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August Neidhardt von Gneisenau an Carl August von Hardenberg

vom 07.10.1813.

Düben, den 7. Oktober 1813.

Es tut mir leid, daß Ew. Exzellenz das, was ich Ihnen neulich über die hülflose Lage der Subalternoffiziere durch Ausbleiben des Soldes schrieb, mit Empfindlichkeit aufgenommen haben. Ich habe es für meine Pflicht gehalten, Ew. Exzellenz von der üblen Wirkung Kenntnis zu geben, die die mitleidswerte Lage der Offiziere hervorbrächte. Ew. Exzellenz haben mich einst dazu aufgefordert, Ihnen nichts zu verhehlen, was die öffentliche Meinung in Absicht auf Sie betrifft, und auch ohne diese Aufforderung würde ich mich immer angetrieben gefühlt haben, Sie auf irgendeine Ihnen nachteilige Stimmung aufmerksam zu machen.

Am 3. d. haben wir unseren Elbübergang mit gewaltsamer Hand gemacht. Der Feind hatte eine fast unüberwindliche Stellung inne. Früher war er schon durch die wenig nachhaltigen Versuche der Kronprinzlichen Armee auf diesen Punkt aufmerksam gemacht worden, und er hatte das Dorf Wartenburg, zu zwei Dritteilen schon von Natur mit Wasser und Sümpfen, sowie auch durch Dämme umgeben, noch durch Hülfsmittel der Kunst befestigt. Der Entwurf war, den Feind von vorn zu beschäftigen, mit dem eigentlichen Angriff das feste Dorf zu umgehen, und solches dann von hinten anzugreifen. Die Tapferkeit der Truppen riß aber solche in dem Gefecht fort, und nach einem sechsstündigen heftigen Gefecht erstürmten sie endlich das Dorf fast auf dessen stärkster Seite. Die Landwehren spielten hierbei mit die vorzüglichste Rolle, namentlich das Bataillon Sommerfeld, aus dem Hirschberger Kreise, großenteils aus Leinwebern bestehend. So bilden sich jetzt die jungen Truppen zum Krieg aus! Möge die Weisheit der Führer einen solchen Geist in den Truppen zweckmäßig leiten! »Seht! dort rückt das Bataillon des Leibinfanterieregiments an den Feind; die wollen was Besseres sein, als ihr«, redete der General Horn die Landwehrmänner an. »Nein! Nein! wir sind ebenso gut als sie«, antworteten die Landwehrmänner, und zugleich mit den anderen setzten sie an den Feind.

Möchten Ew. Exzellenz diese braven, armen Leute sehen, wie sie der notwendigsten Kleidungsstücke ermangeln und den Krankheiten und der Ermattung erliegen, es würde Ihnen das Herz pressen.

Nun erlauben Ew. Exzellenz dem Freunde, ein paar Worte von sich zu sagen. Wenn nicht große Fehler gemacht werden und die Regenten beharrlich sind, so muß sich dieser Krieg vorteilhaft für die gute Sache enden. Mein vorgerücktes Alter würde mich dann nur bei einer großen Staatsgefahr die Waffen wieder ergreifen lassen. Im Frieden mag ich nicht mehr Soldat sein. Ich habe auch andere Gründe, die es mir wünschenswert machen, aus der Armee zu treten, worunter mit der gehört, daß mir der König nicht gewogen ist. Nach meiner Neigung würde ich mich in die Stille des Landlebens zurückziehen, bei der Zerrüttung meiner häuslichen Angelegenheiten indessen finde ich dieses nicht ausführbar. Ich muß mich demnach um ein Amt und ein Einkommen bewerben, womit ich meine noch jungen Kinder erziehn und wovon ich etwas ersparen könnte, um sie nach meinem Tode nicht dem Mangel auszusetzen. Dergleichen Ämter, denen ich vorstehen könnte, sind wenige; aber es gibt eines, das ich mir mit Hilfe einiger routinierter Männer zu verwalten getraute, und das ist das eines Generalpostmeisters. Schlechter als es jetzt verwaltet wird, kann es von mir auch nicht geschehen, und vielleicht würde ich mehr Tätigkeit in diesen etwas faul gewordenen Staatsgeschäftskreis zu bringen wissen. Für den Fall also, daß ich diesen Krieg überleben sollte, wünsche ich mir die Anwartschaft auf Herrn Segebarths Stelle, und Ew. Exzellenz würden sich durch Gewährung dieser meiner Bitte den Anspruch auf die Dankbarkeit meiner sieben Kinder erwerben, deren Zukunft, durch die allgemeine Verarmung, denn doch gefährdet ist. Halten Ew. Exzellenz mir nicht etwa andere Aussichten vor. Ich sehe nur mit Bitterkeit auf selbige; und ehe ich mich auf selbige verweisen ließe, lieber würde ich in irgendeinem stillen Winkel der Erde das Brot des Kummers essen. Gott erhalte Ew. Exzellenz.

Quelle:
Gneisenau, Neidhardt von: Briefe 1813