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Eisenmenger, der Zweite

von Saul Ascher (1767-1822)

III.

Wir sehen nun, aus welcher Quelle Eisenmenger der Zweite seine Prinzipien zum Judenha0 geschöpft. Wir haben gezeigt, wie unlauter diese Quelle ist, und hätten daraus wohl leicht erweisen können: daß alle die Blasphemien gegen die jüdische Nation, die wir im Anfange dokumentiert, sich so ziemlich daraus entspinen konnten.

Allein fern sei es von uns, einen Kant als den Urheber derselben darzustellen. Veranlassung kann sein Irrthum, wozu er durch Prädilektion gegen sein System verleitet werden konnte, wohl dazu gehen; aber daraus die schändlichste Intoleranz herzuleiten, hieße, ihm vorsetzlich eine böse Abssicht unterschieben, wozu er keinesweges seinen Gegner berechtigt. Er mag nur seinen Irrthum verthedigen, oder zeigen: daß mit seinem System alles das, was ihn jetzt zu widersprechen scheint, in guter Harmonie stehen kann.

Die ganze Schuld fällt auf Eisenmenger den Zweiten, nach meiner Meinung, zurück, der sich berechtigt hält, aus dem Systeme seines großen Lehrers ein Prinzip herauszuheben, aus welchem er sich das konsequenteste System einer Intoleranz entwickelt.

Ich glaube aber hinlänglich gezeigt zu haben: daß von der Seite, wo unser Verfasser mit seinem Prinzip sich in die Hallen der kritischen Philosophie orinetirt, er für die Augen der Hellsehenden deutlich genug die Schwäche desselben verräth. Wir wollen ihn nun von einer andern Seite deleuchten, und sehe, ob er sich auf eigenen Grund und Boden besser erhalten kann.

An Grund und Boden fehlt es unserm Verfasser ganz und gar nicht. Es ist bei ihm eine ganz große Kleinigkeit, ein Prinzip aufzufinden, aus welchen er einen gewandten Sachwalter gleich, die Chikane so zu modelliren weiß, daß die jetzigen Besitzer der uns bekannten Welt, in kurzem nach einem fremden Planeten zu wandern, beinahe gezwungen wären. Also auf solchen Grund und Boden wollen wir nun den Verfasser sein Wesen treiben lassen.

Ueber alle Bedenklichkeiten erhaben, setzen wir ihn, einem irrenden Ritter gleich, umhertraben und Abentheuer aufsuchen, aus welchen er, vermittelst eines die ex machina, oder einer andern Geburt seiner Einbildungskraft, sich immer herauszuwickeln weiß. Ermüdet und kraftlos finden wir ihn endlich am Ziele seiner Wanderung. Man frage ihn: was hast du auf deiner langen Wanderung ausgemacht?

»Ich bin belohnt genug;« wird er euch erwiedern. »Ich habe die Menschen auf die tiefe Sklaverei, worein sie versunken sind, aufmerksam gemacht. Ich habe ihnen die Mittel gezeigt, sich dem beschwerlichen Joch der Tirannei zu entreissen. Ich habe ihnen die Fesseln fühlbar gemacht, die sie sich durch eigne Schuld schmieden lassen. Kurz ich habe sie gelehrt, das vollkommene Recht gelten zu machen: daß sie aus einer jeden Verbindung treten können, welche ihnen, ihre unveräußerliche Rechte zu kränken, droht. Diese Menschen werden die Weisen der Erde seyn, welchen ein jeder in seinem Herzen der Menschheit das dauernste Monument errichten wird.«

