wer sind diese und sprechen sie französisch?« welches ich der Wahrheit mit Nein beantwortete: »Sind Sie ein Franzose?« »Nein Sire! mein Vaterland ist Italien.« »Sie bleiben bei mir zum Dienst«, erwiederte der Kaiser in italienischer Sprache. Seine Zimmer fand Napoleon alle schön und prachtvoll. Indem für ihn bestimmten Schlafzimmer fragte er, ob in demselben Bette, der Kaiser von Russland geschlafen habe? welches ich bejahte.

Er befahl hierauf, daß sogleich einige Tische gebracht werden möchten zur Aufspannung seiner Karten, welcher Befehl augenblicklich erfüllt wurde. – Nach einer halben Stunde verlangte der Kaiser sein Frühstück, welches er mit dem Prinzen Hieronymus und Murat einnahm.

Mitlerweile war die kaiserliche Garde an gekommen, ich sandte daher jemand mit, um die beiden Hauptwachen zeigen zu lassen. Die Garde marschirte darauf durch das Portal am Lustgarten, und besetzte die beiden Hauptwachen, sowie den Marmorsaal. Im sogenannten blauen Zimmer nahe der Wohnung Napoleons hielt sich der dienstthuende General auf, im Bronce-Saal, aber mehrere Officiers d’ordonance, und Adjudanten, die zur kaiserlichen Ehrenwache gehörten. Als der Kaiser Nachmittags 2 Uhr in den Broncel-Saal trat, fragte er mich: »was das für Gemälde wären? /: er zeigte auf die über dem Kammin hängenden:/ Ich erwiederte, daß sie dem König von Pohlen und Friedrich Wilhelm, den ersten König von Preußen darstellen sollten. Er fügte hinzu daß dies wohl derjenige sey ? welcher das alte Grenadier-Bataillon errichtet habe? – »Sind die Schlösser Sans-Souci und das neue Palais weit von hier entfernt ?« – Nein Sire ! – Beide Schlösser will ich noch heute sehen! »Wo hat in diesem Schloße Friedrich der Große gewohnt?« – Auf dem anderen Flügel des Schlosses nach der langen Brücke zu.« – Ich will dessen Wohnung sogleich besuchen ! – Ich ließ daher sogleich dem Kastellan melden, daß er die Zimmer Friedrichs des Großen öffnen möchte. Als der Kaiser in den Marmorsaal trat, fragte er was dies für ein Saal sey? ich gab zur Antwort, daß dies der Saal sey, in welchem Friedrich der Große einrangirt habe. – »Und was ist dies für ein Gemälde?« – »Es stellt die Geschichte aus den Zeiten der Churfürsten von Brandenburg vor.« Der Kastellan trat in den Marmorsaal, um zu melden, daß die Zimmer Friedrichs des Großen geöffnet wären. Als Napoleon in das erste Zimmer trat, fragte er mich: Ist dies schon ein Zimmer Friedrichs des Großen? und was sind das für Gemälde und Kupferstiche die hier an der Erde liegen? Ich antwortete daß dies ein Zimmer des großen Königs sey, die Gemälde aber unser König, auf der Berliner-Kunst-Ausstellung gekauft habe. Jetzt waren wir in den Kammern. Friedrichs des Großen angekommen. »Wo hat Friedrich der Große geschlafen?« ich zeigte den Ort. – »Wo ist das Bett in welchem Friedrich geschlafen hat?« Diese Frage konnte ich nicht bestimmt beantworten, that sie daher an den Kastellan, welcher berichtete, daß der König Friedrich Wilhelm II jenes Bett seinem geheimen Kämmerer Rietz geschenkt habe, welches ich dem Kaiser in französischer Sprache wiederholte - .

