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An Schwester Lotte.

Zum Geburtstag.

 

Du mit mir aus Einem Schoos gebohrne,
Du vom Schicksal hold mir auserkohrne
Weggefährtinn bis zum stillen Grab:
O, (vergieb mir, wenn ichs laut erzähle!)
Heut, heut trugen deine Schwesterseele'
Engelsarm' mir vom Olymp herab!

Früher hatt' ich zwar die Bahn begonnen,
Hatte dir den Vorsprung abgewonnen
In dem Lauf nach der Vollendung Land;
Doch, kaum war die Schrank' ihr aufgeriegelt,
Als von edler Wettbegier beflügelt,
Die Atlante mir zur Seite stand.

Und fortan nun wallen wir umschlungen!
Mit vereinter Stärke wird bezwungen
Was auch trotzte der getrennten Kraft;
Festen Schrittes, eine ehrne Stütze,
Halfst du mir auf manche schroffe Spitze,
Hast im Sinken oft mich aufgeraft.

Und die Schwestern, später uns gegeben,
Sehn voran als Leitgestirn uns schweben,
Wie den Schiffern glänzt das Zwillingspaar:
Du erhellst des besten Vaters Wege;
Halb verjüngt durch treue Kindespflege
Krönst mit Rosen du sein graues Haar.

Ernst durch wandelst du die Flur der Tugend,
Keine Freude kennst du, als die Jugend.
Während laut die Schaar der Frohen lacht,
Und auf Blumen tanzt im bunten Reigen,
Sieht man muthig dich durch Dornen steigen,
Winckt die Pflicht mit strenger Göttermacht.

Kimmer konnte bloße Lust der Sinnen
Dir die kleinste Sehnsucht abgewinnen;
Des Genusses Frucht, die Gegenwart,
Hat dein Wunsch zu kosten nie begehret;
Nur von Blüthen der Erinnrung nähret
Sich dein Herz, nach zarter Sylphen Art.

Klimme fort auf der Vollendung Höhen!
(Mit Entzückens Thränen will ichs sehen,)
Eile mir zum schönen Ziele vor!
Ein lazurbeschwingter Cherub trage
Dies Gebet an diesem heil'gen Tage,
Meine Wünsche für dein Glück empor.