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Eisenmenger, der Zweite

von Saul Ascher (1767-1822)

I.

Wenn die Vorfahren ihren Nachkommen Ehre machen, so ist es billig und recht, daß man den Nachkommen Schild und Wappen derselben führen läßt, damit sei zu neuen guten Thaten aufgemuntert werden mögen. Verlassen diese Nachkommen den rühmlichen Weg ihrer Vorfahren, so ist es wieder billig und recht, daß man ihnen Schild und Wappen entreißt, und nicht durch ihre Hände verunreinigen läßt.

Womit können aber die Nachkommen, die Fehler der Vorfahren gut machen? – Sonst haben unsere Weisen gesagt: werdet besser wie sie sind, suchet die Flecken auszutilgen, die sei überall hineinbrachten, und verehrt sie in den Fehlern, die sie euch durch ihr Beispiel vermeiden lehrten.

Die Weisen nach dem neuesten Tone rufen ihrem Zeitalter zu: Menschen! Ihr seid auf der höchsten Stufe der Unvollkommenheit! Was vor euch geschehen, ist der Verdammung werth. Waffnet euch mit Werkzeugen, auf daß wir das Andenken der Vorwelt, die Denkmäler ehemaliger Geistesgröße vernichten, in ihren Schutt sie vergraben und auf ihre Vergessenheit uns eine neue Welt, nach ganz eigenen Plan, erbauen können.

Den Wink der vormaligen Weisen, befolgte nun der unsterbliche Eisenmenger, in seinem trefflichen Werke das neuentdeckte Judenthum. Dieser große Mann sah‘ den Fehler seiner Vorfahren ein und bemerkte, daß man die Juden viel zu glimpflich behandelte, wenn man sie blos deshalb, wie bis zu seiner Zeit haßte, weil sie nicht an Jesum Christum, ihren Glauben wollten hafften lassen. Er öffnete seinem Zeitalter die Augen. Nicht blos unchristliche Menschen sind sie, sondern, gewissenlos gegen alle, die sich nicht zu ihrem Bunde bekennen, sind sie dem Staate, der öffentlichen Sicherheit und dem gemeinschaftlichen Wohl höchst gefährlich. Das Resultat war: wenn dies Volk seines Glaubens wegen geduldet werden könne, so sollte ihm seiner Grundsätze wegen, in den Zirkel der Menschheit nie ein Zutritt verstattet werden.

Auch unzulängliche Beschuldigungen, Schmälen und Lästern haben schon der Welt Heil gebracht. Wer ist mehr geschmält und gelästert worden, als ein Volk bloß, weil es Juden heißt? Welche schlechte Sache hat aber jemals bessere Apologen, Schutzredner und Vertheidiger gehabt, als die Sache der Juden?

Dem Himmel sei Dank! Seit jenem Ahnherrn der Judenfeinde hat man sich endlich überzeugt: daß der Jude wie der Christ, und beide wie jeder Mensch, Gewissen haben können, wenn sie wollen; daß sie den rechten der Menschheit theilhaftig zu werden vermögen, und daß zum theil alle jene Beschuldigungen ihren Widerspruch in den Traditionen selbst finden, wo sie hergeholt werden.

So sehen wir, hat auch ein Eisenmenger zum Heile eines Volkes beigetragen, das er verfolgen wollte; so hat er es gebessert, indem er es zum unverbesserlichsten machen wollte. Der Himmel verzeihe ihm deshalb seinen Irrthum! Er wähnte, alles was er ums sich her sehe, alle Verfassungen, alle Stände, sind in der christlichen Welt zur Vollkommenheit gediehen. Noch einen Flecken fand er, und dieser Flecken war das Judenthum. – Was Wunder! wenn er gegen dieses Gebäude alle Kräfte der Gesellschaft aufbot, es zu demoliren, um seinen Mitbrüdern eine völlig offene Aussicht zu verschaffen.

Man hat es deshalb immer geduldet und dulden können, wenn man sich gegen Judenthum und Juden in dieser Manier auflehnte. Von der einen Seite, konnte man das Bessere zeigen, das Statt fände, wenn Judenthum und Juden anders wären, als sie jetzt sind; von der andern komme man dem uebel so viel abhelfen, als es derzeit möglich war, bis Zeit und Umstände, eine größere Vollkommenheit darin herzustellen, veranlaßten.