Der Kaiser schloß in einem Zimmer Friedrich des Großen einen Glasschrank auf, worin sich Werke desselben befanden, nahm einen Band davon heraus, und sagte zu seinen umstehenden Generalen: »Meine Herren! Dies ist ein Werk, welches Friedrich der Große selbst geschrieben hat, so wie ein von ihm selbst geschriebener Catalog.« Hierauf befahl er den Bücherschrank wieder zuzuschließen, und fragte mich: Hat dieser Mann, auf den Kastellan zeigend auch Friedrich dem Großen gedient? – »Dieser Kastellan,« sagte ich, »ist viele Jahre lang Laquai Friedrichs gewesen, von demselben aber nachher zum Kastellan ernannt worden.« –

Hierauf wandte sich der Kaiser zu seinen Generalen, und sagte: »Sehen Sie meine Herren! Hier ist noch Musik von Friedrich dem Großen, welcher selbst geblasen hat. Er war ein großer Musikus! – Und was ist das für ein Degen, der hier auf dem Tische liegt?« Es war der Degen Friedrichs des Großen, den man ebenso wie ein in demselben Zimmer befindliches Kästchen, mit dem Ornate des Regiments, welches Friedrich in Petersburg gehabt, in der Bestürzung bei Seite zu schaffen, vergessen hatte. Da dieser Degen schon seit vielen Jahren mehreren französischen Militairpersonen bekannt war, und dies sogar einer der ihn umgebenden Adjudanten äußerte, so war man in die Nothwendigkeit versetzt, zu antworten, daß es ein Interimsdegen des unsterblichen Königs, und der dabey liegende schwarze Adler-Orden von Friedrich dem Einzigen nur interimistisch getragen worden sey –

Darauf fragte er: »hat denn Friedrich der Große einen so kleinen Degen getragen?« Ich bejahte diese Frage, und der Kaiser nahm den Degen in die Hand und zeigte ihn seinen Generalen, wobey er sagte: »Wenn der König noch lebte, der diesen Degen getragen hat, würden wir uns nicht hier befinden. – An der Seite des Tisches, worauf der Degen lag, stand ein spanisches Rohr, mit einem goldenen Knopfe. Der Kaiser fragte: »Gehörte dieser Stock auch Friedrich dem Großen?« Ich antwortete: daß diesen Stock Friedrich Wilhelm II getragen habe. –

Ueberhaupt erkundigte sich der Kaiser sehr genau nach allen im Zimmer befindlichen Gegenständen, nach ihrer Bestimmung ihren vormaligen Besitzer pp. Er ging darauf ins dritte Zimmer, worin die Maschinentafel befindlich ist. besah dieselbe und fragte, ob nach dem Tode Friedrichs des Großen, etwa Veränderungen in dieser Wohnung vorgenommen wären? Worauf ich erwiederte, daß Friedrich Wilhelm II und der jetzige König, nicht daran hätten verändern lassen. Da meinte der Kaiser: »Diese Wohnung verdiene zum Andenken unverändert zu bleiben.« Hierauf verließ Napoleon die Zimmer Friedrich des Großen, und begab sich nach den seinigen zurück, nachdem er den Befehl ertheilt, Jemanden zu schaffen, der französisch spreche, und mit ihm ausreiten, und ihm die Wege zeigen könne. –

Ich schickte zu dem Königlichen Bereiter Müller, welcher sich bald nachher einfand, ich hatte geglaubt, daß derselbe Französisch spräche, was jedoch nicht der Fall war. –

Kurz darauf setzte sich der Kaiser nebst seinen Generalen zu Pferde, um Sans-Souci und das neue Palais zu besehen, und kehrte in einigen Stunden wieder auf das Schloß zurück. – An dem selbigen Tage kurz nach der Ankunft des Kaisers in Potsdam, kam der Hofschlächter Giesmann zu mir auf das Königliche-Schloß, und klagte daß ihm französische Truppen auf dem Wege von Berlin über Charlottenburg alles Vieh, sogar Wagen und Pferde genommen hätten. Der Prinz Berthier, den ich diesen Vorfall vortrug, erwiederte mir, daß diese Sache sich redressiren lasse, nur müße man bestimmt angeben können, zu welchem Corps diese Truppen gehörten. Ich ermittelte dies, und benachrichtigte dem Prinzen Berthier, daß es das Bernadotsche-Corps gewesen sey, worauf derselbe befahl, daß 2 Gend’armes den p. Giesmann begleiten, ihn zu dem Corps führen, und ihm zur Wiedererhaltung seines ihm genommenen Viehes und die übrigen Sachen behilflich zu sein. Der p. Giesmann begab sich mit den 2 Gend’armes in das Lager der Truppen, und erhielt wirklich alles ihm Genommene, bis auf ein Schwein zurück, welches bereits geschlachtet und zum Theil zerlegt war.