Wie? Hast du hier folgerecht in deinem Plane verfahren? Hast du denn nicht überlegt, welche Schwierigkeiten deiner Meinung entgegenstehen? Wir wollen setzen, von einem, aus vielen Tausenden bestehenden Staat, der sich durch solche Umstände entwickeln und aus solchen Verhältnissen besteht, wie die mehrsten existirerenden Staaten, trete nun eine gewisse Anzahl aus allen den Verhältnissen, die dieser Gesellschaft eigen sind, heraus. Was würde daraus entstehen? – Ein Staat im Staate? – Wie? Würde derjenige Staat dessen Mitglieder auf Pergamenten, hergebrachten Gerechtsamen, privilegirten Vorzügen, ihre ganze Verfassung gründen, würde derjenige Staate einen Haufen, der sich bloß auf Recht der Natur, momentane Verträge, vereinigt, in seiner Mitte dulden können? Würde er zugeben können: daß eine ganz heterogene Verfassung in dem Kreise, wo er vegetirt. Und athmet, sich entwickele? – Ich will tausendfältigen Kollisionen nicht erwähnen, die daraus entstehen müssen. Ich will die ewigen Widersprüche nicht in Anspruch nehmen, die sich in den kleinsten Detail ihrer Handlungsweise gegen einander entspinnen müssen. Durch die Befugniß allein, die der Staat einer solchen Gesellschaft giebt, welche sich unter die bloßen Gesetze des Naturrechts begeben, und von da aus eine Verbindung veranstaltet, hebt er schon seine Majorität auf.

Also nicht im Staate, aber wohl neben ihm kann eine solche Verbindung sich denken lassen. Das Neben heißt aber hier so viel als außer seinem Gebiet[1]. – Welchem Despoten, und welchem Kosmopoliten hat es nun wohl jemals geträumt, daß ein philosophischer Kopf sich die Frage aufwerfen wird: ob Menschen, wo sie freien Spielraum zu denken und zu handeln haben, einen Staat bilden und eine Denkart annehmen können, wie es ihnen beliebt?

Solche Menschen können wir uns aber nie in einem Staate denken, und existiren sie, so bilden sie keinesweges wie der Verfasser wähnt: einen neuen Staat. – Er meint aber auch gar keinen neuen Staat. Er will unter dem Austreten einzelner Mitglieder, eine, zur Zeit nur noch einen theil des Staats umfassende, Revolution verstanden wissen.

Also ist Staat im Staate und eine entstehende Revolution gleich? Das wäre wirklich eine Entdeckung, die sich der Verfasser allein zu verdanken hat. Man höre aber auch, wie er über die Rechtmäßigkeit der Revolutionen argumentirt: »zu jeder Revolution gehört die Lossagung vom ehemaligen Vertrage, und die Vereinigung durch einen neuen. Beides ist rechtmßig, mithin auch jede Revolution, in der beides auf die gesetzmäßige Art, d. i. aus freien Willen, geschieht.«

Hat man jemals gehört, daß zu einer Revolution die Lossagung vom ehemaligen Vertrage gehört? Und in solchem strengen, abgemessenen Verstande, wie es der Verfasser nimmt? Die Vereinigung der Revoltanten aber durch durch einen neuen geschehen muß? – Eine Revolution, in politischer Rücksicht, ist eigentlich eine allmählige oder plötzliche Vernichtung derjenigen Ordnung, die in einem Staate, durch Autorität oder Vertrag festgelegt war. Hierzu werden weder förmliche Aufkündigungen, noch Bestimmungen von Verträgen erfordert. Mit einer solchen Vernichtung aller Ordnung, ist keinesweges die Einführung einer neuen verbunden. Oft finden Staaten in einer Revolution ihren Untergang, oft heben sie sich dadurch empor. – Eine Handlung aber, wie eine Revolution, die so selten nach einer festen Regel sich entwickelt, wie kann ich diese überhaupt als rechtmäßig bestimmen?

Eine Revolution, wie sie unser Verfasser begrenzt, ist ein wahres Unding. Das bemerkt man noch mehr, wenn man ihn einen Staat im Staate, und eine Revolution aus gleichen Gesichtspunkten betrachten sieht. Wo hat der Mann seine Logik gelassen, als er in die Versuchung gerieth, so excentrisch zu schließen?