Allein werde ich mich zu der Rotte von spekulativen Schwärmern, die sich in ihrem Bewußtsein so vergessen kann, daß sie an keinem Orte des erdballs zu existiren glaubt, die ihre Bücherzelle für den Schweif eines Kometen hält, auf welchem sie über unsern Kontingent umherschwärmt, überall Mängel und Gebrechen nicht allein finden will, (denn wenn waren oder sollten diese fern von uns seyn,) sondern sogar es versucht, uns gegen uns selbst verdächtig zu machen, uns anräth, alle unsere Sinne zu unterdrücken, in uns selbst zu gehen und aus uns die Quelle unsers Heils zu holen – wende ich mich zu ihr und beobachte ihre Schritte: so muß  ich gestehen, daß ich nach vielem Wachen auch gern oft mit ihr träume. Aber welchen Traum?

Wenn du mich mit süßen Bildern einschläferst, meine Phantasie mit sanften Täuschungen junterhälst und mit dem Gaukelspiele deiner Menschheit mich zu fesseln suchst, hinterdrein aber mich durch Schreckenstimmen, die deine süßen Worte endlich überschreien, aufschreckst – das verleidet mir, und mit mir jedem vernünftigen Mann wahrlich deine Zauber.

So spielte mir nun ein Schriftsteller mit, der sich zu diese Rotte zu beknenen scheint, und der Aufspruch macht, aus reinen Prinzipien der Vernunft die Rechte der Menschheit zu entwickeln. Der leser erlaubt es mir, ihn, in folgenden Worten anreden zu dürfen.

»Sage, ist es Plan deiner Zunft, jene neuerbaute Welt, auf welche sie uns so oft aufmerksam macht, bereits entstanden oder noch entstehen zu sehen? Ist dies ihr Plan? So sage mir: welchen Zweck kannst du haben, wenn du uns, auf einzelne Flecken und Mängel derjenigen aufmerksam machst, die du aber deine Zunft bereits der ewigen Verwesung und Vergessenheit übergeben. – Ist es dein Zweck, unter den Menschen Prinzipien einzuführen, nach welchen sie handeln sollen: so mußt du unfehlbar Menschen haben, die nicht allein empfänglich für diese Prinzipien sind, sondern auch so handeln können, wie sie wollen. Gesetzt nun aber, du wähnst sie zu besitzen: so kannst du, so lange dieses deine nächsten Anhänger, die die Macht in ihren Händen haben, alles nach deiner Form, die du einführen willst, zu bequemen, dir nicht hülfreiche Hand leisten, so lange sie noch alles in einem Haufen von Mißbräuchen, wie du es nennst, ungerührt liegen lassen, es nicht von Menschen (Juden?) fodern, die ihre Ohnmacht überall zu empfindlich drückt, als daß sie etwas fruchtbringendes für deine Absicht sollten darbieten können.«

»Was du nun von diesem ohnmächtigen Theil der Gesellschaft verlangst, verräth nicht bloß eine Inkonsquenz, sondern eine Animosität, die deiner ganzen Rotte eigen zu sein scheint, du verrathest es zum wenigsten durch deine Anhänglichkeit an sie.«

»Sag‘ mir ums Himmels Willen, hattest du, indem du die Mißverständnisse zwischen Recht der NMatur und Politik aufzulösen suchst, indem du die menschliche Vernunft in ihre Rechte einstzen, dem Staat allen Anspruch auf Eigenthum und Kultur entziehen willst, indem du alles meisters und wiederreissest, kein andres Mittel dein System zu begründen, keine bessere Stütze um es unverrückt zu erhalten, als die Verleumdung, die dich schänden und deine Theorie entkräften muß?«

Die gesunde Vernunft soll zwischen dem Verfasser des Beitrags zur Berichtigung der Urtheile des Publikums, über die französische Revolution, und mir urtheilen.

