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Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores

Eine wahre Geschichte zur lehrreichen Unterhaltung armer Fräulein

Erste Abteilung.

Armut.

Viertes Kapitel

Hugh Schapler und sein Vetter Simon

Herr Gernier Schapler (Capet), von Geblüt und Stamm ein edler rittermäßiger Mann, hatte sich nicht geschämt die Tochter eines reichen Metzgers zu Paris, eine fromme, tugendsame und überschöne Jungfrau zu einer ehelichen Gemahlin zu nehmen. Gott, der ihn reichlich mit Geld und Gut versehen, hat ihm auch einen jungen Sohn mit dieser seiner Gemahlin beschert, an den er beider Kräfte so wunderbar gewendet, ein Kind von außerordentlicher Stärke und adliger Gesinnung hervor zu bringen. Der Vater starb, noch ehe dieser Sohn geboren, die Mutter aber in der Geburt. Die Verwandten ließen ihn Hugh (Hugo) taufen, er wuchs in allen ritterlichen Tugenden auf, es war kein Turnier im Lande, wo er nicht Ehre eingelegt hätte, doch weil er ohne elterliche Zucht geblieben war, so schöpfte er mit dem großen Löffel auf, und weil er viel vertragen konnte, so verschlemmte er viel. Seine Wirte, Schuster, Schneider, Harnischer, Sporer versahen es sich am wenigsten, als Hugh gar nichts mehr im Vermögen hatte, sie schlossen immer noch falsch, wer so viel vertäte, müsse so viel übrig haben, wie noch jetzt häufig der Fall ist. DOLORES: »Auch bei unserm Vater, – es ist doch unrecht, daß er gar nicht für uns gesorgt hat, warum hat er uns in die Welt gesetzt.« ... Als nun diese Schuldleute kamen, saß Hugo in großem Unmute einige Tage bei sich verschlossen und aß Arme Ritter statt der reichen Braten, bis ihm endlich einfiel zu seinem Vetter Simon nach Paris zu reiten, der ein reicher Metzger daselbst und seiner Mutter nächster Blutsverwandter war. Also machte sich Hugh eines Morgens heimlich auf, ritt nach Paris und da er vor seines Vetters Haus kam, das mit roten ausgeschnitzten und aufgeblasenen Braten, wie mit einer köstlichen Tapete behangen war, da wurde er bald erkannt und ihm die Türe geöffnet. Hugh aber wollte nicht also hineinreiten, sondern stieg ab von seinem Pferde, zog seinen Hut ab und grüßte seinen Vetter ganz demütiglich, welcher ihn mit gleicher Demut bewillkommte und sprach: »Lieber Herr und Vetter, wie soll ich das verstehen, daß Ihr Euch gegen mich so demütig erzeiget, hab ich Euch doch all mein Tage nie so schlecht gerüstet gesehen; so hat auch Euer Vater Herr Gernier Euch solchem geringen Stande nie zugeführt; Ihr wißt wohl, wie er oft mit zwölf gerüsteten Pferden in meinem Hause zu Herberge gelegen, er hatte auch stets die auserlesensten Knechte aus ganz Frankreich, deshalb ich mich über Euch entsetze und besorge, es gehe Euch nicht nach Eurem Sinne. Darum so kommt in mein Haus, Euer Pferd soll wohl versorgt werden, habt Ihr dann ein heimlich Anliegen, dadurch Ihr so betrübt seid, wollet mir solches nicht verhalten; kann ich Euch dann mit Leib und Gut behülflich sein, so sollt Ihr an mir keinen Zweifel haben, ich will mich hierin nicht sparen, noch verdrossen sein.« –

DOLORES: »Ja wenn unsre Vettern so gedacht hätten, und das war doch nur ein gemeiner Mann; ach Schwester, wenn wir doch den Stadtschlächter zu unserm Blutsverwandten hätten.«

... Auf dieses freundliche Erbieten ging Hugh mit seinem Vetter Simon in sein Haus; sein Pferd wurde abgezäumt, er zog seinen Harnisch und Rüstung ab. Indem ließ sein Vetter Simon ein herrlich Nachtmahl auftragen, frische Würste in der Suppe, Rindermark auf geröstetem Brot, Rippenstücke mit Rosinen gefüttert, Brustkern mit Mandeln gefilzt, und seine Hausfrau trat dabei vor, ganz rot, wie sie eben aus der Küche getreten vom großen Feuer, und sagte auch ihre Verwunderung, Herrn Hugh in so schlechter Rüstung zu finden, wie sie an seinem Vater nie gewöhnt gewesen. Aber Hugh schwieg darauf still und war fröhlich, bis das Nachtmahl geendet und der Tisch aufgehoben worden; da fing Hugh an und erzählte seinem Vetter alle seine Handlungen, wie er in den zwei Jahren, seit er sein Vermögen ohne Vormund verwaltet, Haus gehalten und all sein Hab und Gut vertan, auch mehr denn zweitausend Kronen schuldig geworden, und weil er von diesen Schuldnern Tag und Nacht keine Ruhe behalten, sei er außer Landes gereist, von ihm einen guten Rat zu holen.