Desselben Tages bekam ich ein Schreiben von dem Kastellan der Pfaueninsel, daß sich französische Militairs mit einem Kahne übergesetzt hätten, und sich das dortige Vieh zueignen wollten, man möge ihm daher sogleich eine Sauve-garde heraussenden. –

Alsbald ging ich zum Prinzen Berthier, und bat diesen um die verlangte Sauve-garde. Der Prinz schickte mich zu dem General René, Commandanten von Potsdam, welcher sogleich dem Platzmajor den Befehl ertheilte, schleunig eine Sauve-garde, nebst einen Postillon, welcher derselben den Weg zeigen könnte hinauszuschicken. –

Der Postillon stieß in der Nähe der Pfaueninsel in sein Horn, damit die Sauve-garde übergesetzt würde, da sich aber Niemand weder hören noch sehen ließ, auch die Sauve-garde, ohne Jemanden zu erblicken, zwei Stunden in der Nacht gewartet hatte, ritt sie wieder fort, und begab sich nach Glienecke, einem Gute des Oberstallmeisters Grafen von Lindenau, welchem ich auch zwei Mann Sauve-garde ausgemittelt.

Am 25ten October befahl mir der Marschall Duroc, im Namen des Kaisers, die Deputation nebst den Landständen um 11 Uhr auf das Königliche Schloß zu bestellen, um sich dem Kaiser zu praesentiren. Sobald sich nun der Fürst Hatzfeld nebst den Praesidenten von Berlin, und den Landständen im Marmorsaal befanden, zeigte ich es an, worauf der Marschall Duroc zum Kaiser ging, und diesen meldete, daß die Deputationen von Berlin angekommen wären, um die Schlüßel dieser Stadt zu überreichen. –

Im gelben Zimmer, in dem der Kaiser sich eben befand, empfing er die Deputation. Der Fürst Hatzfeld sprach mit dem Kaiser, der ihm [sagte] erwiederte »er bedürfe seiner Hülfe nicht!« –

Eines Morgens kam ein gewisser Hesse, einer von denen, welche schon mehrere Tage vorher den französischen Truppen bis Wittenberg entgegen gefahren waren, der hier aber nicht den Kaiser, sondern die Marschalle Davoust und Savary gesprochen hatte, auf das Königliche Schloß, auf dem Corridor der sogenannten neuen Kammern. Ich erblickte den selben als ich eben in das blaue Zimmer gehen wollte. Er fragte mich in französischer Sprache, ob ich dem Kaiser angehöre? worauf ich antwortete: »daß ich dem Könige von Preußen diene.« Er sagte hierauf er habe einen Brief an den Kaiser abzugeben, und wünsche einen Adjudanten desselben zu sprechen, um den Brief an den Kaiser selbst abgeben zu können. Da er indeß keinen Adjudanten nennen, und ich ihn nicht mit hinein nehmen konnte, so sagte ich es dem dienstthuenden General, welcher nach einer Weile heraus kam, dem obgedochten Hesse den Brief abnahm, und sagte, »Wenn Seine Majestaet der Kaiser es für nöthig halten wird, so werden Sie Antwort bekommen!« Der General Gaidan, überreichte den Brief an den Kaiser, derselbe erbrach ihn, und sagte zu dem General »Ist es möglich! kaum hier angekommen werde ich gebeten, eine Summe Geldes auszahlen zu lassen, die Seine Majestaet der König von Preußen zur Unterstützung einer Fabrik versprochen hat.« – » ist ein Patriot.«!!!

Derselben Morgens nach 11 Uhr wurde ich durch die Schildwache die im Marmorsaal stand, herausgerufen, und von derselben benachrichtiget, daß sich ein Dessauerjagd-Junker eingefunden, welcher einen Brief von seinen Fürsten abzugeben habe. Ich sprach mit dem Jagdjunker, und sagte ihm, es sey unmöglich, daß er den Brief an den Kaiser selbst abgebe, indeß würde ich ihnn zum Prinzen Berthier führen lassen, durch dessen Vermittelung sein Brief bestimmt in die Hände des Kaisers gelangen würde. –