Dieses Schriftsteller setzt, nach gewissen vorausgeschickten Betrachtungen und Beductionen, die wir in der Folge näher erörtern werden, das Resultat fest: »in einem jedem Staate hat ein jeder das vollkommene Recht, aus dem Staate zu treten sobald er will. Kann einer aus dem Staate treten, so können es mehrere. Die, welche sich abgesondert haben, können sich enger unter einander vereinigen und einen Vertrag unter (nicht: auf)[1] beliebigen Verbindungen schließen. Dies wären also zwei Staaten neben und in einander (?) – »Aber«, fügt der Autoir hinzu, »hier stoße ich auf den mächtigen Einwurf von der Schädlichkeit des Staats im Staate. Wenn ich mich losgerissen, in eine neue Verbindung getreten bin, meine beiden Nachbarn rechts und links aber sich noch in der alten befinden, welche Verwirrung und Unordnugn muß nothwendigerweise daraus entstehen. »Ihr,« redet er nun die ganze Welt an, »die ihr die Gefahr eines solchen Verhältnisses so sehr fürchtet, habt ihr denn noch nie über eure eigene Lage nachgedacht, noch nie entdeckt, daß diese Gefahren euch immerfort hundertfach umringen?«[2]

Der Verfasser eröffnet nun sein politisches Dram unter dem Titel: die Juden, oder der Staat im Staate, wobei ich den Scholiasten abgeben werden.

Text.

»Fast durch alle Länder von Europa verbreitet sich ein mächtiger, feindselig gestimmter Staat, der mit allen übrigen in beständigem Kriege lebt (nicht, steht) und der in manchen fürchterlich schwer auf die Bürger drückt; es ist das Judenthum.«

Scholion.

Dieser Introitus ist ganz eines politischen Dramas würdig. Wie erhaben sich der Verfasser auszudrücken weiß, und den kleinsten Gegenstand auf die höchste Stufe des oratorischen Pathos zu erheben vermag! Welcher meinerLeser sollte wohl errathen, daß der Satz: die Nahrungs- und Handlungsart, die der Staat den Juden zugestehet, sind auf mancher Seite dem Bürgerstande nachtheilig, eben das sagt, was der Verfasser sagen wiollte – sagen muß, sonst hat jene Periode keinen Sinn.

Text

»Ich glaube nicht, und ich hoffe es in der Folge darzuthun, daß dasselbe dadurch, daß es einen abgesonderten und so fest verketteten Staat bildet, sondern dadurch, daß dieser Staat auf den Haß des ganzen menschlichen Geschlechts aufgebaut ist, so fürchterlich werde.«

Scholion.

Der Verfasser verspricht, sich über diese Periode näher zu erklären, man verzeihe ihm daher, wenn er sich berechtigt hält. Schielend oder zweideutig sich auszudrücken. Denn in jenen Worten kann es heißen: 1) daß der haß des ganzen Menschengeschlechts gegen die Juden, Veranlassung oder Ursache wäre, daß ihre Verfassung dem Staate so fürchterlich ist, 2) daß der Haß des Juden gegen das menschliche Geschlecht, unfehlbar eine fürchterliche Gesellschaft in jedem Staate entwickeln muß. – Den eigentlichen Schlüssel zu dieser Stelle findet aber der Leser in Kants Schrift: die Religion innerhalb den Grenzen der Vernunft S. 177.

Text.

»«Von einem volke dessen geringster seiner Ahnen höher hinaufsteigt, als wir andern alle unsre Geschichte, und in einem Emir, der älter ist, als sie, seinen Stammvater sieht – eine sage, die wir selbst unter unsere Glaubensartikel aufgenommen haben.«

Scholion.

Ich kann dem Leser wirklich nicht bestimmt sagen, ob der Verfasser die Ahnen oder den emir      älter hält als die Geschichte. – So viel erhellt: daß der Verfasser allzusehr die Bemühungen schätzt, wleche sich alle gelehrte Societäten geben, die Genealogie der verschiedenen Nationen aufzufinden, um den Einfluß aufzugeben, den ihr ursprüngliches Herkommen auf den Gang ihres Geistes in Erfindungen, Beobachtungen und Ideen hatte; er scheint das Verdienst und den Werth derselben zu ordnen, je nachdem sie mit mehreren Schwierigkeiten in dieser Rücksicht zu kämpfen strebten, und sollte gegen die hebräische Alterthümer nicht eifern, wenn sie die gelehrten Societäten leer ausgehen lassen, indem sie die Genealogie ihres Volkes positiver angehen als die – christliche?

Text.

»Das in allen Völkern die Nachkommen derer erblickt, welche sie aus ihrem schwärmerisch geliebten Vaterlande vertrieben haben.«

Scholion.

