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Halle im October 1806

Anonym 1808

Bis zum 12. October

Halle, eine Universitätsstadt von ohngefähr 26000 Einwohnern, an dem rechten Ufer der Saale, welche in mehreren Armen vorbeifließt, wurde schon 1805 und auch in diesem Jahre zum Ort des Übergangs eines großen Theils der Armee über den Fluß bestimmt. Auch ihr Garnisonsregiment v. Renouard rückte aus und von dem nach Magdeburg beorderten dritten Bataillon desselben kamen hundert Mann zurück, um mit der Invalidencompagnie und dem von Aschersleben einrückenden dritten Bataillon des Curassierregiments v. Quitzow, die Garnison der Stadt auszumachen.

Durch Halle marschierte also ein großer Theil der Armee zum zweyten Mahle und die Bürger klagten sehr über die häufige Einquartierung. Hier blieben die Kranken der durchmarschierenden Truppen, hierher wurden die Kranken aus der ganzen Gegend gebracht, ein bedeutendes Lazareth angelegt und die Vorkehrungen zu einem noch größeren, im Falle der Schlacht, getroffen. Hierher wurden die Lieferungen aller Art geschafft, ungeheure Magazine aufgehäuft und die Hauptarmee von hier aus versorgt. Die Brücke über die Saale machte, in Verbindung mit den obigen Umständen, die Stadt zu einem für die Armee höchst wichtigen Punkt, welchen man vor jedem Überfall vorzüglich sicher zu stellen, Sorge tragen musste.

Die Einwohner, so wie die Studenten und ihre Lehrer waren, wie damahls alle Preußen, enthusiastisch für den Krieg eingenommen. Viele von den Professoren sprachen häufig vom Catheder wie im Privatleben gegen Frankreich, gegen seine um sich greifende Macht, gegen die neue Organisation des Französischen Reichs, gegen Einrichtungen und Verfügungen in der Familie der neuen Dynastie, kurz sie nahmen sich der politischen Lage der Dinge herzlicher an, als ihre Würde, die Gelegenheit und ihr für ihre Schüler so ansteckendes Beyspiel es erlaubte. Die jungen studierenden Preußischen Unterthanen, stimmten jauchzend ihren Lehrern bey und verlachten und höhnten die Ausländer, welche das Französische Heer aus Erfahrung kannten und für die Sache der Preußen einen unglücklichen Ausgang ahndeten.

Am 11ten October kam die erste Nachricht vom Ausbruche der Feindseligkeiten nach Halle. Prinz Louis, hieß es, wäre siegreich bey Vertheidigung der Brücke von Saalfeld gefallen; die Franzosen hätten viel Gefangene und Todte zurückgelassen. Unverbürgt, häufig durch andere Gerüchte abgeändert und widersprochen, war diese Nachricht, bis endlich Sontags Nachmittags den 12tenOctober ein Zeuge der ersten Affaire bei Schlaiz, über Leipzig, in Halle anlangte. Es war dies der Bediente eines Husarenlieutenants vom Bataillon Bila, welcher in jenem Gefechte geblieben war, und dessen Pferde er zu dem Vater seines Herren zurückbrachte. Er war nicht selbst mit im Feuer gewesen, hatte aber gehört, daß das ganze Bataillon und mehrere Sächsische und Preußische Regimenter sehr gelitten hätten. Am folgenden Morgen, als er die Armee verließ, habe man in einer großen Ausdehnung feuern gehört, doch wisse er nichts von dem Erfolge des Gefechts. Noch kam ein Husar desselben Bataillons an. Da er erst seit sechs Wochen in Diensten und noch nicht exercirt war, so wurde er hinter der Fronte aufgestellt, riß aber beym ersten Kanonenschuß aus und wußte von nichts. Überall wurde er von dem ihn umringenden Volke geneckt und ausgelacht.

Noch andere Nachrichten gingen ein, nach welchen die Franzosen in Gera, Naumburg und Zeitz eingerückt seyn sollten, diese Städte ausgeplündert hätten und jetzt schon Leipzig bedrohten. Doch hielt man sie bloß für ein kleines durchgeschlüpftes und im Rücken der Preußischen Armee agirendes Streifkorps. Seit diesem Tage, bis zur Einnahme der Stadt durch die Franzosen, wurden die Straßen vom Morgen bis zum Abend, nie von Neugierigen leer.