Da ich aber im ersten Augenblick Niemanden hatte, der ihn zu diesem Prinzen führen konnte, so nahm ich ihn mit in den Bronce-Saal, und ersuchte ihn dort, so lange, bis sich ein Führer für ihn zeigte zu warten. – Gleich darauf trat der Kaiser aus dem blauen Zimmer in den Bronce-Saal, wurde den Jagdjunker gewahr, und fragte mich: wer dieser sey? ich sagte dem Kaiser, daß er ein Abgesandter des Fürsten von Dessau sey, welcher einen Brief an Seine Majestaet abzugeben habe. – Der Jagdjunker war in der größten Bestürzung. Nachdem ich demselben durch Zeichen begreiflich gemacht hatte, daß dies der Kaiser sey, trat er ihm näher, und brachte bey Abgabe des Briefes im Namen seines Fürsten, eine mündliche Fürbitte, um Schonung des durch starke Truppenmärsche leidenden Länder an. – Der Kaiser erwiederte hierauf: »ich wünsche Ihnen eine glückliche Reise, und werde Ihrem Fürsten auf seinem Brief antworten.«

Den Nachmittag ließ der Kaiser seine Garden und reitende Artillerie manövriren, welches wohl einige Stunden dauerte, darauf setzte er sich mit seinen Generalen zu Pferde, und ritt nach der Garnison-Kirche, um das Grabmal Friedrich des Großen zu besehen. Nachdem er es lange Zeit schweigend betrachtet hatte, sagte er »Wenn man auch tot ist, so ist doch der Ruhm unsterblich!« – Er verließ die Kirche, ritt um die Stadt herum, und begab sich gegen 5 Uhr wieder auf das Schloß!“ –

Am 26ten Nachmittags halb drei Uhr, setzte sich der Kaiser nebst seinen Generalen zu Pferde, um nach Charlottenburg zu reiten. Bei dieser Gelegenheit wandte ich mich an den selben, und sagte obgleich Sr. Majestaet befolgten, daß die Königl. Schlösser gegen alle feindliche Angriffe und kriegerischen Gewaltthätigkeiten gesichert bleiben sollten, man dennoch im neuen Garten vieles demolirt, und die dort wohnenden Leute geplündert habe, auch hätte ich Seine Majestaet schon ein Bittschreiben überreicht, worin die dort wohnenden Leute den Schaden, welchen sie schon erlitten, und noch immer erleiden müßten, angezeigt hätten. – In der That aber war es blinder Lärm, nur Brennholz war genommen worden. – Der Kaiser antwortete allen diesen Schaden werde ich ersetzen, auch habe ich befohlen, daß in jedem Schlosse Sauve-garden sein sollen.

Ich erkundigte mich wie es damit stünde, und erfuhr daß der Marschall Duroc, Ordre ertheilt habe, daß sich in jedem Schlosse Sauve-garden befinden, und wie sie sich verhalten sollten. Mit der schriftlichen Ordre dieses Inhalts vom Marschall Duroc, begab ich mich zur Schloßwache auf dem Königlichen Schlosse, und ließ mir 4 Mann Sauve-garde geben, die ich um 4 Uhr, in den neuen Garten hinausführte, und dem Kastellan übergab, ihnen die Stellung anzuweisen.

Während dieser Zeit hatte der Kaiser seinen Weg nach Spandau fortgesetzt. Als derselbe an das Potsdamer Thor kam, ritt er den Stadtwall hinunter, besah die Citadelle, ritt in die Festung, sodann zum Oranienburger Thore wieder hinaus, und traf gegen 6 Uhr auf dem Schlosse zu Charlottenburg ein. –

Am 27ten October gegen 4 Uhr Nachmittags, ritt der Kaiser von Charlottenburg ab, und begab sich nebst seinen Generalen nach Berlin. – Die Stadt war diesen Abend erleuchtet. Der Kaiser ritt wohl eine Stunde lang in derselben umher, und begab sich sodann auf das Königl. Schloß. –

 

Er bewohnte die Suite nach dem Lustgarten zu, und zwar die Kammern von Friedrich Wilhelm des zweiten. In der Spiegelkammer, in der Nähe der Wohnung des Kaisers, befand sich ein dienstthuender General, und im Pfeilersaal verschiedene Officiers d’ordonance, und Adjudanten, die zur kaiserlichen Ehrenwache gehörten. Die Garden des Kaisers zogen inn Garde-du-Corps-Saal auf, und besetzten ihre Posten. –

