Skip to main contentSkip to page footer

August Neidhardt von Gneisenau an seine Gattin Karoline

vom 06.05.1813.

Meißen, den 6. Mai 1813.

August hat sich ein Ehrenzeichen verdient, nämlich einen Schuß in die Oberwade, glücklicherweise nur eine Fleischwunde. Der beiliegende Brief meines Sekretärs wird Dich über seine Pflege beruhigen. Übrigens habe ich ihm 20 Frd'or gegeben, um, wenn er will, seine Reise bis zu Dir fortzusetzen.

Von Anfang der Schlacht am 2. d. ward ich von ihm getrennt, indem mir die Reiterei des linken Flügels zu führen übertragen wurde. Der junge Krieger hat demnach die Schlacht im Gefolge meines Freundes Scharnhorst mitgemacht. Dort ging es am heftigsten zu und es ward hartnäckig gefochten. Ein solches Kleingewehrfeuer habe ich nie gehört. Nach dem Zeugnis aller derer, die ihn im Getümmel und Wüten der Schlacht gesehen haben, hat er sich mit Tapferkeit und Furchtlosigkeit betragen. Sein Pferd, ein schöner Brauner von mir, war tödlich verwundet; er mußte solches auf dem Schlachtfelde lassen.

Von seinem Schicksal nichts wissend und bekümmert um ihn, saß ich bei meinem General morgens um 3 Uhr im Posthause zu Pegau, als August auf einmal zufällig ins Zimmer trat. Ich freute mich sehr ihn zu sehen. Wir sprachen lange miteinander. Erst hinterher erzählte er mir, er sei verwundet. Du kannst Dir mein Erstaunen denken. Ich sorgte schnell für ihn, übergab ihn einem Offizier, der ihn mit Extrapost zur Bagage brachte und trennte mich von ihm, um nach dem Schlachtfeld zurückukehren.

Die Schlacht ist eine unentschiedene. Viel Blut ist umsonst vergossen worden. Die Anlage dazu war nicht sonderlich, oder vielmehr die Ausführung der Anlage, denn wir ließen Truppen außer dem Gefecht, die wir füglich heranziehen konnten, z.B. die Korps des Generals Miloradowitsch, des Generals von Kleist und des Generals von Bülow. Ersteres hat 100 Kanonen, die uns gute Dienste hätten tun können. Am Ende der Schlacht hatte der Feind noch eine Mehrzahl von 50 000 Mann Infanterie gegen 20 000, die uns übrigblieben oder die noch schlachtfähig waren, denn der Tod hatte unter vielen Bataillonen sehr gewütet und sie aufgelöst. Wir haben drei Bataillone, wovon zwei nur zwei Offiziere, das dritte nur einen Offizier übrig behielt. Wir hatten überhaupt zu wenig Infanterie, und man wollte den Rest derselben nicht aufs Ungewisse hin daransetzen, um nicht eine Niederlage zu erleiden. Somit ward mir unbewußt der Befehl zum Zurückzuge gegeben. In der Dunkelheit war ich von meinem General abgekommen. Ich suchte ihn auf dem Schlachtfelde vergebens. Gegen 2 Uhr nachts ging ich in das nahe Pegau, fand ihn, blieb einige Stunden mit ihm, traf dort August, kehrte nach dem Schlachtfelde zurück und sah dort nichts vom Feinde. Da alles den Rückzug angetreten hatte, ging ich gegen 9 Uhr vom Schlachtfelde und zog mit den übrigen.

Grüße alles. Gott erhalte Euch.

Quelle:
Gneisenau, Neidhardt von: Briefe 1813