DOLORES: »Wo mag jetzt wohl unser Vater sein?«

... Da nun sein Vetter Simon dies alles mit großer Verwunderung und Mitleiden vernommen hatte, fing er an mit guten und lieblichen Worten den guten Hugh zu trösten, sprechend: »Lieber Herr und Vetter, dieser Euer Unfall ist mir von Herzen leid; Ihr solltet Euch aber anders in den Handel geschickt haben und das Eure nicht also unnütz verpraßt haben; denn gewonnenes Gut, wenn es verloren geht, ist gar schwerlich wieder zu überkommen; Ihr solltet auch nicht so milde im Ausgeben gewesen sein, nach den schönen Weibern und böser Gesellschaft müßig gestanden haben, denn jetzund werdet Ihr gewahr, daß deren keiner in Eurer Nöten Euch behülflich sei, und könnte er Euer Leben, da Gott vor sei, mit einem Heller erretten.«

DOLORES: »Gibt uns wohl einer der reichen Engländer, oder der fremden Prinzen, die sich in unserm Hause belustigt, einen Heller?«

» ... Zwar hat Euer lieber Vater auch einen großen Stand geführt, er hatte aber dennoch groß Gut und Geld dabei erspart, welches Ihr nun so unnütz vertan habt.« – Ob dieser Strafrede Simons begann Hugh einen Verdruß zu schöpfen, hub an und sprach: »Lieber Vetter Simon, die Predigt will mir zu lange werden, denn ich bin daran nicht gewohnt, sie tut mir weh im Bauche; wenn ich den Ostertag eine hör, so hab ich das ganze Jahr daran genug zu verdauen; es bedarf auch nicht viel Strafens, denn es ist geschehen, so bin ich auch der Predigt wegen nicht zu Euch gekommen, denn vergebens ist es den Stall erst zu beschließen, wenn die Rosse schon heraus sind. Aber das ist meine Bitte an Euch, daß ich durch Euren Rat aus dieser Schande käme.« – Der fromme Simon, wiewohl ihn diese Rede ein wenig verdroß, ließ sich doch als ein guter Freund merken und sprach ganz einfältig: »Mein herzlieber Vetter Hugh, was ich jetzt in strafweis geredet habe, meine ich von Herzen gut mit Euch; dieweil Ihr aber meines getreuen guten Rates, wie Ihr sagt, leben wollt, so sage ich das bei meiner Treue, wenn Ihr mir folgen wollt, will ich Euch aus aller Gefahr und Nöten erretten, auf daß noch ein reicher Mann aus Euch werde.« – Auf diese Rede Simons antwortete Hugh: »Lieber Vetter Simon, diesen Rat begehr ich von Grund meines Herzens von Euch zu hören und weiß Euch dafür großen Dank.« – »Das will ich Euch meiner Treu nicht verhalten«, sprach Simon, »denn ich gönne Euch von Herzen alles Gute, mein lieber Vetter Hugh; darum so wäre mein treuer Rat, Ihr bliebet diesen Winter bei mir, so wollte ich Euch mein Handwerk lehren und Euch Unterweisung geben, wie Ihr nachmals Eure Hantierung mit Kaufen und Verkaufen anschicken sollet, als mit Ochsen, Kälbern, Schafen und Schweinen, sowohl beim Einkauf, wie beim Mästen und Schlachten; inzwischen möget Ihr eine hübsche reiche Jungfrau, so man sehen würde, daß Ihr Euch fein in den Handel schicken tätet, zu einem ehelichen Weibe erwerben, die Euch bei Euren gesunden Gliedmaßen wohl lieb gewinnen müßte. Dann möget Ihr zuletzt Hantierung mit allerlei Kaufmannschaft anstellen und treiben; so ich dann sehen würde, daß Ihr Euch recht und wohl zu solchen Dingen schicket, wollt ich Euch nach meinem Tode zu einem Erben machen aller meiner Hab und Güter, da ich keine Kinder oder nähere Anverwandten habe. Ihr dürft Euch des Handwerks nicht schämen, da Eure leibliche Mutter dabei gezogen und geboren worden.« – Hierauf zu antworten, besann sich Hugh nicht lange, sondern sprach mit lachendem Munde: »Freundlicher lieber Vetter Simon, ich bedank mich höchlich gegen Euch, wegen Eures guten und getreuen Rats, bin aber nicht ganz willens, demselben nach zu kommen, denn zum Metzigen und Schlachten oder zur Kaufmannschaft habe ich keine Lust, weil ich gedenke, meines Vaters ritterlicher Tugend nicht zu vergessen, dieweil ich mich von Jugend auf darin geübt habe, und will meinen jungen Leib daran setzen. Wie sollt ich allererst jetzt Ochsen und Schaf schlachten lernen, da ich schon Menschen ritterlich darnieder gestreckt habe, womit ich manchem Fürsten dienen kann. Ja mir wäre lieber, ich hätte vier gute Hengste im Stalle, Sperber, Habicht, Falken oder Spürhunde, als tausend Ochsen; so wäre mir auch lieber, ich hörte Trommeln und Pfeifen, Lauten und Geigen, Tanzen und Singen, denn daß ich sollte die Ochsen, Schafe, Schweine, Kälber hören brüllen und grunzen.« – Auf solche Rede der gute Simon dem Hugh traurig antwortete: »Lieber Vetter Hugh, ich meine es gut mit Euch, wollet Ihr meinen Rat annehmen, es wird Euch nicht gereuen. Jedoch so wollen wir jetzund solches bis morgen beruhen lassen, vielleicht so möchtet Ihr Euch dann eines andern bedenken, wollet jetzund gutes Muts und fröhlich sein.«