Am 28ten October, Mittags 11 Uhr begaben sich alle Departements von Berlin auf das Königliche Schloß, um sich dem Kaiser zu praesentiren. Es befanden sich darunter auch viele Deputirte, welche durch den dienstthuenden General, dem Kaiser vorgestellt wurden. –

Um 12 Uhr ließ der Kaiser die Wachgarde aufziehen, sowie täglich die angekommenen Regiementer Revue passiren, und avancirte diejenigen welche sich im Felde ausgezeichnet hatten. – An eben diesen Tage stattete der Kaiser Visite, bei Sr. Königlichen Hoheit, dem Prinzen Ferdinand von Preußen ab, und ließ sich nachher auch bei der Churprinzessin von Hessen-Cassel anmelden. Ihre Königl. Hoheit, ließ sich indeß, von einer Unpäßlichkeit noch nicht hergestellt entschuldigen. –

Eines Morgens ließ der Kaiser den Feldmarschall von Möllendorf zu sich rufen. Als er erschien, meldete ich dem Kaiser seine Ankunft, der ihm sehr freundschaftlich die Hand reichte, ihn in sein Zimmer aufnahm und ihm sagte: »ich freue mich sehr, einen solchen braven Feldmarschall kennen zu lernen.« worauf er sich mit Demselben eine gute Stunde lang unterhielt. Einige Tage darauf zog er ihn auch zur Mittagstafel, bey welcher verschiedene Prinzen mitspeisten, und unterhielt sich während der Tafel fast stets mit dem Feldmarschall.

Gegen 8.00 Uhr Abends fand sich der Kaiser nebst allen Prinzen, seinen Generalen und mit dem Feldmarschall von Möllendorf in der Spiegelkammer ein und ließ die Musicis befehlen, das Conzert anzufangen – der Marschall Duroc stellte dem Kaiser, den Kapellmeister Himmel vor. Napoleon fragte ihn nach seinem Vaterlande, worauf er erwiederte, daß er ein Preuße sey, und daß ihn Sr. Majestaet Friedrich Wilhelm II. nach Italien habe reisen lassen, um seine Talente daselbst zu vervollkommen. –

Der Marschall Duroc stellte darauf einen Sänger des Königs von Baiern Namens Bricci vor. Der Kaiser fragte ihn, aus welchem Lande er gebürtig sey? Bricci nannte Bologna als seine Vaterstadt. Der Kaiser sprach italienisch mit ihm, und sagte, daß die Bologneser gute Leute wären. –

Zuletzt wurden auch der Königliche Preußische Opernsänger Tambolini, und die Opernsängerin Marchetti vorgestellt, welche letztere der Kaiser fragte: »wie lange sie hier in Königlichen-Diensten wäre?« Mme. Marchetti antwortete 14 Jahr. So sind Sie gewiß eine Deutsche geworden, erwiederte Napoleon.

Hierauf begann das Conzert, worin sich die Virtuosen hören ließen, und in der Folge hatte der Kaiser alle Abend, in den französischen Kammern ein Vocal-Conzert, während dessen, er mit dem dienstthuenden General eine Parthie Schach spielte. –

Eines Nachmittags, als der Kaiser nebst seinen Generalen nach Friedrichsfelde zur Revue geritten war, kam die Fürstin Hatzfeld auf das Königliche-Schloß in den Parole-Saal, vor welchem zwei französische Schildwachen standen, der eine davon rief mich hinaus, und sagte zu mir: es sey eine Dame da, die Einen aus der Umgebung des Kaisers sprechen wollte. Ich ging hinaus, und führte die Fürstin in den Saal ein, die mich jetzt fragte wer sind Sie mein Herr?" Ich antwortete, daß ich Kammerdiener des Königs von Preußen wäre, und den Dienst beim Kaiser verrichtete. –

