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Bericht von Major Presentins über das Gefecht von Dammgarten

vom Juni 1809.

Es war am Montag Abend, den 22sten Mai 7 Uhr, als eine Estaffette die Nachricht an den Kapt. v. Kampz brachte, daß der Major v. Schill in Rostock eingerückt sei. Sobald ich durch den Kapt. v. Kampz hievon benachrichtigt war, ließ ich mir das Schreiben von Serenissimo zeigen, da ich in Abwesenheit des Gouverneurs als Kommandant den Oberbefehl über alle Truppen hatte. Ich schickte also gleich nach Nienhof, wo der Gouverneur hinausgefahren war, und versammelte alle Officiere, um bereit zu sein, die Befehle des Gouverneurs auszuführen. Sobald der Gouverneur kam und die Rapporte entgegengenommen hatte, befahl er, daß ein Theil der Artillerie nach Richtenberg nebst einer Abtheilung der polnischen Kavallerie gleich abmarschiren solle. Ein Theil der Kavallerie war bereits mit der Kompagnie v. Elderhorst nach Damgarten abmarschirt; der Kapt. v. Schade dagegen mit der Kompagnie nach Tribsees. Um 12 Uhr nachts stand das Regiment, bis auf die Kompagnieen v. Hartwig und Gravenitz, auf dem Markte zum Abmarsch bereit. Diese beiden Kompagnieen wurden gleich hieher beordert. Der Major v. Moltke mußte nach Richtenberg abmarschiren; ich ging mit meiner 4ten Kompagnie nach Damgarten, welches 5½ Meile entfernt ist. Daselbst kam ich am 23sten, von der Hitze des Tages sehr ermattet an; viele Marode blieben zurück. In Damgarten fand ich den Major v. Bülow mit der Artilleriekompagnie, mit der Kompagnie v. Boddin und v. Bülow; den Lieut. v., Trippenbach mit 34 Husaren; den Lieut. Develle mit 18 Chasseurs; also eine Garnison von folgender Stärke, worüber ich den Oberbefehl laut Order vom General Landras übernahm.

Poln. Chasseurs

  1 Offic.

  2 Unt.-O.

 

  18. M.

Husaren

  1 -

  1 -

 

  33 –

Artillerie

  3 -

  5 -

  3 Spielt.

  32 -

Gren.-K. von Boddin

  7 -

  5 -

  5 -

  42 -

Voltig.-K. von Bülow

  9 -

  7 -

  2 -

  41 -

Musket. 2tes Bat.

18 -

45 -

27 -

407 -

Cadetten

    -

10 -

    -

      -

 

39 Offie.

75 U.O.

37 Spl.

573 M.

6 Geschütze nebst Munition, aber ohne Anspannung.

Von diesen Truppen legte ich meine Kompagnie nach Puttnitz, in meiner rechten Flanke; den Kapitain v. Kampz nach Daschow und Plummendorf, in der linken Flanke, und den Kapitain v. Berg nach Tempel, mit der Order, bei dem ersten Schuß herbei zu eilen. Meine Vedetten gingen bis Ribnitz; an der Brücke war ein Officier, so wie auch in Damgarten alle übrigen Ausgänge besetzt waren. Vier Geschütze waren diesseits des Passes in einem épaulement aufgefahren, und an dem Werke ward gearbeitet. Die beiden andern Geschütze blieben diesseits Damgarten und hatten keine Munition, woran es überhaupt fehlte. Die Bespannung bestand aus zusammengerafften Bauerpferden und Knechten, und die Bedienung war unzureichend und ungeübt. Der Kompagnie des Major v. Boddin hatte ich, als der Elitenkompagnie, den Allarmplatz vorne bei der Brücke angewiesen. Die Kompagnie v. Engel stellte ich rechts des Dammes und die v. Elderhorst links desselbigen, wo ich ihr eine kleine Brustwehr durch vorgeworfenes Bauholz und Planken errichten ließ. Die Kompagnie v. Bülow auf dem Markt war zum Soutien bestimmt. Hiebet muß ich bemerken, daß selbige weder ganz brauchbare Gewehre, noch hinlängliche Patronen hatte. Der Stabskapitain v. Storch meldete mir, daß einige Leute nur zwei Patronen hätten und auch diese in die Gewehre nicht paßten, mithin nur wenig auf diese verabsäumte Kompagnie zu rechnen sei. Nachdem ich diese Anordnung gemacht hatte und alle Officiere instruirt waren, so befahl ich, daß des Nachts 2 Uhr sämmtliche Truppen unter das Gewehr treten und den Aufgang der Sonne erwarten sollten. Sie sollten nicht eher wieder in die Quartiere gehen, als bis die ausgesandten Kavalleriepatrouillen zurückgekehrt wären.