Hier bringt der Verfasser den Juden eine Geschichtswahrheit auf, die derjenigen ähnlich sieht, welche mir jüngsthin ein Gottesgelehrter seines Glaubens äußerte: daß die Existenz der Juden das Bild des leidenenden Erlösers am Kreuze, versinnlichen sollte.

Text.

»Das sich, zu dem, den Körper erschaffenden und den Geist, für jedes edle Gefühl tödtenden, Kleinhandel verdammt hat und verdammt wird.«

Scholion.

Eine seine Parodie auf den Kleinhandel der Schriftsteller, den unser Autor mit gutem Vortheil zu treiben wissen muß. Woher würde er auch sonst von dem Kleinhandel der juden so unbefangen zu sprechen gelernt haben?

Text.

»Das durch das Bindenste, was die Menschheit hat, durch seine Religion von unsern Mahlen, von unserm Freudenbecher und von dem süßen Tausche des Frohsinns mit uns von Herz zu Herzen ausgeschlossen ist.«

Scholion.

Freilich könnte man hier den Verfasser wieder chikaniren und einer Doppelsinnigkeit beschuldigen. Denn es kann hier heißen: daß die Juden von allem Freudengenuß der übrigen Menschen, ihrer Religion wegen ausgeschlossen werden. Das wäre doch gewiß nicht edel! – oder, und wie der Verfasser gewiß sagen wollte: daß sie, die Juden, wegen ihrer Religion, sich selbst von allen Lebensfreuden ausschließen müssen: dies kann doch aber bloß der Nation, nicht dem Staate, nachtheilig seyn, und auch dieser nicht mehr in solchem hohen Grade, da man öffentlich schon hin und wieder andere Grundsätze in dieser Rücksicht zu äußern auffängt.

Text.

»Das bis in seinen Pflichten und Rechten und bis in die Seele des Altvaters uns andere alle von sich absondert.«

Scholion.

Der leichtsinnige Mann! Boshaft will ich ihn nicht nennen. So etwas hinzuschreiben! – Weiß denn der hyperpolitische Kopf nicht: daß man in Rechten eben die Juden ausschließt, und deshalb ihre Pflichten auf die höchste Probe setzt? – Ich hätte nur sehen wollen, wenn man den Verfasser des Rechts, dieses alles niederzuschreiben beraubt hätte, ob er, in Ausübung seiner Pflichten, mehr als Jude gewesen wäre.

Text.

»Von so einem Volke, sollte sich etwas anders erwarten lassen, als wir sehen, daß in einem Staate, wo der unumschränkte König mir meine väterliche Hütt nicht nehmen darf (?) und wo ich, gegen den allmächtigen Minister, mein Recht erhalte, der erste Jude, dem es gefällt, mich ungestraft ausplündert.«

Scholion.

Der Schluß der langen Periode, welche beinahe den Text ausmacht, den wir bisher angeführt, hat wieder keinen graden Sinn. Denn will der Verfasser daraus, daß die Juden einen Emir zu ihrem Stammvater wählen u. s. w. erwarten, daß sie etwas großes leisten sollen, so wäre es immer klein in den Augen eines jeden Gutdenkenden. Das Größte, was die Juden leisteten, würde immer klein sein, wenn sie jene Motive dazu hätten. Dies kann, wenn der Verfasser anders folgerecht gedacht, der Sinn nicht seyn. Also nicht etwas Großes, etwas Niedriges, läßt sich von einem solchen Volke erwarten – Konnte sich der Verfasser wohl schülerhafter ausdrucken? Was sollte sich von einem solchen volke wohl anders erwarten lassen als Plündern und Rauben? Und doch sagt der Verfasser, »von so einem solchen Volke sollte sich etwas anders erwarten lassen, als wir sehen u.s.w.«

Text.

»Dies alles seht ihr mit an und könnt es nicht leugnen, und redet zuckersüße Worte von Toleranz und Menschenrechte und Bürgerrechte, indeß ihr in uns die erste Menschenrechte kränket.«

Scholion.