Die Fürstin fragte weiter, ob man nicht wisse, wo ihr Gemahl sey? Da ich der Fürstin Niedergeschlagenheit wahrnahm, wollte ich ihr Anfangs die Wahrheit nicht sagen, sie bat indeß so dringend, daß ich mich nicht enthalten konnte, ihr zu sagen: »ich hätte gehört, daß der Fürst verhaftet sey!« – Ist der Kaiser zu Hause? fragte sie heftig erregt. – ich muß ihm einen Brief überreichen. Der Kaiser, sagte ich, ist vor einer Stunde weggeritten, und kömmt vor Anbruch des Abends nicht zurück, indem trat der Fourier des Kaisers hinzu, und fragte mich: wer diese Dame wäre? Als ich ihm dies beantwortet, ging der Fourier zu der Fürstin und sagte, »Madame! Sie müßen fortgehen, und können hier nicht bleiben!« – Ich sagte auf Deutsch zu der Fürstin, daß sie auf dem Schloße Bescheid genug wisse, um Gelegenheit zu finden, den Brief dem Kaiser selbst zu überreichen. – Zu gleicher Zeit kam der Marschall Duroc aus dem Pfeilersaal, die Fürstin sprach ihn an, worauf er sagte: »Madame! Nehmen Sie es nicht übel, ich habe nicht einen Augenblick Zeit, denn ich bin zu sehr beschäftigt.« Und so fuhr sie nach Hause zurück. – Gegen 6 Uhr kam Napoleon auf dem Schloße an, und stieg auf der Seite des Domportals ab. Die im Garde-du-Corps-Saal befindliche Wache zog, wie gewohnlich eine Chaine bis an die Treppe, auf welcher der Kaiser einging. — Ich sah mich jetzt nach der Fürstin Hatzfeld um, und erblickte sie im Garde-du-Corps-Saal, woselbst sich auch der, der Fürstin zur Begleitung beigegebene Kammerherr der Prinzessin Ferdinand von Preußen aufhielt, und stellte sie an dem Zimmer in welchem der Kaiser eintreten müßte. –

Kaum war derselbe eingetreten, als auch schon die Fürstin niederkniete und um Gnade für ihren Mann flehte. – Der Kaiser dem dies unerwartet kam, stand still, und ahm den Brief der Fürstin aus der Hand, in welchem auch die Prinzessin Ferdinand von Preußen für sie bat. –

»Wer sind Sie Madame?« fragte der Kaiser. – Sie antwortete: »ich bin die Fürstin Hatzfeld, und bitte um Gnade für meinen Gatten!« Der Kaiser nahm seinen Huth ab, und sagte zu der Fürstin: »Stehen Sie auf Madame!« Die Fürstin war einer Ohnmacht nahe: »Nehmen Sie die Fürstin in Ihre Arme«, sagte Napoleon zu den Marschällen Duroc und Segur. – Ich begleitete dem Kaiser darauf in sein Zimmer, und nachdem derselbe den Brief durchgelesen hatte, befahl er mir die Fürstin zu holen. Ich meldete dies der Fürstin. – In der größten Angst ging sie begleitet von mir, bis in das Vorzimmer des Kaisers, wo der dienstthuende General, sie anmeldete. Sie trat herein, und nichts wissend von der Ursache der Verhaftung ihres Gemahls, bat sie den Kaiser flehentlich um Gerechtigkeit gegen ihren Gatten, da nur Verleumdung, nicht aber Schuld, ihm seine Lage zugezogen haben könne.

Der Kaiser reichte ihr statt aller Antwort den Brief des Fürsten. Zitternd ergreift ihn die Unglückliche. Sie lieset, sie erkennt ihres Mannes Handschrift, die Schuld gegen den stolzen Sieger ist klar wie der Tag. Unaussprechlicher Seelenschmerz im Antlitz und Haltung unterbricht sie die schreckliche Pause, blos durch die Worte: »Ja Sire wir sind unglücklich.« – »Nun Madame!« sagte Napoleon, »urteilen Sie selbst, ist das Verläumdung?« – Thränen stürzten der Fürstin die Wangen herunter. –

Sie war in einer bejammernswerthen Lage und Mitleid malte sich auf jedes Umstehenden Gesicht. »Madame!« – sagte der Kaiser, nachdem er ihr den Brief wieder abgenommen, »dieser Brief allein enthalt die Beweise gegen Ihren Gemahl! wir wollen ihn verbrennen!« Damit warf er ihn in‘s Feuer. – –