Um zehn Uhr abends kam der General Landras, nebst dem Adjutanten v. Bilguer, nalnn meinen Rapport an und schien mit meinen Anordnungen zufrieden zu sein. Alles blieb ruhig; der Gouverneur machte eine Recognoseirung bis hinter Ribnitz; ihn begleiteten die Lieutenants v. Trippenbach und Develle mit ihren Abtheilungen. Alle meldeten Nichts und ich lies; die Truppen wieder einrücken.

Der Gouverneur gab folgende Befehle:

<ol><li>Die Brücke wird durch den Lieut. Martius abgebrochen. Dies geschah, so daß nur die aus dem Wasser stehenden Pfähle zu sehen waren. Als der letzte Balken abgehauen war, fiel der erste Kanonenschuß.</li><li>Die vier Geschütze werden gleich unter Eskorte, nebst einem Wagen mit Kranken, unter dem Befehl des Lieut. v. Kardors jun. nach Stralsund abgesandt, mit Briefen an den Major Wasservas und den Intendanten d'Haudetot. Die beiden andern Kanonen wurden gleich bei Damgarten aufgefahren und ein Retranchement aufgeworfen, welches kaum vor der Attaque fertig ward. </li><li>Von dem Major v. Colleville wird alle Munition in den Caisson gelegt.</li><li>Die Chasseurs und Husaren brechen nach Plenin auf, da eine feindliche Kolonne nach Marlow marschirt. Ich verlegte auch den Kapitain Riesenburg nach Semlow, um die Kommunikation und Korrespondenz zu befördern, und den Uebergang bei Marlow zu observiren.</li><li>Sobald Nachricht vom Anrücken des Feindes eingegangen, wird ein reitender Bote nach Tribsees gesandt.</li></ol>

 

Gleich nach 3 Uhr nachmittags zeigten sich in der Ferne einige Reuter, die man für Landleule hielt; aber ein von Ribnitz zurückkehrender Bote sagte aus, daß es preußische Uhlanen wären.

Ich ging auf den Boden eines Hauses, wie ich auch einen Officier auf den Kirchthurm sandte. Wir sahen vier Kolonnen, theils Infanterie, theils Kavallerie, sich gegen das Holz ausbreiten, worauf ich Allarm schlagen ließ, und alle Truppen auf die ihnen angewiesenen Plätze rückten. Die abwesenden Kompagnieen erhielten Befehl, sich mir anzuschließen. Der Kapitain v. Spitznaas rückte auch während der Attaque mit meiner Kompagnie ein.

Kaum daß Alles sich ordnete, so geschah der erste feindliche Schuß aus einem bei der Mühle aufgestellten Geschütze, welcher neben mir im Garten einschlug und ricochetrirte. Links zogen Wagen und Truppen nach dem Holze und zwei Kolonnen kamen en débandade auf die Wiese zu. Ich ließ nicht eher feuern, als bis drei Kanonenschüsse gefallen waren, und der Feind mit meinem Geschütze erreicht werden konnte. Nun erfolgte Antwort, welche Mehrere tödtete; demungeachtet kam der Feind à la débandade bis an den Fluß hervor und tournirte die Kompagnie v. Boddin, gegen deren Fronte die schillschen Jäger sich bei dem Paßhause befanden, wo sie vom Dache herab und aus den Lücken feuerten. Da der Feind meine rechte Flanke bedrohte, so detachirte ich meine Kompagnie rechts durch die Häuser in die Gärten der Stadt, wo sie durch ihr wirksames Feuer den Feind zurückhielten.

Nun, nach zweistündigem Gefecht, da die Munition verschossen und der Uebergang des Feindes über das Wasser nicht mehr zu verhindern war, befahl ich zuerst den Abzug der Artillerie, hernach der Kompagnie v. Boddin, welche alle ihre Patronen in vortrefflicher Ordnung verfeuert hatten; hierauf die Kompagnie v. Elderhorst und die v. Engel; meine Kompagnie machte die Arrieregarde, nebst den drei Husaren, welche ich noch bei mir hatte.