Also vertrieben sie ihre Zeit, bis man schlafen ging; da ward Hugh herrlich und wohl gelegt, den seine jetzige Armut im Schlafe nicht störte, vielmehr schlief er in den halben Tag hinein bis zur Mahlzeit. Simon, sein Vetter aber lag die ganze Nacht ungeschlafen, denn er ward von seiner Hausfrau recht übel behandelt, die nichts andres besorgte, denn daß Hugh seines Vetters Rat folgen und bei ihr bleiben würde; darum sprach sie: »Ach lieber Mann, was gedenkst du, du willst den Jüngling zu einem Handwerk verordnen, der alle seine Tage mit Fressen und Saufen, mit schönen Frauen zu kurzweilen hingebracht; in solchen Dingen sollte er uns bald um alles bringen, was wir ererbt und erspart haben, wie er mit seines Vaters Erbe getan hat. Darum ist mein Rat, du gebest ihm morgen eine ziemliche Zehrung und lassest ihn fahren, auf daß du sein ledig werdest, denn es ist leidlicher, einen kleinen Schaden, als einen großen verschmerzen.« – Darauf antwortete Simon: »Liebe Hausfrau sei zufrieden, denn wahrlich, dieses habe ich bei mir selbst vorhin schon überschlagen, ich besorg, er folgt meinem Rate und bleibt bei uns, was mir sehr leid wäre, ich besorge, unser beider Gut würde kein Jahr ausdauern, wenn er in seiner Gewohnheit fortführe.« – Darüber ängstete er sich so sehr, auch kamen allerlei Fliegen, die sich abwechselnd auf seine Nase setzten und vor seinen Ohren brummten, daß es ihm sehr früh zu tagen schien. Es wurde ihm im Bette so unruhig, er stieg vor Tage heraus, ging dann nach dem Stalle und fütterte Hughs Pferd, so gut er konnte, und wartete mit großem Verlangen, wann Hugh aufstehen und ihm Bescheid geben würde. Da es nun schier um Mittag war und man den Imbiß nehmen wollte, erwachte Hugh, stand auf, pfiff sich ein lustig Liedchen, sah nach seinem Pferde, fand auch, daß es nach aller Notdurft wohl versehen war, da trat er zu seinem Vetter Simon in Meinung, ihm dafür zu danken. Da erschrak der gute Simon so sehr, daß er fast in Ohnmacht gefallen wäre; denn seine Sorge war immer, Hugh würde bei ihm bleiben, woran doch Hugh keinesweges dachte. Aber ehe dieser noch etwas gesagt, fiel ihm Simon ins Wort und sprach: »Lieber Vetter Hugh, da Ihr mir gestern Abends auf meinen Rat wegen des Handwerks geantwortet, Euer Gemüt stände zu keinem andern Handwerk, als Fürsten zu dienen, so habe ich diese ganze Nacht nachgedacht; dieweil Ihr dasselbe so lange getrieben, so folget dem nach, kommt in meine Kammer, ich will Euch eine gute Zehrung mitteilen von wegen Eurer Mutter, die mir sehr lieb gewesen, und die sich noch im Grabe umdrehen würde, wenn sie Eure jetzige Not wüßte.« – Da Hugh das hörte, wehrte er sich nicht lange, ging behend mit seinem Vetter in die Kammer; da zog Simon einen seidenen Beutel aus dem Tischkasten und sprach: »Nehmet hin, mein lieber Vetter, diese dreihundert Kronen, verzehret sie von meinetwegen.« – Wer aber war fröhlicher als der gute Hugh, der seinem Vetter großen Dank sagte; desgleichen war auch Simon mit seiner Hausfrau sehr froh, es reute ihnen das Geld nicht, das sie ans Bein gebunden, da sie des Gastes los wurden. Also säumte sich Hugh nicht lange, wollte der Mahlzeit nicht warten, wie sehr ihn sein Vetter anflehete, weil er für ihn einen großen Rinderbraten an den Spieß stecken lassen. Hugh sattelte sein Pferd, zog Harnisch, Stiefel und Sporen an, dankte Vetter und Hausfrau für Geschenk und Herberge, setzte sich auf sein Pferd und ritt auf und davon. Der Vetter Simon stand noch lange mit der Mütze in der Hand in der Türe, und sah ihm nach und schüttelte mit dem Kopfe, die Frau aber, mit beiden Händen unter ihren Röcken, gähnte und fror, und dachte wie ruhig sie die nächste Nacht schlafen wollte.