»Ich begnadige Sie, Madame! Holen Sie sich ihren Gemahl!« – Der Marschall Duroc, der den Befehl zur Entlassung des Fürsten hatte, fuhr mit der Fürstin zu ihrem Gemahl, um diesen den Kaiserlichen Befehl zu seiner Entlassung anzukündigen. – Der Fürst und die Fürstin setzten sich sodann in ihren Wagen und fuhren nach ihrer Wohnung. –

Alle Sonntage ließ der Kaiser in seinem Zimmer die Messe lesen, wobei verschiedene Generale zugegen waren. – Da sich jetzt die Unpäßlichkeit der Churprinzessin von Hessen-Cassel gehoben hatte, so ließ dieselbe bei dem Kaiser durch den Prinzen von Isenburg anfragen, wann sie ihre Aufwartung machen könne. – Der Marschall Duroc trug mir auf dem Kammerherrn der Churprinzessin zu sagen, daß der Kaiser die Prinzessin erwarte. – Der Kammerherr erwiederte mir auf meinen desfallsigen Bericht: ich möge dem Kaiser sagen, daß die Prinzessin schon ausgefahren sey – Ich antwortete indeß, daß, da der Wagen der Prinzessin vor der Wendeltreppe halte, und des Kaisers Reitpferd sich nicht auf demselben Schloßhofe befinde, ich mich keiner Verlegenheit aussetzen möchte, indem der Kaiser ausreiten wolle, und sich bestimmt nach dem Zweck des Wagens der Prinzessin erkundigen werde. Ich ging darauf zur Churprinzessin um Hochderselben zu sagen, daß der Kaiser sie erwarte, und daß mir ihr Kammerherr gesagt hätte: ich solle dem Kaiser sagen: Ihro Königl. Hoheit wären schon ausgefahren. Ihre Königliche-Hoheit bemerkten aber, daß sie keinen Führer habe. Ich ging darauf zum Prinzen von Isenburg, der sich in der Spiegelkammer befand, und sagte ihm, daß es der Prinzessin an einem Führer fehle, da der Kammerherr derselben wider Vermuthen nicht angezogen sey. –

Der Prinz ging mit mir sogleich zur Prinzessin, und führte sie nebst ihren beiden Kindern, und ihrer Oberhofmeisterin zum Kaiser, welcher im Pfeilersaal, die Prinzessin entgegen kam, und sie sehr freundschaftlich empfing. Er nahm den Arm der Prinzessin, führte sie nebst ihren beiden Kindern in sein Zimmer, und unterhielt sich sehr lange mit derselben. Hierauf führte der Kaiser die Prinzessin aus seinem Zimmer heraus, und begleitete sie bis in den Pfeilersaal. »Begleiten Sie die Prinzessin!« - sagte er zu seinen Generalen, welche erstere bis in ihre Wohnung brachten. –

Am 13ten November Mittags nach 1 Uhr ertheilte der Kaiser dem Verwaltungs-Comité von Berlin den Befehl, in Rücksich alles dessen, was zur Truppen-Verpflegung gehört Bericht abstatten zu lassen. –

Den 23ten November gegen Abend mußte ich den Kaiser zu der Churprinzessin von Hessen-Cassel führen, bey welcher er seinen Abschiedsbesuch abstattete und sich lange aufhielt. –

Am 24ten November Morgens 3 Uhr fuhr der Kaiser von Berlin ab, nach Cüstrin, nachdem er hinterlassen, daß er in 4 Tagen wieder in Berlin eintreffen würde, wozu seine Zimmer in Bereitschaft gehalten werden möchten. – Er kam aber nicht zurück, denn nach 10 Tagen bekam der Service und ein Theil seiner Dienerschaft, welcher in Berlin zurückgeblieben war, den Befehl nachzukommen. –

Mit diesem Befehl endigte sich auch mein Dienst, den ich vom 23ten Oktober bis 5ten December mit der größten Anstrengung meiner Kräfte, Tag und Nacht gehabt hatte, ich ging darauf zum General Clarke, bat denselben um einen Paß zu meiner Sicherheit und Rückreise nach Potsdam, und gelangte am 6ten December, in den Zirkel meiner Familie an.

Quelle:
Landesarchiv Berlin, F_Rep.241_Acc.3932_Nr.1 Tamantis