Wenn der Verfasser doch wohl in diesen Worten anklagen will? Er wirkt, einem erfahrnen Sachwalter gleich, alles unter einander, um seinen Gegner nicht zu verwirren. Toleranz, Menschenrechte, und Bürgerrechte? – Was heißt das erste, Menschenrechte? – Leider! tolerirt werden die Juden seit vielen Jahrhunderten, und bei allen Menschen und Bürgerrechten, doch nicht mehr als tolerirt.

Text.

»Könnt eurer liebevollen Duldung gegen diejenigen, die nicht an Jesum Christum glauben, durch alle Titel, Würden und Ehrenstellen, die ihr ihnen die ihr ihnen gebt, kein Genüge thun, indeß ihr diejenigen, die nur nicht eben so, wie ihr, an ihn glauben, öffentlich schimpft, und ihnen bürgerliche Ehre und mit Würde verdientes Brot nehmt.«

Scholion.

Ich muß den Leser doch auf den sonderbaren Syllogism, der hier versteckt liegt, aufmerksam machen. – Die Juden, die nicht an Jesum Christum glauben, werden mit denen in Verhältnis gesetzt, die an ihn glauben sollen. Weil also das Gesetz statt findet: daß derjenige Geistliche, welcher sich nicht an gewissen Lehrformeln hält, seines Amtes entlassen werden soll, deßhalb soll auch das Gesetz statt finden, daß man denen, welche nicht an Jesum Christum glauben, keine Würden und Ehrenstellen einräumen soll? Der Widerspruch, der sich, nach des Verfassers Prinzipien der Politik, in jenem Gesetze selbst findet, kann nicht auf seine Ausübung übertragen werden. Wenn daher der Geistliche entsetzt wird, so geschieht es gesetzmäßig. Wenn der Staat aber einem Juden Vorzüge giebt, so überschreitet er kein Gesetz, das er sich gegeben. Die Billigkeit kann er nie überschreiten, denn diese erforderte es längst, daß der Jude nicht bloß tolerirt, sondern aller Rechte eines Staatsbürgers theilhaftig werde.

Text.

»Erinnert ihr euch denn nicht des Staates im Staate? Fällt euch denn hier nicht der begreifliche Gedanke ein, daß die Juden, welche ohne euch Bürger eines Staates sind, der fester und gewaltiger ist, als die eurigen alle, wenn ihr ihnen auch noch das Bürgerrecht in in euren Staaten gebt, eure übrigen Bürger völlig unter die Füße treten werden.«

Scholion.

AllePropheten sind todt, doch einer lebt noch, und der ist unser Verfasser. In welchen eleusinischen Geheimnissen er wohl eingeweiht seyn mag? – Wenn er dieses alles nicht vom Himmel geholt; so hat er es gewiß erschwärmt. Wo ist der Staat der Juden, der fester und gewaltiger ist, als alle? Wo haben die Juden noch die Bürger eines Staates unter die Füße treten wollen? Und in welchem Staate sind sie in solchen Zustande, es zu können? – Weder Geschichte noch Statistik lassen etwas on dem erwarten, was der begeisterte Träumer ihr wähnt.

Text.

»Fern« – fährt nun der Verfasser in einer Anmerkung fort, nachdem er geglaubt, den Text kräftig genug gegeben zu haben; – »Fern sei von diesen Blättern der Gifthauch der Intoleranz, wie er es von meinem Herzen ist!

Scholion.

Das wünsche ich auch. – Aber – ich glaube die Vernunft hat dem Herzen des Verfassers hier durchkommen helfen. Wenn die Bosheit in ein vernunftmäßiges System dargestellt wird, dann kann man bequem mit seinem Herzen den Unschuldigen spielen.

Text.

»Derjenige Jude, der über die festen, man möchte sagen unübersteiglichen Verschanzungen, die vor ihm liegen, zur allgemeinen Gerechtigkeits-Menschen und Wahrheitsliebe durchdringt, ist ein Held, ein Heiliger. Ich weiß nicht ob es deren gab oder giebt. Ich will es glauben, so bald ich sie sehe. Nur verkaufe man mir nicht schönen Schein für Realität.«

Scholion.

