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Flore und Blanscheflur

Ein episches Gedicht in zwölf Gesängen.

Erster Gesang.

Zu einer Zeit, wenn Sommerluft bezwungen
Den Winter, wenn die Blumen neu entspringen,
Und Gras und Kräuter aus dem Boden drungen
Und tausend Vögel aus den Lüften singen;
Die Bäche lieblich hin durch Grün geschlungen
Im Laufe über Kiesel scherzend klingen;
Wann bald April nun weicht der Lust des Maien
Wo alle Wonnen lieblich sich erneuen;

Da prangt im vollen Grün ein schöner Garten,
Dort konnte man versammelt herrlich schauen
Was man von Sommerwonne mag erwarten,
Das Laub des Waldes, und den Schmuck der Auen,
Die Glanz noch Duft noch keine Farbe sparten,
Und eine Schaar von Rittern und von Frauen,
Die so von Schönheit, Lieblichkeit umfunkelt,
Daß sie den Glanz des Gartens fast verdunkelt.

Der Sommer grünete in voller Güte,
Die Nachtigall vor allen Vögeln sang,
Es färbte sich roth, weiß, blau jede Blüte,
Die aus dem Boden, aus den Zweigen sprang,
Da lebten recht von neuem im Gemüthe
Die Wünsche derer, die die Minne zwang.
Durch Blumenglanz und holder Frauen Scherzen
Traf Liebesweh die unbewehrten Herzen.

Von Stämmen großen, Zweigen vielen breiten
So standen Bäume in des Gartens Mitte,
Die süßen Duft und Schatten rings verbreiten,
Kein Sonnenstrahl, der scharf und feindlich schnitte,
Konnte den Schein durch ihre Wipfel leiten,
Dahin lenkt nun die holde Schaar die Tritte;
Der Ort war würdiglich die zu empfangen,
Die wie die Frühlingsblumen leuchtend prangen.

Hier schimmerte im mannigfachen Grün
Ein Oelbaum, sanft sich regend mit den Zweigen,
Ein Lorbeer dessen Wuchs und Rauschen kühn,
Und ein Cypressus will sich traurend neigen,
Im Sonnenlicht sieht man den Cedrus glühn,
Des Stamm sich müht zum Himmel aufzusteigen,
Die wählte man mit Pracht sie zu bekleiden,
Und man umhing sie mit thessal'scher Seiden.

Und zwischen diesen Bäumen sprang ein Bronnen,
Der hin sich wonniglich durch Blumen goß,
Nicht glaub' ich, daß noch größere Lust gewonnen
Mag werden, als die Schaar allhier genoß,
Wo Wasser, Bäume, Blumen, alle Wonnen,
Da wurden ihre Herzen sorgenlos,
Und nur die süße Sorge um die Minne
Beherrschte minniglich ihr aller Sinne.

Die Frau'n und Ritter saßen in dem Zelte
Und hörten an der süßen Vöglein Toben,
Was Herz und Auge, jeder Sinn sich wählte
Das fand er hier, und mußt es dankend loben,
Von Minne sprachen sie, die Leid vergelte,
So daß es oft zur Seeligkeit erhoben,
Wie öfter noch der zarten Minne Süße
Ein ewig sehnend Leid, mit Schmerzen büße.

An Tristan dachten sie, der seelig trunken
Sein Herz der blonden Königin ergeben,
Und wie Isalde süßes Gift getrunken,
Daß beid' in Sehnsucht Minne athmend leben.
Wie dann ihr Glück in Finsterniß versunken,
Des Helden Geist um Lieben mußt entschweben;
Isalde sterben an dem todten Herzen:
So klagten sie der Minne Leid und Schmerzen.

Wie wollt ihr doch die Minne wohl verklagen
Sprach eine Frau jetzt süß und minniglich;
Was wollt ihr uns von ihren Leiden sagen
Da nichts sich ihrer Seeligkeit verglich?
In Vögeln, Blumen, und in Sommertagen
Singt, duftet und bewegt die Liebe sich,
Die Seele fühlt mit wollustreichem Beben
Wie Klang und Duft das Herz zu fesseln streben.

Doch wer die Minne will darum vermeiden
Weil sie so oft uns schwere Arbeit giebt,
Verdienet nicht ihr Glück, und ihre Leiden,
Wer Leid nicht kennt, kennt Liebe nicht die liebt,
Und gern mag der vom Hof der Minne scheiden,
Der ihren Dienst mit halber Seele übt,
Nur wird sein freudenreiches Ziel erstreben
Wer ganz sein Herz in Liebe hat ergeben.