DOLORES: »Hör, wenn du so ausführlich die Begebenheiten des Ritters vorlesen willst, da werden wir heute nicht fertig.«

... Hugh ritt nach Hennegau, weil dort ein großes Turnier gehalten werden sollte, – nun kommt es gar zu garstig.

DOLORES: »Wir sind ja unter uns und wenn du es weißt, so kann ich's auch wohl wissen, ich bin so groß wie du, ob du gleich zwei Jahre älter bist.«

... Aller Orten, wo Hugh in den Niederlanden turnierte, gewann er Preise und – gab sich mit den Mädchen ab – und dann mußte er flüchten, sich durchschlagen – zehn Söhne sind da von verschiedenen Frauen ihm geboren; er bekümmerte sich um keine, sondern zog immer weiter auf Abenteuer; das mag noch so adlig sein, recht ist es nicht.

DOLORES: »Da hast du wohl recht, aber die Kinder werden doch gesagt haben, es sei besser auf schlechte Art zur Welt kommen als gar nicht.«

... Nein, gewiß nicht. Hugh kam nun mit großen Ehren und vieler Beute nach Paris zu seinem Vetter zurück, der sich nicht wenig über seine schönen Pferde und prächtigen vergoldeten Harnische freute. Hugh stieg ab, erzählte ihm alle seine Geschichten, worüber sich dessen Hausfrau recht erstaunte und ihn gar sehr lieb gewann. Als das Herr Simon merkte, rief er aus: »Sankt Dionys, Ihr sollt fürder bei mir wohnen, ich will Euch zu lieb einen ehrlich adligen Staat führen und halten, denn ich hab mein Vermögen, seit Ihr weg gewesen, ziemlich vermehrt, so daß ich Eure Güter einlösen kann. So habt Ihr auch viel gute Freunde in dem Lande, die Euch wohl helfen mögen um Eures Vaters willen, daß Ihr zu guter Heirat kommt.«

DOLORES: »Den nähme ich schon zum Mann.«

» ... Lieber Vetter«, sprach Hugh, »ich habe Eure Rede wohl vernommen und danke Euch fast sehr, daß Ihr meines Nutzens wegen so getreue Nachgedanken habt, bin aber noch keinesweges gesinnt zu der Ehe zu greifen, bedünkt mir noch immer viel besser, einander heimlich lieb zu haben, will mein Glück noch erwarten.« – Dem guten Simon war das nicht recht, auch nicht seiner Hausfrau, die gern Hughs Hochzeit mit einer reichen Base ausgerichtet hätte.