Staat im Staate – ist bloß eine mit besondern Rechten oder Lasten konstituirte Gesellschaft. Ihre allgemeine Norm ist die Gesetzgebung des Staats, ihre besondern sind ihre Prärogative, die jener nicht entgegen seyn dürften, oder ihre Einschränkungen. Eine solche Gesellschaft handelt in Uebereinstimmung mit dem Staaten der Staat weiß was er ihr zu geben, was er von ihr zu erwarten hat. Sie soll eigentlich nie über die Grenzen treten, die ihr angewiesen sind. Neue Mißbräuche und eine schlechte Verwaltung können solche Eingriffe veranlassen. Solche kleine Gesellschaften machen eigentlich mit die Triebfedern aus, die eine große Staatsmaschine in Bewegung setzen, und man könnte wohl sagen, daß die mehrsten bis jetzt vorgefundenen Staaten, durch ein Resultat von in sich enthaltenden kleinen Staaten bestehen.

Wie kann nun aber der Verfasser das Recht damit in paralell setzen, das ein jeder nach seinen Grundsätzen haben soll, aus dem Staate zu treten, so bald er will? Wie kann er eine Anzahl Menschen, die das thun, und alsdenn unter sich einen neune besondern Vertrag bilden, einen Staat im Staate nennen? – Einer solchen Gesellschaft ist ursprünglich von dem Staate, in dem sie sich befindet, keine Regel vorgeschrieben. Sie befindet sich bloß unter dem Gesetze, das sie sich selbst gab, oder unter einem solchen, daß diejenige Gesetzgebung aufhebt, die der Staat, in welchem sie noch leben, der Gesellschaft vorschreibt. Sie erhebet ihre Stimme gegen den Staat. Sie veranlaßt das, was man Revolution nennt, d. h. sie will die Ordnung umstürzen, unter welcher bisher der Staat gestanden.

Ein jeder Staat muß daher einer solchen Gesellschaft Vorschub leisten thun. Ihr Plan mag zum Heil der Menschen zuträglich seyn, dem Staate, als solchen, ist er nachtheilig. Er darf, er kann solche Gesellschaft nicht dulden, wenn er seine Existenz behaupten will.

Wenn nun die Juden aber, nach dem Ausspruche des Verfassers, einen Staat im Staate ausmachen; so geschieht es auf die Art, wie wir einen Staat im Staate erklärt:Die allgemeine Gesetzgebung muß sich der Jude, wie jedes Mitglied in einem Staate, gefallen lassen. Die Prärogative (?) oder Einschränkungen, die ihm darin zuerkannt sind, hat ihm der Staat selbst ertheilt. Er hat es genau erwogen, er hat die Kollisionen oder Mißbräuche, die mit seiner Toleranz verbunden sind, so schar abgemessen, und seine Wirksamkeit mit der allgemeinen in solche Harmonie zu bringen gesucht, daß dieser durch ihn formirte Staat, im Staate nicht allein das nicht bewirken wird, was der Verfasser unter Revolution versteht, sondern auch im Staate selbst der allgemeinen Betriebsamkeit nicht so nachtheilig ist, wie er mit solchen grellen Farben zu zeigen sucht.

Man sieht daher, daß der Verfasser ganz inkonsequent gegen die juden eifert, und in diesem Eifer selbst aus aller logischen Haltung gerräth. Er verdreht den wahren Begriff vom Staate im Staatem verkennt die richtige Idee von Revolution; und bei allen diesen schülerhaften Anphiolien trotzt er dennoch auf die apodiktische Gewißheit seiner Prinzipien.