Gegen einen Mann, den sein liebes Ich so verwirrt, daß er öffentlich auftreten kann und behaupten darf: eine ganze Nation könne nicht Anspruch machen, einen rechtschaffenen Mann in ihrer Mitte je gehabt, noch jetzt zu haben, gegen einen solchen kann nur der Egoismus wieder das Wort führen. Also ich, der Jude, erkläre: derjenige Christ, der die unübersteiglichen Verschanzungen, die vor ihm liegen, durchdringt, und zur allgemeinen Gerechtigkeit-Menshcne- und Wahrheitsliebe sich erhebt, ist ein Held, ein Heiliger. Ich weiß nicht, ob es deren gab oder giebt. Ich will es glauben, so bald ich sie sehe. Nur verkaufe man mir nicht schönen schein für Realität. Kein Mann von gesunder Urtheilskraft wird hierwider etwas einzuwenden haben. Wie schwer wird es dem Menschen, als Mensch zur allgemeinen Gerechtigkeits- Menschen- und Wahrheitsliebe hinauf zu steigen! – Dies findet aber der Verfasser nach seiner Logik bloß im Juden, so weit er sie kennt, und ich sollte es nicht nach der seinigen auch im Christen finden dürfen, wenn ich behaupte, in ihm, dem Verfasser bloß den Christen zu kennen.

Text.

»Möchten die Juden doch immer nicht an Jesum Christum, möchten sie doch sogar an keinen Gott glauben, wenn sie nur nicht an zwey verschiedene Sittengesetze und an einen menschenfeindlichen Gott glauben.«

Scholion.

Hier verlässt mich Interpretation und Exegese. – Wie der Mann doch den Glauben der Juden anticipiren kann, den man nirgends in ihren Schriften deutlich konstituirt findet, und worüber es in neuern ‚Zeiten erst zur Sprache gekommen. – Was der Verfasser unter den Glauben an zwei verschiedene Sittengesetze versteht, das muß ich gestehen – weiß ich nicht.

Text.

»Menschenrechte müssen sie haben, ob sie gleich uns dieselbe nicht zugestehen, denn sie sind Menschen, und ihre Ungerechtigkeit berechtigt uns nicht, ihnen gleich zu werden.«

Scholion.

Der Verfasser will gewiß, daß in dem Staate, wo die Bekenner der herrschenden Religion den Vorzug in bürgerlichen Rechten haben, den Juden Menschenrechte zugestanden werden müssen, behauptet aber zugleich, daß die Juden sie keinem zugestehen. Decupiren denn die Juden irgendwo Menschenrechte, die sie ihrem Nebenmenschen verleihen können? Sie müssen doch gewiß aber, in jedem Staate, wo sie aufgenommen sind, welche erhalten, indem sie sich den Strafgesetzen unterwerfen, die ein jeder Staat den Uebertretenen derselben auflegt. Die Maxime des Verfassers ist daher ganz schielend. Sie müßte eigentlich so ausgedrückt werden: Menschenrechte müssen den Juden verliehen werden, da sie sich selbst keine verschaffen klönnen, denn sie sind Menschen. Ihre Ohnmächtigkeit berechtigt uns nicht, in ihnen das Recht des Stärkeren auszuüben.

Text.

»Zwinge keinen Juden wider seinen Willen, und leide nicht, daß es geschehe, wo du der nächste bist, der es hindern kann, daß bist du ihm schlechterdings schuldig. Wenn du gestern gegessen hast und hungerst wieder und hast nur auf heute Brot, so gieb’s dem Juden, der neben dir hungert, wenn er gestern nicht gegessen hat, und du thust sehr wohl daran.«

Scholion.

Wenn der Verfasser ascetisch schreibt: so weiß er den eigentlichen Gegenstand zu fassen. Er wieß über das Brot – über das trockene Brot so trocken zu moralisiren. – Von seiner Menschenfreundlichkeit bin ich dadurch völlig überzeugt worden. Ich weiß nun, wenn ich nach * bei meinem Herrn Verfasser komme, was ich zu erwarten haben. Ich weiß, wenn er heute gegessen hat, versteht sich nicht Brot, sondern

Ifta dies, propera ftomachum laxare faginis,
Et lua fervatum confume in fecula rhombum.

Und morgen wieder hungert versteht sich

  • Aliamque famen, cum pulmo Falerno arderet.

und nur Brot im Hause hat und ich hungrig zu ihn komme, er mir nur Brot anbieten wird. Was sollte er auch mit dem Brot machen, wenn der falerner Wein seinen Wagen nach einem Rhombus lüstern macht?

Text.

»Aber ihnen Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden, und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sei.«

Scholion.