Als die letzten Truppen aus Damgarten rückten, waren schon die schillschen Jäger hinter ihnen, und der Lieut. Tarnow, welcher zu Pferde war, jagte mit den drei Husaren die vordersten Jäger einige Schritte zurück, bis meine Kompagnie, welche zerstreut in den Gärten und Häusern sich verstecken mußte, mehrentheils zusammenkam. Jetzt traf die Kompagnie v. Kampz ein; diese vertheilte ich in den Gräben, und da sie noch Patronen hatte, so sollte sie meine Retirade nach Tribsees decken und mir immer langsam folgen. Ich hoffte auch noch die Kompagnie v. Berg an mich zu ziehen, allein diese ward abgeschnitten und gefangen.

Nach gemachter Disposition zur Retirade, ritt ich an der Spitze der Truppen, um von dort noch einige Husaren zur Arrieregarde zu beordern, und erhielt von dem Major v. Bülow, welcher bei der Avantgarde war, den Rapport, daß ich von Tribsees abgeschnitten sei und der Feind vor mir über den Fluß gegangen wäre. In diesem Augenblicke kam auch schon die seind»liche Kavallerie auf mich los, unter immerwährendem Feuer aus dem Holze in der Gegend von Daschow, welches Meilen von Damgarten liegt. Ich befahl dem Major v. Colleville, eine Kanone abzuprotzen und mit Kartätschen zu feuern. Dies geschah, als sich ein Zug näher heran wagte; aber erschreckt durch den Schuß liefen die Pferde davon und brachen Alles entzwei; der Munitionswagen zerbrach in dem Graben; die eine Kanone stürzte um, und die andere blieb stehen. Die Infanterie hatte keine Patronen mehr und war dem heftigsten Feuer der Jäger ausgesetzt. Nun lief Alles querfeldein dem nächsten Holze zu; einige Treulose gingen über. Der Major v. Colleville stand bei dem Munitionskasten; der Lieut. v. Rhein und ich stets bei dem Geschütz. Das Feuer auf uns war immerwährend, und wir Beide waren die Zielscheibe des Feindes, bis dieser das Geschütz mit dem Degen in der Hand wegnahm. Ich suchte bis auf den letzten Augenblick durch meine Gegenwart die Leute zu beleben, aber nun von Allem entblößt, war keine Gegenwehr mehr möglich, noch weniger eine Retirade denkbar; einzeln sich zu retten der einzige mögliche Fall.

Die Kompagnieen v. Boddin, v. Elderhorst, die meinige und die Artillerie haben über drei Stunden im Feuer gestanden und dem Feinde die Spitze geboten. Hätten die Kompagnieen Munition gehabt; hätte ich Unterstützung, oder einen hinlänglichen Repliposten gehabt, so wäre der Verlust nie so groß geworden.

Alle Gefangenen wurden nach Freudenberg gebracht; ich aber ward durch einen reitenden Oberjäger nach Damgarten transportirt. Unterwegs traf ich den Maj. v. Schill an der Spitze von zwei Schwadronen, welcher mich für den Maj. v. Bülow hielt und zu erschießen drohte. Als er hörte, daß ich der kommandirende Officier sei, da ward er artiger.

Um elf Uhr angelangt, kam der Lieut. v. Rudorf mit dem Befehl, daß ich sogleich zum Maj. v. Schill kommen solle, und ich ward sogleich nach Stralsund gebracht. Der Maj. v. Schill sagte mir, ich möchte die Stadt nicht verlassen, könnte in mein altes Quartier ziehen, dürfte aber bei Todesstrafe keinen Bericht an meinen Herrn abstatten.

Die gefangenen mecklenburgischen Officiere waren: Major v. Pressentin, Major v. Colleville; Kapt. v. Engel, v. Kampz, v. Berg, v. Elderhorst, v. Spitznaas, v. Pressentin, v. Storch; die Lieutenants v. Tarnow, v. Scriba, v. Altrock, v. Plessen, n. Rhein, du Trossel, v. Bülow, v. Klein, v. d. Lühe, v. Restorff, v. Flotow, v. Flotow, v. Scriba, v. Hartwig, v. Pressentin, v. Stein, v. Suckow, v. Lowzow, v. Holstein, v. Maltzahn, Voß. –