Ich will euch hier von holder Liebe sagen
Die einst gelebt in zweien Blumenkinden;
Wie früh sie Leid im Herzen schon getragen,
Der Minne Weh in Kindheit schon empfinden;
Bis endlich sie nach Weinen, Leiden, Klagen
Der Minne Lohn im sel'gen Herzen finden.
So glänzend blühn nie Blumen auf der Flur,
Als Flore einst und seine Blanscheflur.

Und jedem ward, der diese Rede hörte,
Erfreut das Herz, sie riefen eine Stille,
Daß kein Geräusch die holde Fraue störte,
Zum Dienst der Liebe neigt sich jeder Wille:
(Und welcher Sinn, der sich der Macht empörte?)
Die Frau hub an, daß sie ihr Wort erfüllte
Der Liebe Weh' der Liebe Seeligkeit
Trug sie nun vor mit holder Lieblichkeit:

Ein altes Lied, sprach sie, ist mir erklungen,
Wie einst ein Graf sich treu bewährt in Liebe,
Bis er sein Ziel in sel'ger Lust errungen,
Durch Minne Gunst gekrönt des Herzens Triebe.
Ein holdes Weib ihn liebend hielt umschlungen,
Daß süßer Schmerz nicht ungestillt ihm bliebe.
So heilte sie des edlen Ritters Wunde
Durch sanften Kuß von rosenrothem Munde.

Da brachte nicht der Mai so holde Blüte,
Die Vögel nicht so wonnigliches Singen,
Die höher ihm geleuchtet im Gemüthe
Das näher ihm zum Herzen konnte dringen,
Als dieser Frauen Schönheit, ihre Güte,
Es könnte spielend ihrem Blick gelingen;
Schon frei mocht' ihn von aller Sorge machen
Von ihrem Aug' ein minnigliches Lachen.

So sprach auch sie: O wohl mir seelig Weib!
Der Minne Lohn, wie hab ich ihn erfunden,
Daß ich des edlen Ritters schönem Leib
In Liebe ward zur heil'gen Eh' verbunden! —
So lebten heid' in Wonn' und Seeligkeit,
Und sieben Jahre waren so verschwunden,
Da senkte zärtlich zu der Liebe Lust
Ein sanfter Schmerz sich in die treue Brust.

Wenn nun in Liebe rosenroth erblühen
Die holden Wangen, ringt doch inn'res Sehnen
Feucht zu verhüllen der Sternen Augen Glühen,
Die Wange netzend wie mit Thaues Thränen.
»Der Minne Huld wird nimmer uns entfliehen
Sprach sie, doch muß ich traurend wähnen:
Den Herrn erbarmt nicht wie die Seele klagt,
Weil er ein Kind als höchstes Glück versagt.

Von diesem Schmerz ward unser Herz betroffen,
Erseufzt der Graf, nicht kann ich ihn bezwingen.
Von Gottes Gnade, mit inbrünst'gem Hoffen
Gebeten, Seufzern, wollt' ich es erringen,
Des Himmels Thor war nicht dem Flehen offen,
Ließ nicht hindurch die inn'gen Seufzer dringen.«
Er küßte sie, und in der Liebe Sehnen
Floß beider Leid und Schmerz in heißen Thränen.

Ermuthigt sprach sie: laß uns nicht verzagen
Wir woll'n vor Gott und allen Heil'gen knien,
Und in der Brust noch eine Hoffnung wagen,
Laß uns zum fernen Compostella ziehen,
Dem heil'gen Jakob unser Leiden klagen
Er sprach: sobald die Blumen neu erblühen
Bin ich bereit die Wallfahrt anzutreten,
Demüthig dort Sankt Jakob anzubeten.

Sie thaten dies Gelübd' aus frommen Herzen,
Und sah'n auch schon ihr Leid der Sehnsucht enden,
Wie klagend sie geseufzet in den Schmerzen
Das will der Himmel nun in Freuden wenden,
Ein Kindlein fühlt sie unter ihrem Herzen
Da sie doch das Gelibd' noch nicht vollenden;
Sie waren freudig jeder Sorg entladen
Und dankend rühmen sie des Himmels Gnaden.

Doch wollten sie auch ihr Gelübd' erfüllen
Das recht aus ihren Herzen kommen war,
Die heil'ge Sehnsucht eilten sie zu stillen,
Sich ein'gend einer frommen Pilgerschaar,
Die so wie sie geführt von heil'gem Willen
Nicht achtete Beschwerden und Gefahr.
Und alle zogen nach Hispania fort,
Nach Compostell'as heil'gem Wunderort.

