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Schreiben eines Einwohners in Colberg an einen Freund zu Königsberg

(Statt der Vorrede)

Hier, mein theurer Freund, übersende ich Ihnen das versprochene Tagebuch von der viermonatlichen Belagerung unsrer Festung, weil ich weiß, daß Sie, als ein echter preußischer Patriot, gewiß an dem Schicksal Colbergs herzlichen Antheil nehmen, das schon durch den tapfern Widerstand, den es dem Feinde in frühern Zeiten mehrmals entgegen gesetzt hat, einen ehrenvollen Platz in der Geschichte des preußischen Staats einnimmt[1].

Sie finden dann die vorzüglichsten Ereignisse, der Wahrheit gemäß, aufgezeichnet, und habe ich zugleich noch einige Nachrichten von den beiden braven Männern beigefügt, die sich besonders in dieser Zeit der Bedrängniß, durch Muth und Patriotismus ausgezeichnet haben. Ich meine den Major von Schill und den hiesigen Bürger Nettelbeck.

Die unermüdete Thätigkeit dieses siebenzigjahrigen Greises ist ein Wahres Wunder, noch mehr aber, daß er, bei so vieler Auszeichnung von allen Seiten, doch nichts in seiner schlichten Art zu leben und zu denken geändert hat. Er geht ganz. einfach gekleidet, thut sich nicht das geringste darauf zu gut, daß er, wahrend der harten Belagerung von Colberg, sich so wesentliche Verdienste um die Stadt und alle seine Mitbürger erworben' hat, und vermeidet sogar darüber jedes Gespräch; daher denn auch' von seinen nächtlichen Wanderungen in der Belagerungszeit, wenige bekannt ist.

Er hat ein ausführliches Tagebuch von der Belagerung Colbergs selbst aufgesetzt, das man: von ihm zum Druck verlangt' hat[2]. Aber dies enthalt nichts von dem, was er so rühmlich geleistet, noch erwähnt er viel von dem ihn ehrenden Verhältnisse, in welchem er mit dem würdigen Commandanten, Obrist-Lieutenant von Gneisenau gestanden hat, denn dies verbeut. ihm seine Bescheidenheil.

Er war besonders in den ersten Zeiten, sehr viel. Um den Obrist-Lieutenant, von Gneisenau, gleichsam wie ein Adjudant; nach der Zeit wurde ihm die Ueberschwemmung eines Theils der umliegenden Gegenden um die Festung und die Direktion der Feuerlöschungsanstalten übertragen, wobei er seinen unerschütterlichen Muth im schönsten Lichte zeigte, wie er denn schon vor einigen zwanzig Jahren die Stadt von einer großen Feuersbrunst rettete, als das Gewitter in der obersten Spitze des hohen Thurms 'der Domkirche einschlug, und er, mit Gefahr seines Lebens, allein hinaufeilte und die ausgebrochene Flamme mit einer Handspritze löschte.

Da er keine Frau und Kinder hat, so hat er sein Haus dem Seglerhause vermacht, von welchem er, dem hiesigen Sprachgebrauch nach, ein Verwandter, d. h. ein Mitglied ist, und es werden schon jetzt in diesem seinem Hause die Sitzungen gehalten, weil das Seglerhaus wie viele andere Gebäude Colbergs, durch die Belagerung: ganz verwüstet worden ist.

Zur Zahl der edlen Männer, die in Colberg allgemein geschätzt werden, gehört auch besonders der Commandant, Obrist-Lieutenant von Gneisenau. Er ist nicht' bloß ein tapfrer Soldat und ein kenntnißreicher Krieger, sondern er versteht auch die schöne Kunst, sich die Achtung und Liebe seiner Untergebenen und der Bürgerschaft zu erwerben und zu erhalten. Er verbindet mit bewährter Redlichkeit, Festigkeit des Charakters, mit raschem Muthe Gegenwart des Geistes und Vorsicht, mit Talenten Erfahrung, im Dienst, und er würde gewiß unter keiner Bedingung eher die Festung übergeben haben, als. bis ihn Mangel an Munition und Lebensmittel dazu gezwungen hatte. Seinem Vorschlag verdankt auch die Stadt die Einführung eines Papiergeldes, während der Belagerung, das für die geringere Klasse der Einwohner Colbergs ein wesentlicher Nutzen war, und womit, bei dem Mangel an baarem Gelde, die bei der Festung geleisteten Arbeiten bezahlt werden konnten. Es wurde nemlich eine aus Magistrats-Mitgliedern, Bürger-Repräsentanten und den Seglerhaus-Aeltesten bestehende Commission niedergesetzt, welche unter Königl. Garantie ein Papiergeld, zu 4 und 2 Gr. an Werth, anfertigen ließ, welches auf der Rückseite mit dem Gouvernements-Siegel besiegelt war, und wodurch vielen Uebeln vorgebeugt wurde.

Die größte Starke der dienstthuenden Besatzung während der Belagerung belief sich auf 6000 Mann, nemlich:

  • 1 Grenadier-Bataillon,
  • 1 Füsilier-Bataillon,
  • 2 Infanterie-Reserve-Bataillons,
  • 1 Infanterie-Bataillon des von Schillschen Corps,
  • 2 Compagnien Fußjäger
  • 1 Garnison-Artillerie-Compagnie,
  • 1 Detachement Feld-Artillerie zu Fuß,
  • 1 Batterie reitender Jäger,
  • 1 Escadron Cuirassier, und
  • 1 Escadron Husaren.

Die Armee der Belagerer rechnet man, zuverlässigen Nachrichten zu Folge, auf 24000 Mann.

Der Verlust der Belagerten vom ersten Februar bis 2ten July 1807 wird auf

Der Verlust der Belagerten vom ersten Februar bis 2ten July 1807 wird auf

  • 429 Mann vor den Feind Gebliebene
  • 1093 Verwundete
  • 209 Gefangene und
  • 159 Vermißte

gerechnet.

gerechnet.


[1] Colberg wurde nemlich im siebenjährigen Kriege dreimal.von den Russen belagert.
Im Jahr 1753 vom 5ten Oktober bis zum 1sten November.
Im Jahr 1760 zu Wasser und zu Lande, wo auch acht schwedische Schiffe dazu kamen, bis zum 16ten September.

Im Jahr 1761 vom 24sten August bis zum 17ten Dezember, wo die Festung sich dem Feinde übergeben mußte.

A v. H.

[2] Auch der Prediger Steinbrück aus Preuß. Friedland, der sich seit der Berennung der Festung bis zu Ende der Belagerung in Colberg aufgehalten hat, hat ein Journal über jede Tagesbegebenheit dieser Zeit geführt, welche« vielleicht in der Folge herauskommen möchte.

A.      d. H.