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Gebhard Leberecht von Blüchers Lebewohl an seine Kriegskameraden

vom 06.09.1819.

Fürst Blüchers von Wahlstadt, Ritter pp.

Lebewohl
an
Seine Kriegs-Kameraden


Vater Blüchers Scheide-Wort und Vermächtniß an Preußens Krieger u. die bildliche Darstelung S. M. des Königs von Preußen u. Höchst dessen Begleitung des dritten Sohns Prinz Karl, am Krankenlager des Helden zu Kriblowitz, den 6ten September 1819

Kameraden
Ich gehe von Euch, nach Krieg u. Streit in das Land des Friedens. Die Schatten der altpreußischen Helden, denke ich sollen mich freundlich grüßen, der große Kurfürst u. Dörflinger, Dessau u. Winterfeld, Heinrich u. Ferdinand, Ziethen u. Seidlitz, bin ich doch ihren Bahnen gefolgt.

Der Todt ist allen gewiß, wer ihn So oft dereinst unter die Augen gesehen hat wie ich, wird der Knochen-Mann nicht erschrecken. Hein, ist die abgelaufen, so haue zu mit deiner Sense, du haust einmal auf alle ein! Lieber wäre ich freilich
im Schlachten-Donner mit tausenden von Kameraden gestorben. So glücklich waren Schulenburg, Schwerin, Keith, Franz v.
Braunschweig, und es muß in der anderen Welt sich auch besser ausnehmen, wenn ein Feldherr gleich mit einer Kolonne einrückt. Der Held der alle Helden bezwingt, hat sich dort nicht an mich gewagt. Ich solte noch erleben, wie der Friedenszweig, den wir Gärtner, (deren Spaten das Schwerdt ist) pflegen, lustig grünte, und blüthe. Nun 76 Jahre sind da, ich kan mich nicht wundern, daß es endlich zum Abmarsch in die ruhige Kantonierung bläset, Macht mir doch ein letztes Lager daß ich nehme, noch manche Freude.

Meine braven Schlesier sind um mein Dorf versammelt, halten draussen ihr Herbst-Manöver während die Krankheit das Lebens-Herbstmanöver mit mir spielt von ihren Trompeten höre ich die letzte Retraite. 0 Wenn sich gegen den Feind der nun auf mich anrückt, etwas ausrichten ließe, sie verteidigten mich wohl bis auf den letzten Blutstropfen, aber gegen ihn
muß die weiße Fahne aufstecken, was Odem hat. Und was höher mich freut wie alle an meiner Brust geheftete europäische Ehrenzeichen, ist, daß mein König mich noch durch seinen Besuch geehrt hat. Gerührt blickte er in mein Auge, die schon die erste Attacke des Todtes gebrochen hatte, faßte nach bieder die Hand, der für ihn den Kommando-Stab erhob, nun aber nach dem Kommando von oben erstarren soll. Er hätte vieles gegeben, wäre noch eine Kapitulation auf 10 Jahre für mich zu schließen gewesen, Allein der Todt hört keinen Akord auf Gnade oder Ungnade muß der Mensch sich ergeben.

Nun, wer gut und brav gelebt hat, kann Pardon drüben fassen und noch gut Quartier ebendrein. Ich habe meinen Beruf stets treu zu erfüllen gesucht, König u. Vaterland sind mit Vater Blücher stets zufrieden gewesen, drum kan er auch so muthig ins Grab sehen, wie Tausendmahl in ofne Kanonenschlünde, die Feuer und Tod spien. Lasse ich doch einen Nahmen nach, der so bald nicht sterben wird, ein Geist wird zur Nachwelt aus diesem Nahmen sprechen, mag die abgenutzte Geistes-Uniform aus Fleisch und Bein zu Staube gehen. Noch mit Heldenruhe in dem Arme der Ruhe zu sinken, bleibt mir übrig, eines Nahmens wehrt, der nicht enden wird so lange die Geschichtstafeln des Jahrhunderts nicht zerbrochen. Ich habe meinen treuen Kriegsgefährten u. Lebens-Retter bei Ligne gesagt er solle wie er so manches von mir erlernt auch sterben von mir lernen und will ihm Wort halten.

Doch samle ich meine letzte scheidende Kraft, richte im Ernst der Todtesstunde meine schon der Hülle entfliehende Gedanke noch an Euch, Preußens Soldaten, an Euch die ich so oft in Kampf und Ehrenvollen Sieg geführt, mit denen ich Pein und Lust, den Kummer bei Auerstädt und die Freude beim Victoriaschießen nach zwölf gewonnenen Schlachten, den Schmerz auf der Retraite nach Lübeck, und den hohen Siegesstolz bei zweien Einzügen in Paris getheilt habe, Ihr tapferen Waffengefährten an der Katzbach, Bobber, Elbe, Mulde, Saale, Rhein, Marne und Seine an Euch!

