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Lätitzia Bonaparte an die Kaiser von Russland und Österreich sowie den König von Preußen

vom 29.08.1818.

18180829-001: Lätizia Bonaparte an Alexander I., Franz I und Friedrich Wilhelm III.

Sires,

eine über alles Maß betrübte Mutter hat seit langen gehofft, dass die Zusammenkunft Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten ihr das Glück zurückgeben werde.

Es ist undenkbar, dass die Lange Haft Kaiser Napoleons Ihnen nicht Anlass zu einem Gespräch geben sollte und dass Ihre Seelengröße nicht Ihre Macht und die Erinnerung an vergangene Ereignisse Eure Kaiserlichen und Königlichen Majestäten nicht veranlassen sollten, sich für die Freilassung eines Fürsten zu interessieren, der soviel Anteil an Ihren Angelegenheiten und sogar an Ihrer Freundschaft hat.

Lassen Sie wirklich in einen qualvollen Exil einen Souverän zugrunde gehen, der sich im Vetrauen auf die Hochherzigkeit seines Feindes ihm in die Arme warf? Mein Sohn hätte seinen Schwiegervater, den Kaiser um Asyl bitten können; er hätte sich dem großen Charakter des Kaisers Alexander, dessen Feind er einmal war, ausliefern können; er hätte sich zu seiner Majestät dem König von Preussen flüchten können, der dem Bittenden sicherlich nur mit der Erinnerung an den einstigen Verbündeten gegenübergetreten wäre. Kann denn England  das Vertrauen bestrafen wollen, mit dem er sich ihm in die Arme warf?

Kaiser Napoleon ist nicht mehr zu fürchten. Er ist krank. Und wäre er gesund und verfügte außerdem über die Mittel, die ihm die Vorsehung einst in die Hände legte, würde er doch einen Bürgerkrieg verabscheuen.

Sires, ich bin eine Mutter, und das Leben meines Sohnes ist mir kostbarer als das eigene. Verzeihen Sie es meinem Schmerz, dass ich mir die Freiheit genommen habe, diesen Brief an Eure Kaiserlichen und Königlichen Majestäten zu richten.

Lassen Sie den Schritt einer Mutter, die sich gegen die lange grausame Behandlung ihres Sohnes auflehnt, nicht vergebens sein.

Im Namen dessen, der die Güte ist und dessen Abbild Eure Kaiserlichen und Königlichen Majestäten sind, setzen Sie sich dafür ein, dass die Qualen meines Sohnes ihr Ende finden; verwenden Sie sich für seine Freilassung. Ich erbitte es von Gott, er bitte es von Ihnen, die Sie seine Statthalter auf Erden sind. Die Staatsräson hat ihre Grenzen, und die Nachwelt die alles verewigt, bewundert nichts so sehr wie die Großmut der Sieger.

Ich bin mit Respekt, Sires,
Euer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten
sehr demütige und gehorsame Dienerin

Lätizia

Quelle:
Privatarchiv EPOCHE NAPOLEON