DOLORES: »Jetzt erzähle nur recht schnell, mir fällt ein, daß ich den Vögeln kein Futter gegeben.«

...Ja sieh, der Hugh kam gerade zur rechten Zeit nach Paris, wo die Königin von Frankreich von dem Herzoge von Burgund gar sehr mit Kriegesvolk bedrängt wurde, der sie durchaus heiraten wollte, aber sie mochte ihn nicht leiden. So tapfer sich nun Hugh auch hielte und die Stadt verteidigte, so wäre er doch bald verloren gewesen, wenn sich nicht die zehn Söhne in Brabant, die schon herangewachsen waren, alle aufgemacht hätten nach Paris, als sie von ihres Vaters Bedrängnissen gehört hatten. Keiner der Söhne wußte aber vom andern, und so lief jeder seine Straße, bis sie endlich nicht weit von Paris alle zusammen kamen und sich erkannten; da verschworen sie sich mit einander und fielen wie eine Wetterwolke in das ruhige Lager des Herzogs, das noch im besten Schlafe lag. Als Hugh diese unerwartete Hülfe wahrgenommen, fiel er mit allen Seinen aus und sie machten eine große Niederlage unter den Burgunden und nahmen den Herzog gefangen. Da erkannte Hugh seine Söhne und küßte sie als Vater und die Königin gab dem Hugh ihre Hand; er war es (Hugo Capet), der das größte aller regierenden Häuser Frankreichs auf den Thron setzte. Sein Vetter Simon verwunderte sich über Hughs besonderes Glück nicht wenig, der war auf einmal reicher, als er sein lebelang mit allem Sparen werden konnte. Vetter Simon ließ es sich auch gefallen, von ihm zu einem Herzoge gemacht zu werden, doch mehr auf Anstiften seiner Frau, denn nach eigenem Begehren.

DOLORES: »Eine recht schöne Geschichte. Höre, Klelie, wenn es unser Vater heimlich auch so machte, hör, wenn er der Paswan Oglu wäre, von dem alle Zeitungen schreiben und von dem keiner weiß, ach, wenn das wahr wäre!«

Und bei diesen Worten fielen sie einander mit süßer Freundlichkeit in die Arme und lachten und weinten zugleich und dachten ihres Vaters, und dachten ganz gewiß, der ihnen als Vorbild aller adligen Schönheit und Anständigkeit vorschwebte, müsse irgendwo ein gleiches Glück sich verdienen, und da verloren sie sich in mancherlei Träumen, die wir mit einigen Betrachtungen ersetzen wollen. Wir haben den festen Glauben, daß die periodische Not ganzer Völker, die unter mancherlei Namen meist unerwartet über sie einbricht, ganz notwendig sei, alle eigentümlichen Gesinnungen, Bildungen und Richtungen zu prüfen, die sich im Übermute des Glückes entwickelt hatten, die zufälligen, leeren und störenden Sonderbarkeiten gehen unter, die echte, reine, aus sich selbst lebende Eigentümlichkeit wird bewährt, gestärkt und ihrer selbst gewiß. Die Auswanderungen aus Frankreich in den ersten Jahren der Staatsumwälzung zeigten uns einen großen Teil der gebildetsten Bewohner jenes reichen Landes in diesem Kampfe mit dem täglichen Bedürfnisse; die mannigfaltige Art, wie sie ihn bestanden, erregte allgemeine Teilnahme; viele ahndeten auch lange voraus, daß die Zeit in ihrem festen Schritte auch über Deutschland hingehen und die alten Verhältnisse, zu Glück und Beruhigung mühsam auferbaut, niedertreten könnte. Wir sehen hier dieses Bild schon in einer Familie von dem schuldigen auf den unschuldigen Teil einbrechen; die Schuld des Grafen konnte die Seinen des Überflusses berauben, aber das Notwendige hätte ihnen doch nie gefehlt, hätte der Krieg nicht so zerstörend auf der Gegend gelagert. In solcher Zeit der Not ist wenig davon die Rede, was das Beste für jeden zu tun sei, ihr entgegen zu wirken, sondern hier zeigt sich, was jeder nicht lassen kann, und erklärt sich bei jeder Veranlassung. Mit Sehnsucht brach Dolores auf Veranlassung jener Geschichte in Klagen aus, daß dem Adel die Heiratslust so ganz vergangen schiene; eine glänzende Heirat sei der höchste Preis einer Frau, alle turnierten darauf. »Nicht alle«, sagte Klelia beleidigt, »lieber wollte ich bis zu meinem Lebensende von meiner Hände Arbeit leben, als eine Heirat suchen.« – »Die Arbeit macht dir gemeine Gesinnungen«, fuhr Dolores heraus.