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Briefe auf einer Reise durch Deutschland und der Schweiz im Sommer 1808.

von Charlotte von Ahlefeld.

Achter Brief

Freiburg im Breisgau, den 18. Juli.

Viel und mancherlei, meine Caroline! hätte ich Dir von unserm fröhlichen Aufenthalt in Karlsruh erzählen können; aber es bleiben mir nur wenig Augenblicke übrig, die ich dem Schreiben widmen durfte. Der Oheim meines Reisegefährten, der Kriegsminister von G., nahm uns in seinem Hause mit vieler Güte auf, und wir haben bei und durch ihn sehr angenehme Tage dort verlebt.

Man sagt, die sogenannte gute Gesellschaft sieht sich allenthalben gleich. Da der feinere Ton des Umgangs auf gewissen Regeln beruht, die überall bekannt sind, so mag diese Behauptung im Ganzen richtig seyn. Doch dünkt mir Karlsruhe hierin eine Ausnahme zu machen, da eine gewisse wohlthuende Bonhommie, eine Innigkeit, die Zutrauen erweckt, der Unterhaltung dort eine Herzlichkeit giebt, die ich nicht leicht bei so kurzer Bekanntschaft an einem andern Orte gefunden habe.

Nachdem wir vier Tage in dieser freundlichen Stadt verweilt hatten, verließen wir sie gestern früh, um unsere Reise weiter fortzusetzen. Karlsruh ist nicht groß; aber es erhält durch seine elegante, fächerartige Bauart ein äußerst gefälliges Ansehen, und der schöne freie Platz vor dem Schloß, der mit Alleen umgeben und mit Orangerie besetzt ist, und an den sich die mit Arkaden versehenen Häuserreihen in einem sonst gebogenen Halbzirkel anschließen, würde selbst einer der ersten Städte Deutschlands zur Zierde gereichen. Von den Schloßthurm genießt man eine ungeheuer weite Aussicht, und zum erstenmal erblickte ich die Voggesen, die wie lichtblaues Nebelgewölk in der Ferne ruhten.

Als wir gestern früh um vier Uhr abreisten, machten wir noch verschiedene Umwege, um die Favorite, Rastadt und das berühmte Bad Baden zu sehn.

Die Favorite – ein Lustschloß, oder vielmehr ein Landhaus des Großherzogs von Baden – liegt sehr heiter. Ländliche Ruhe im Schooß einer lachenden Natur ists, was sie verspricht, und glücklich pries ich in Gedanken die, die mit ruhigen Gemüth sie bewohnen dürfen. Zwei Bögengänge hinter den Gebäuden waren beinahe alles, was ich von den vielversprechenden Garten zu sehen bekam. Sie müssen in Regenwetter einen lieblichen Spaziergang gewähren, denn grüne Ranken verschleiern die offenen Hallen, schlingen sich an den Mauern empor und bilden Lauben, indem sei sich an der Decke vereinigen.

In Rastadt besahen wir das Schloß. Oben vom Thurm herab zeigte mir unser Führer kaum zweihunter Schritte von der Stadt entfernt die Stelle, wo die unglücklichen französischen Gesandten angefallen und ermordet wurden.

Die Gegend wird hinter Rastadt immer schöner, je mehr man sich Baden nähert. Auf der einen Seite hat man eine Bergkette neben sich, wie man sie nicht leicht herrlicher sieht, auf der andern weiten Fläche von den fernen Voggesen, wie von einem bläulichen Dufte begränzt. In Baden war es so voll, daß wir kein eigenes Zimmer bekommen konnten. Wir ließen uns das Schloß zeigen, wo beinahe aus jedem Fenster die Aussicht köstlich in die kleinen, sonnigen Bergthäler war, die, von dunklen Wäldern eingefaßt, sich höchst romantisch rings umher vertiefen. Zuletzt stiegen wir in eine Reihe unterirdischer Gewölbe, in denen, wie man vermuthet, zu den Zeiten des Vehmgerichts im Verborgenen über Leben und Tod entschieden wurde. Um sieben Uhr Abends fuhren wir noch eine Station weiter.

Heute kamen wir durch viele schöne, reinliche Dörfer und Flecken, sammelten neue Beweise ein von der frohen Gutnüthigkeit, die ein Nationalzug der hiesigen Menschen zu seyn scheint, und würden die Gegend vortrefflich gefunden haben, wenn ganze Wolken von Staub, die uns auf der Landstraße einhüllten, nicht die Luft, und unsere Augen halb verfinstert hätten. Hier in Freiburg nöthigte uns ein Gewitter zu bleiben, und ein milder Regen hat uns hoffentlich auf morgen von dieser lästigen, uns halb erstickenden Begleitung erlöst.