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Wie sich mancher rächt

Eine Doppelrose glühte
Einst auf offner Flur;
Schöner lachte, wo sie blühte,
Ringsum die Natur.

Einsam standen alle Rosen
Auf der ganzen Flur;
Diese Blüthe zu liebkosen
Wehte Zephyr nur.

Alle kamen, alle gingen
Fort mit süßem Geiz,
Und voll heißer Sehnsucht hingen
Sie an Röschens Reiz.

Doch zu ihrem Liebling wählte
Sie sich Einen nur,
Dem sie duftend sich vermählte,
Vor der ganzen Flur.

Neidisch waren alle Männer
Ueber ihre Wahl;
Neidisch waren kalte Kenner,
Rings umher im Thal.

Das erhob den stolzen Ritter;
Für sich ganz allein,
Schloß er hinter dichte Gitter,
Unser Röschen ein.

Oede waren alle Haine,
Sie, die Wald und Flur
Jüngst belebte, glüht' allein
Ihrem Ritter nur.

Oefter war's dem Röschen bitter,
Jung und schön zu sein,
Und das alles hinterm Gitter
In die Luft zu streu'n.

Bleicher wurden ihre Farben
In der Liebe Grab,
Und so manche Reize starben
Ihrem Busen ab.

"O, was kränkt dich, holde Rose?"
Rief der stolze Mann;
"Sage, was in meinem Schooße
Dir noch fehlen kann?" -

"Duften will ich dir alleine,
Dem ich mich geweiht;
Doch Bewunderung im Haine,
Und der Blumen Neid: -

"Laß mir den," sprach sie zum Ritter,
"Ach, jung, schön
Bin ich noch für dieses Gitter,
Laß die Flur mich sehn."

Doch dem Ritter hieß Verbrechen,
Was sein Röschen sprach.
Schwurs beim Himmel, sich zu rächen
Für erlebte Schmach.

War zu meiden sie beflissen,
Wählt' den Distelstrauch,
Hoffend, Niemand werd' ihn küssen,
Und so war es auch.