Skip to main contentSkip to page footer

Briefe auf einer Reise durch Deutschland und der Schweiz im Sommer 1808.

von Charlotte von Ahlefeld.

Siebenter Brief

Karlsruh, den 13. Juli.

Von Heidelberg fuhren wir nach Mannheim. Die wunderschöne Gegend, aus der wir kamen, hatte mich schon so verwöhnt, daß ich die um Mannheim gar nicht vorzüglich fand, ob sie gleich sehr weite Aussichten, besonders vom Balkon des Großherzoglichen Schlosses aus, vergönnt. Man übersieht da den Rhein, der zwischen flachen, aber wohlbekannten Ufern dahin fließt, und einen ausgebreiteten Geschichtskreis, den das Auge kaum beherrschen kann.

Die Stadt ist sehr regelmäßig gebaut, doch dünkt sie mir wenig belebt zu seyn, und den breiten, geraden Straßen fehlen Menschen, die sie mit munterer Geschäftigkeit erfüllen könnten. Hierher wünschte ich das tosende Gedränge aus den engen, krummen Gassen so mancher Handelsstadt, denn hier wär ein würdigerer Spielraum für den merkantilische Thätigkeit und für das Geräusch des Geschäftslebens. Wir besahen den Jesuiten-Dom, ein schönes, edles Gebäude, das Schloß, das eins der größten in Europa seyn soll, die Gemälde-Gallerie, die Abgüsse der Antiken, und einen Theil der Stadt, und fuhren Abends sieben Uhr noch nach Schwetzingen.

Hier wandten wir den größten Theil des folgenden Morgens dazu an, den dortigen berühmten Garten zu durchwandern. Er ist durch seine Größe und die Menge der marmornen Statuen und Vasen, die ihn schmücken, sehr kostbar, übrigens in keinem neuen, der Ungezwungenheit der Natur angepasßten Styl, sondern noch in die steiferen Regeln voriger Gartenkunst eingezwängt. Doch haben mich einzelne Parthien sehr angezogen, und auch das Ganze würde eine viel angenehmere Wirkung hervorbringen, wenn es sorgfältiger unterhalten wäre. In der türkischen Moschee, die wir besahen, prägte sich mir tief einer der aus dem Arabischen übersetzten Denksprüche ein, da er eine unableugbare Wahrheit, und dabei eine bescheidene Ermahnung zur Lebensklugheit enthält. Er heißt: »Der Thor trägt das Herz auf der Zunge – der Weise die Zunge im Herzen.« — Aber – warf mein Inneres ein – sollte nur der Thor in seiner unaufhaltsamen Gescwätzigkeit das Herz auf der Zugen tragen? Sollte nicht die unbefangene Unschuld der ersten, noch mit Betrug und Verstellung unbekannten Jugend am meisten gegen das Gesetz der Weisheit sündigen, das dem Menschen weit öfterer zu schweigen, als zu reden befiehlt? – Ach warum werden die warmen Aufwallungen des ersten erwachenden Gefühls, die noch gewöhnlich den Stempel der reinsten Lauterkeit tragen, so selten verstanden und so oft zurückgescheucht und verkannt, bis Verschlossenheit endlich an die Stelle jener heiligen Offenheit tritt, welche Konterbande im Gewühl der Welt ist? – Diesee Gedanken begleiten mich auf einen der Minarets oder Thürme der Moschee hinauf; aber der erste Begriff von Schwindel, den ich hier in meinem Leben bekam, als ich von der steilen Höhe auf meine Gefährten hinunter blickte, die wie Liliputaner sich zu meinen Füßen bewegten, umhüllte plötzlich alles außer mir mit dem Nebel der Gebsucht, der mich ganz gegen meine sonstige Gewohnheit jetzt nur an mein eigenes Ich denken ließ, bis ich glücklich wieder herunter gestiegen war.

Unter den vielen Tempeln, die diesen Garten zierten, fiel mir der, der Botanik geweiht, am angenehmsten auf. Sphinxe, die auf hohen Sockeln ruhen, bewachen seinen Eingang, und im Innern hält eine weibliche Figur von Marmor eine Rolle mit der Innschrift: »Caroli Linnuaen systema plantarum, dem Eintretenden entgegen. Möchten doch viele Tempel dieser Wissenschaft huldigen, die uns so innig mit der Natur befreundet, und uns selbst da Leben und Nutzen, und die weise Oekonomie einer höhern Vorsicht enthüllt, wo der Fuß des Gleichgültigen nur gemeines Gras zu zertreten glaubt. Freilich, in Marmor sind sie schwer zu errichten – aber in jedem hellen Kopf und in jedem fühlenden Herzen sollten sich ihr Altäre erbauen.

Am Ende eines bedeckten Ganges erblickt man in der Entfernung alles, was dieser flachen Gegend fehlt, um recht malerisch schön zu seyn. Gebirge erheben sich – ein großer See, der Inseln n seinem Schooße trägt, breitet sich aus, und ein schönes Landhaus winkt einladend aus dem Gebüsch der Ferne. Man tritt näher, und sieht sich betrogen, doch ohne der Täuschung eben sonderlich zu zürnen, da sie durch ein Gemälde hervorgebracht wird, das recht gut auf die Wirkungen der Perspektive berechnet ist. Ob sich übrigens dieser Kunstgriff mit den edlen, reinen Geschmack in der Gartenkunst verträgt, wage ich nicht zu entscheiden. Wir kamen gegen Abend nach Karlsruh.