Ich versichere dem Leser, daß beinahe im ganzen buche, kein Ausdruck mir Veranlassung gegeben zu vermuthen: der Verfasser wäre, bei Gelegenheit der neuen Begebenheiten in Frankreich, darauf gebracht worden, seine Grundsätze +ber Natur und Menschenrecht niederzuschreiben, als durch den, welcher diese Periode ziert. Wer hätte denken sollen, daß eben das Kopfabschneiden in Deutschland solche Anhänger finden sollte, die eine ganze Nation, durch dieses Experiment, schon gebessert sehen.

Text.

»Um uns vor ihnen zu schützen, dazu sehe ich wieder kein anderes Mittel, als ihnen ihr gelobtes Land zu erobern, und sie alle dahin zu schicken.«

Scholion.

Bei deisem Kreuzzuge würde gewiß die Absicht des Verfassers keinesweges erreicht, die Menschenrechte geltender zu machen. Würden die von ihm ausgehobenen Mißbräuche dadurch gänzlich vernichtet seyn? Würde zum Beispiel seinem Ideal – Frankreich dadurch geholfen worden seyn? – durch die Eroberung, auf welche er im Namen der ganzen Menschheit ausgeht, alen gleiche Rechte zu verschaffen, würde er vielleicht den Juden zwiefach ihr gelobtes Land ersetzen. Aber die Animosität geht so weit, von allen Mißbräuchen den kleinsten Mißbrauch – und wenn mit Menschneblut – zuerst zu vernichten, und der ist doch wohl – die Existenz der Juden in den verschiedenen Staaten.

Text.

»Vorher herrschende Toleranz der Juden in Staaten, wo für Selbstdenker keine Toleranz ist, zeigt sonneklar, worauf es eigentlich abgesehen wird. – Die Aufrechterhaltung deines Glaubens liegt dir so sehr am deinem Vaterherzen. Siehe, diese Juden, sie glauben überhaupt nicht an Jesum Christum, das mußt du nicht leiden; und ich sehe, daß du sie mit Wohlthaten überhäufst. – O sie haben Aberglauben, und das ist mir genug. Glaube du doch an Zoroaster, an Confuzius, an Moses oder ahomed, an den Pabst, Luther oder Calvin, das gilt mir gleich, wenn du nur an eine fremde Vernunft glaubst. Aber du willst selbst Vernunft haben, und das werde ich nie leiden, sei es unmündig, sonst wächst du mir zu Kopfe. – Ich will nicht etwa sagen, daß man die Juden um ihres Glaubens willen verfolgen solle, sondern da man überhaupt niemand deswegen verfolgen solle.«

Scholion.

Der ganze Absatz ist ein Philippika gegen den Staat, und nicht gegen die Juden. Er giebt mir aber Gelegenheit zu zeigen, wie der Verfasser so schön in seinem Raisonnement alles durch einander zu werfen weiß. Der Verfasser hat hier bei dieser ganzen Digression die Staaten vor Augen, wie sie jetzt mit allen Mißbräuchen und guten Seiten existiren. Also nicht von einem solchen Staate, wozu der Verfasser in seiner Schrift die Grundlinien angiebt, soll hier die Rede seyn, denn da sollen alle Mißbräuche weg; sondern von einem jetzt existirenden Staat. – Ein jeder solcher Staatenhat eine herrschende Religion. Der Staat tritt nun hervor und sagt: in meinen Grenzen können verschiedene Gesellschaften von einem andern Glauben statt finden, insofern sie die herrschende Religion nicht beinträchtigen. Wenn die Juden also hier geduldet werden, so geschieht es, sie mögen auch gar nichts glauben, bloß weil sie der herrschenden Religion nicht nachtheilig sind. Wenn sie es sind oder seyn wollten; so würde man sie in ihre Schranken zurückweisen. Allein, wenn die Anhänger der herrschenden Religion in einem Schisma begriffen sind; so kommt es darauf an, nach welchem Grundsätzen sie der Staat behandeln will, ob er sie gegenseitig schützen oder nicht schützen will. – Ich begreife nur gar nicht, wie der Verfasser Duldung fremder Religionsparteien mit der Freiheit, über die herrschende Religion zu urtheilen, in Collision setzen kann. Der Staat wird sich nie entschuldigen: daß er die Juden deshalb duldet, weil sie an Moses glauben und an keine Reformatoren, weil sie gar nicht glauben; sondern der Staat wird sagen: ich dulde Juden, weil sie der herrschenden Religion nicht nachtheilig sind, und dulde keine aufgeklärte Reformatoren, weil sie es sind. Ueber die Rechtmäßigkeit eines solchen Urtheils will ich nicht, und gehört es hier nicht her, zu entscheiden. – Also nicht, weil Juden an Moses glauben oder Aberglauben hegen, werden sie geduldet. – Was ist nun der ganze Absatz des Verfassers, als ein Raisonnement , das auf schiefen Grundsätzen fußt. Er dachte sich einen Staat, wo keine herrschende Religion existirt, und beweist die Mißbräuche darin durch Fakta, die sich auf herrschender Religion gründen. – Doch genug der worte verloren, über ein Thema, wo des Lesers Nachdenken die größte Beleuchtung geben wird.

