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August Neidhardt von Gneisenau an Ernst Moritz Arndt

vom 10.04.1813.

Rochlitz (an der Mulde), den 10. April 1813.

Zwei Ihrer Briefe, mein trefflicher Freund, sind in meinen Händen, der eine vom 8. Februar und der andere vom 14. März. Der erste in der Absicht geschrieben, mich für die Legion zu interessieren. Was ich für selbige habe wirken können, habe ich redlich getan. Wie Sie wissen, waren meine Entwürfe nicht zunächst auf sie gerichtet, als ich nach England ging. Nur einige Offiziere waren vorhanden, als ich Riga verließ. Von Wilna aus hatte ich bereits an den Herzog von Oldenburg geschrieben, um ihm zu sagen, daß ich trachten würde, der Legion nützlich zu werden. Ich habe nicht eine Zeile Antwort von ihm erhalten. Dennoch habe ich lange für selbige in England gearbeitet, und zu meinem Kummer lange vergebens. Man erwartete in London die Initiative von Petersburg und dort trug man bis zur glücklichen Wendung der Dinge Bedenken, mit England zu verhandeln. Selbst da noch zögerte man mit dem Antrag. Endlich geschah er und ward zuletzt durch des Grafen Münster Mitwirkung angenommen.

Ich trieb nebenher noch andere Dinge. Englands und Schwedens Annäherung und die Landung eines Heers in Deutschland waren die Hauptgedanken, welche ich verfolgte. Im September war ich dem Ziel meiner Wünsche sehr nah. Die Ereignisse wollten es anders. Die zur Landung bestimmten russischen Truppen wurden aus Finnland nach der Düna abgerufen, und Schweden sagte sich nun von der Landung los. Aber welche Ereignisse hätten stattgehabt, wenn man den Entwurf dazu steter verfolgt hätte! – Wir stünden in diesem Augenblick jenseits des Rheins.

Dieses mein Lieblingsprojekt ward nicht ausgeführt; die Entscheidung sollte von anderswoher kommen. Die russischen Siege folgten sich endlich Schlag auf Schlag und mahnten mich, nach dem Vaterlande zurückzukehren. Ich schickte mich ungeachtet der widrigen Jahreszeit dazu an, nachdem ich gegen den Regenten von England die Verbindlichkeit eingegangen war, in dessen Dienst zu treten, wofern mich mein alter Herr nicht wieder aufnehmen wolle. Als ich eben von London abreisen wollte, erhielt ich ein Schreiben von dem Herzog von Oldenburg, worin er mir eine Generalstelle in der deutschen Legion anbot. Wenn auch mein alter Herr meine Anstellung verweigert hätte, so war ich nun nicht mehr frei, das Anerbieten des Herzogs anzunehmen.

Ich reiste ab und kam in Kolberg an. Der meine Ankunft bei Hof anmeldende Kurier kam schleunig wieder zurück und brachte mir Befehl, sogleich nach Breslau mich zu verfügen. Dort angekommen, ward ich sogleich angestellt. Unschicklich wäre es gewesen, hätte ich einen fremden Dienst angenommen, während der des Vaterlandes mir angeboten ward.

Man hat bei der Legion und anderwärts meine Absichten verwechselt. Weil ich für sie wirkte, so glaubte man, es sei in der Absicht, um in ihr zu dienen, während ich selbige in meine anderweiten Pläne verflocht und nur dann große Hoffnungen von ihr hatte, wann sie in Verbindung mit einem großen Landungsheer in Deutschland erscheinen konnte. Auf dieses also vorzüglich mußte ich zu wirken trachten, wenn aus der Legion etwas Rechtes werden sollte.

Durch alle diese Zögerungen und Änderungen der Entwürfe ist indessen die Legion so manchem Mangel unterworfen geblieben, daß mich die Lage der Offiziere, welchen ihre Bildung unter so schwierigen Umständen obliegt, wirklich herzlich jammert. Die Entfernung vom Kriegsschauplatz ist das Schlimmste, was der Legion begegnen konnte. Hätte man selbige nach der Insel Ösel verlegt, so könnte sie jetzt an der Niederweser und vielleicht sehr zahlreich sein. Viel ist versäumt, was spät nur eingebracht werden kann.

In dem Grafen Wallmoden hat man der Legion einen Anführer gegeben, der bei einem sehr milden Charakter eine lange Kriegserfahrung besitzt. Obgleich er den Befehl darüber nur bedingungsweise angenommen hat, so wird er sich doch willig finden lassen, sein Schicksal an das der Legion zu binden, sobald sich selbige wird vermehrt und sobald die Dinge in Deutschland eine geordnetere Gestalt werden angenommen haben.

Mein mir künftighin bestimmtes Wirken wird mit dem der Legion zunächst zusammentreffen. Ich soll nämlich das Hilfskorps befehligen, das zu den landenden Schweden und Engländern stoßen und unter den Befehl des Kronprinzen von Schweden gestellt werden soll. Ich treffe dann auch mit Dörnberg zusammen. Vielleicht kommen dann auch Sie als Sänger, Historiograph, Redner und Mitstreiter zu uns. Meine Streu, meinen Tisch und meine Freuden will ich dann mit Ihnen teilen.

Der Major Helwig hat eine schöne Waffentat vollbracht. Er hat am 12. dieses Monats mit nur einer Schwadron l700 Mann Infanterie und 200 Mann Kavallerie Bayern bei Langensalza überfallen und ihnen 5 Kanonen abgenommen. Er war 18 Stunden lang marschiert. Seine Schwadron hat ungemein tapfer gefochten, die Bayern sich hartnäckig verteidigt; der Leutnant von Trübenfeld ward dabei schwer verwundet.

Gott befohlen! N.v. Gneisenau.

Nächstens ein Mehreres.

Quelle:
Gneisenau, Neidhardt von: Briefe 1813