Ihr habt Frankreich zittern gemacht es in seine alten Grenzen zurück gewiesen, seinen Übermüthigen Tirannen zweimal gestürzt, die geraubte Sieges-Göttin neu erobert, aufs Neue den Namen der Preußen verherlicht, meinen Ruhm danke ich Euch, aber es ist auch Euer Ruhm, wie von mir wird von Euch die Geschichte in den spätesten Zeiten melden. Billig, daß
der sterbende Feldherr in Euch das letzte Wort rede, und Euch ein Vermächtnis lasse daß Euch erinnern kann, und Euren Söhnen ein Mittel werde, fest zu halten den Ruhm den sich die Väter erworben haben. Euch, Ihr älteren Krieger, die Ihr mit mir und anderen Preußischen Heerführern auf Kriegesbahnen zieht, sage ich noch meinen letzten Dank aus dem Grabe, und wohne ich schon darin, und Einer von Euch komt vorüber, mag er glauben, aus den Linden die es beschatten wehe und säusle ihm mein Dank nach: Er kan auch sein Schwerdt an meinen Grabstein wetzen wie jener Grenadier an Moritz von Sachsens Denkmal, und das Säuseln mag er im Gedächtnis behalten u. es Euch soll erinnern daß es die Kraft habe wie einst Schicksals Trommel wirbelte, fragten die Löhnung. Was soll ich Euch vermachen? Nehmt alle meinen Ruhm, den ich nicht mehr nützen kan. Wenn der letzte von Euch, wie ich heute dem Grabe zuwankt, grüße es von ihm: der focht mit Blücher

Ihr jüngeren Streiter, die seit dem in die Reihe traten und künftig sie künftig füllen werden, Euch vermache ich viel Ernst meinen festen Sinn, fest wie das Eisen an meinem Säbel. Zwar bin ich Soldat des Siebenjährigen Krieges geblieben; stets wollte ich sein was die Helden von Mollwitz u. Leuthen waren; was der Mensch will, wirklich will gelingt ihm endlich. So müßt auch ihr denken. Tretet in die Fußstapfen der Alten u. die der Sieger von Leipzig u. Belle Alliance, so wird es gut um das Vaterland stehen. Ferner mein unverzagter Muth im Unglück. Schwere Uebel mußte ich auf den Staat einbrechen sehen, vielen sank der Muth, Vater Blücher nicht. "Geduld rief er und zu rechter Zeit vorwärts. " Auch ihr könt einst Unglück sehen, es gehört einmal zum Staaten- wie zum Menschen-Leben; auch der große Kurfürst u. der große König erfuhren es. Das machte sie aber groß daß sie ihr Unglück nicht klein machte. Den Menschen macht sein Wille groß u. klein, hat ein General aus dem 30jährigen Kriege gesagt und bildet Euch nicht ein daß es nur große Fürsten und Heerführer gebe. Auch ein Kürrassier und Dragoner, ein Husar und Ulahn wie Jäger u. Artellerist, ein Grenadier und Füselier kan auch auf seinem
Standpunkt ein großer Mann sein.

Ich vererbe Euch auch meine Lust zum Lernen bis zum grauen Hare, der Mensch lernt nicht aus, im 7jährigen Kriege ging ich die erste Soldatenschule durch, viel änderte sich in der langen Zeit. Nun, mein Vorwärts hatte ich noch daher u. hielt es fest. Sah ich auch am Feinde was gut war ahmte ich es nach, anderen einen Schritt vorgeben heißt einen Schritt zurückbleiben. Im Kriege vorwärts in den Feind, im Frieden vorwärts in der Kunst, darum sei jeder aufmerksam bei den Waffenübungen im Frieden, auch der Gemeine Soldat werde ein Tüchtiger.

Die Waffenübungen sind das Vorspiel vom Kriege, lasse niemand sich Mühe u. Beschwerde dabei verdrießen, ob im Bett zu schlafen oder unter freiem Himmel im Morast muß dem Krieger gleich sein. Darum gern exerzieren bei Tag und Nacht, bei Hitze u. Kälte. Träge u. Weichlinge sind des Feindes Spott, aber rasche Lebendigkeit, abgehärtete Kraft verdoppelen die Zahl. Eure Bateren müßen am schnelsten auffahren am besten schießen, Eure Infanterie am geschicktesten Mänövrieren,
die Reiterei am ungestümsten einbrechen, die leichten Truppen die wachsamsten, gewandsten und verschlagensten sein in der Welt, dann überwindet sie auch niemand in der Welt.

Hört noch des alten Feldherrn Worte Vertraut auf Gott. Ihr habt gesehen er verlässt die gerechte Sache nicht, sind auch wunderbar seine Rathschlüsse. Ein weisser Mann hat gesagt: Gott hilft denen die sich selbst helfen! Nur darum gab er auch Muth u. Arme. Ehrt, liebt, fürchtet den König, er Ist euer Herr auf Erden, ist das Gesetz, stellt euch halt das Volk vor. Seid Ihr dem König treu, seid Ihr es auch dem Vaterlande und Euch selbst. Jedes Preußen guter Wille fließt vom Könige aus. Laßt Euch ja nicht Irre machen vom Geschwätz unruhiger Köpfe der Zeit, die bald diese, bald jene Veränderung in der Regierungsform wünschen. Wo ein gerechter König herrscht, ist die meiste Ordnung. Ein Säbel hat viel Theile, und doch
muß ihn eine Hand lenken, greifen viele daran, einer wolte rechts einer links, einer gradaus hauen würde es übel gehen, und somit einem Herrn wo nicht einer den Befehl hätte. Und achtet, liebt Euch brüderlich zusammen, ein Heer von rechten Brüdern, die in Noth und Todt nicht von sich lassen, wird nie besiegt.

Nun lebet wohl auf Wiedersehen. Ein Beispiel gab mein Vorwärts Euch im Leben. Im muthigen Sterben will ich Euch noch geben Und aufwärts nun zu Friedrich gehen.

Blücher

Quelle:
Privatarchiv Dr. Frank Bauer, Altenburg