Text.

»Ich weiß, daß man vor verschiedenen gelehrten Tribunalen eher die ganze Sittlichkeit und ihr herrlichstes Produkt, die Religion, angreifen darf, als die jüdische Nation.

Scholion.

Diese Tribunale sind vielleicht so scharfsichtig, wie unser Verfasser, einzusehen: daß viele Misbräuche mit der Existenz der Juden verbunden sind; sind aber bescheiden genug sich zu gestehen: daß noch mehr Mißbräuche überhaupt, bei der ganzen Existenz der Menschheit, sich vorfinden. – Doch die Stimme der Bescheidenheit wird schon verstummen müssen, wenn sie öfter, so wie hier, überschrien werden wird.

Text.

»Denen sage ich, daß mich nie ein Jude betrog, weil ich mich nie mit einem einließ, daß ich mehrmals Juden, die man neckte, mit eigener Gefahr und zu eigenen Nachtheil in Schutz genommen habe, daß als Privatanimosität nicht aus mir redet.«

Scholion.

Der Verfasser verzeihe mir, wenn ich aus seinen Worten schließe: daß wohl Privatanimosität seine Feder leitete. Und wenn ich nicht unwahrscheinlich geschlossen, so schreibe er es auf Rechnung seiner schielenden Ausdrücke. – Da ihn nie ein Jude betrog, so hätte er auch nicht, wie aus eigener Erfahrung das Urtheil einer gemeinen Klasse von Menschen bestärken sollen: daß der Jude überhaupt betriegt. – Doch der Verfasser hätte auch nie darin zu eigener Erfahrung gelangen können: denn was hätte ein Jude an ihm wohl zu betriegen finden können? – Das Urtheil anderer muß hier für ihn das Interesse eigener Erfahrung haben, und dann ist es wohl Priavtanimosität.

Text.

»Was ich sagte, halte ich für wahr: ich sagte es so, weil ich es für nöthig hielt: ich setze hinzu, daß mir das Verfahren vieler neuerer Schriftsteller in Rücksicht der Juden sehr folgewidrig scheint, daß ich ein Recht zu haben glaube, so zu sagen was und wie ich es denke. Wenn das Gesagte nicht gefällt, der schimpfe nicht, verläumde nicht, empfinde nicht, sondern widerlege obige Thatsachen.«

Scholion.

Der Verfasser empfiehlt seinen Gegnern, nicht zu schimpfen, nicht zu verleumden und zu emfindeln, und was that er wenn er es »so« sagt? Wenn er hier nicht das Judentum beschimpft, die Anhänger desselben verleumdet und eine unaufgeforderte Jeremiade angestimmt haben will: so kann ich auch keine Thatsachen herausheben, die er beigebracht haben soll. Doch, daß er sich beschimpft, verkleinert, in eines jeden biedern Mannes Augen herabgesetzt, istist eine Thatsache, die er sich gewiß nie widerlegen wird, ohne seiner Würde, in seinem eigenen Bewußtsein, einen neuen Stoß zu geben.

 


[1] Der Verfasser entschuldige, wenn ich ihm öfters solche Bemerkungen mache. Es ist seine goldene Regel, die mich dazu verleitet: metiri – guemque luo pede et modulo verum est. Beitrag zur Berichtigung der Urtheile etc. S, 139

[2] Daselbst S. 186 u. f.