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Hymne an die Venus

Sie kömmt! ich fühle meiner Göttin Nähe.
Noch eh’ ich sie mit trunknem Blicke sehe,
Fühl’ ich ein neues Daseyn, neues Leben,
    Den Busen heben!

    Sie lächelt himmlisch gütig auf mich nieder,
Sie nimmt das Opfer meiner kleinen Lieder
Mit Götterhuld, winkt freundlich mir entgegen
    Der Liebe Segen.

    Und schenkt mir Rosen, um mein Haar zu kränzen,
An deren Blätter Nektartropfen glänzen,
Entdorn’t von ihr, gepflückt von ihrem Sohne,
    Zu meinem Lohne.

    „Von allen Schmerzen, die du einst empfunden,“
Sprach sie: „soll meine Dichterinn gesunden;
„Und singen sollst du in der Laute Saiten
    »Die Seligkeiten,

    »Die du im Arm des Lieblings hast gefunden,
»Mit dem ich dich im Myrtenhain verbunden,
»Der, wie Adonis, süsse Küsse giebet,
    »Und feurig liebet!« –

    Das Taubenpaar vor Venus Muschelwagen
Fing girrend mit den Flügeln an zu schlagen;
Sie schnäbeln sich, und Amor hob den Bogen
    Scharf angezogen,

    Und schoss den Pfeil, mit Honigseim getränket,
Mir in die Brust, die in Gefühl versenket,
Die Welt vergass, um ganz dahin gegeben,
    Nur ihm zu leben.

   Heil dir, Alliebende! vor deinem Throne
Wein’ ich dir Dank, und deinem holden Sohne!
Und neide dir nicht des Olympus Freuden;
   Mich musst du neiden.

  In einem Meer von Wonne ganz versunken,
Fühlt deine Sängerinn sich nektartrunken,
Und zittert, ach! vom heissesten Verlangen,
    Ihn zu umpfangen,

  Ihn, der des Herzens schönste Wünsche stillet,
Das Ideal der Phantasie erfüllet,
Den Geist bezaubert und das Herz entglühet,
    Das zu ihm fliehet.

  Ha! wenn nur bald die Götterstunde schläget!
Die meine Sehnsucht ungestüm erreget,
Wo er an meinen Busen zärtlich sinket
    Und Liebe winket.

    Dann wird Entzückung ganz mein Ich durchdringen:
In seinem Arm werd’ ich, wie Sappho, singen,
Und an der Liebe heiligen Altären
    Dich, Göttin! ehren.