Kein jetzt bestehender Staat fußt auf solchen Prinzipien, wie sie der Verfasser in seiner Studierstube erträumt. In den mehrsten Staaten werden Juden geduldet, und machen sei darin auch einen kleinen Staat aus: so geschieht es unter Autorität des Staats. Wenn nun diejenigen, welche gegen die Verfassung alle Staaten überhaupt eifern, gegen die Juden auch ihre Klinge richten, so muß man wahrlich über dergleichen Klopffechter die Achsel zucken. Wenn sie aber die nachtheiligen Folgen einer Veränderung in der politischen Welt, um die Staaten auf bessere Prinzipien zu gründen, durch diejenige entschuldigen wollen, die ein solcher Staat im Staate, wie die Juden ausmachen, von jeher hatte: rifum teneatis amici?

Und was tat unser Verfasser? – Nachdem er sein Langes und Breites über Vertrag, Eigenthum und Kultur vorgebracht, geeifert, daß kein Staat durch verjährte Verträge bestehen kann, und daß Eigenthum und Kultur ihm nicht, gegen seine Mitglieder dazu berechtigen: so kommt er auf den Grundsatz, der einer jeden Revolution das Fiat aufdrücken soll: daß ein jeder das vollkommene Recht habe, aus dem Staate heraus zu treten, so bald er will. »Laßt euch davon nicht,« sagt  er, »durch den Einwurf vom Staat im Staate abwendig, machen. Seht ihr nicht auch jetzt in den mehrsten Staaten dergleichen? Seht ihr nicht die Juden einen Staat im Staate bilden?« Die Juden – eine Nation – über die sich alles das ungestraft sagen läßt, was der Verfasser zu sagen sich erdreistet hat.

Wir wollen nunj schließlich den eigentlichen Punkt der Streitfrage, dem Leser näher vor Augen rücken. Was hat Eisenmnger der zweite, in Rücksicht der Rechtmäßigkeit des Judenhasses, Positives ausgemacht?

Im vorhergehenden Kapitel haben wir gezeigt: daß der Begriff Judenhaß, gergründet auf die Religion der Juden, ganz unzureichend ist. Von dieser Seite muß also unser Verfasser leer ausgehen. Ob sich der Judenhaß aber auch die politische Verfassung dieser Nation gründen darf? Unser Verfasser exsiatisch behauptet, aber nicht philosophisch bewiesen. – Er, der die Unvollkommenheit der ganzen menschlichen Gesellschaft rügt, hätte wenn er irgend eine spur menschenfreundlichen Herzens besäße, doch wohl hinzusetzen können: »solche Menschen schaffen eure Einrichtungen, solche Früchte trägt ein Boden, der auch für sie – die Juden – zuträglicher seyn könnte, wenn ihr ihn zuträglicher für euch anzubauen, innern Beruf in euch fühltet.«

Der Denker wird daher bemerken, daß unser Verfasser also auch von dieser Seite unzureichend ist. Was hätte er auch, als origineller Schriftsteller mit einem solchen konsequenten Resultate, worin schon mehrere gute Köpfe übereingegkommen, Originelles leisten können?

Die Schriftsteller seines Geschlechts, welche den Judenhaß aus Prinzipien erweisen wollen, müßen ebenso inkonsequent ihre Laufbahn beschließen, wie alle diejenigen, die ihn bisher aus Erfahrungen erhärten wollten. Und Eisenmenger der Zweite hat nur das unsterbliche Verdienst, diese Laufbahn zuerst eröffnet zu haben, wie es Eisenmenger, sein Ahnherr, der bloß aus zusammengerafften Beschuldigungen den Judenhaß allgemeingeltend zu machen suchte, zu seiner Zeit hatte.

Wenn er solche Nachfolger wie dieser haben sollte, dann Heil meiner Nation und der ganzen Menschheit!

 


[1] Unser Verfasser kann das alles sehr gut vereinigen. Er findet gar keinen Anstoß niederzuschreiben: daß zwei Staaten neben und in einander zugleich existiren können. Neben und in einander! Eine treffliche Grenzberichtigung!