Dort wird beherrscht im Uebermuth das Land;
Die Christen sind vom Schwerdte überwunden
Der Heiden, deren Götzen man nun fand
Wo erst die Bilder unsers Heilands stunden.
Dort drückt die Christen schwer ein eisern Band,
Trost war wie Hoffnung ihnen fast entschwunden.
Felix hieß der, deß herbes Joch sie quälte,
Der ihnen nahm, was ihren Geist beseelte.

Nicht dort allein wollt' er den Christen schaden,
Er sandte aus ein kräftig Heer zum Streiten,
Und hieß mit Speise, Schiffe reich beladen,
Und alles wohl zur langen Fahrt bereiten.
Die Ritter neigten tief sich seiner Gnaden,
Sie segelten hin durch die Meeresweiten
In einem Christenhafen anzulanden,
Wo sie für Mord und Raubsucht Beute fanden.

Mit Rotten schweiften sie im weiten Lande
Sie tödteten und fingen viele Christen,
Die legten sie in enge Sclavenbande,
Die so sich mochten vor dem Tode fristen;
Dann ward verheert mit Raube und mit Brande
Die Gegend ganz nach ihren wilden Lüsten;
Weil keine Hand den Uebermüth'gen wehrt
Und jeder nur zur Flucht sich eilig kehrt.

So ward das Land verwüstet zwanzig Meilen,
Sie trugen was sie raubten zu den Schiffen,
Damit sie gleich, wann sie nicht möchten weilen
In Eil zurück nach Spanien könnten schiffen:
So ward es, um die Fluten zu zertheilen
Wurden die Ruder kräftiglich ergriffen,
Nachdem sie einen Monat und zehn Tage
Gesäumet dorten zu des Landes Plage.

Zu selber Zeit zeigt man dem König an,
Daß fromme Pilger in sein Land gekommen,
Wovon der Heid' im heft'gen Zorn entbrann;
Ihr Leben sey von meiner Hand genommen!
So sprach im Uebermuth der stolze Mann;
Es soll kein einz'ger meinem Schwerdt entkommen,
Fünfhundert Ritter, die zurück vom Meer
Gekehrt, führ' ich mit mir in voller Wehr!

Es soll sie nichts vor meinem Schwerdte fristen,
Wie schwer hab ich mein Joch auf sie geladen,
Und dennoch wagen es die frechen Christen
In Zuversicht auf ihres Heil'gen Gnaden,
Daß sie sich nahen dürfen diesen Küsten.
Mein Zorn soll sich in ihrem Blute baden;
Kein Pilger sey von eurer Hand gefangen,
Tödtet sie all', laßt keinen Gnad' erlangen!

Es trieb die Heiden an ein wilder Zorn,
Sie trugen nach den Christen solch Verlangen,
Daß sie die Pferde schlugen mit dem Sporn,
Daß sie die Schwerdter in den Lüften schwangen,
Die Armen, die zum Tode auserkohrn,
Die fromm andächtig viele Lieder sangen,
Sie gingen sorglos fort auf ihrer Bahn,
Da trafen sie die wilden Räuber an.

Wie manches Haupt muß sich dem Schwerdte neigen,
Wie mancher Mund, der eben fromm noch sang,
Muß nun verstummend wohl auf ewig schweigen,
Wie mancher Jammerton die Luft durchdrang.
Doch will sich nirgend kein Erbarmen zeigen,
Nichts hemmt die Wuth die Mörder-Eisen schwang,
Es kühlt sich nicht des wilden Hasses Glut,
Bis daß verströmt der frommen Pilger Blut.

Der Graf will sich noch, und sein Weib beschützen,
Er stellt den Heiden kämpfend sich entgegen,
Sie sieht die blut'gen Schwerdter furchtbar blitzen,
Die Heiden treffen ihn mit schnellen Schlägen.
Ach, nichts kann ihn mehr vor dem Tode schützen,
Ermattet fleht er um des Himmels Seegen;
Und schon ist er hin auf das Gras gesunken,
Und schon entflohn ist ihm der Lebensfunken.

Es sah sein Weib den edlen Grafen sterben,
Roth strömt sein Blut hin über grünes Gras,
Das er im Tode will wie Blumen färben;
Da wurde nicht vor Schmerz ihr Auge naß,
Sie selber will das Todeslos erwerben,
Und wird wie eine Leiche selber blaß;
Doch glimmt im Herzen ihr der Lebensfunken,
Nicht todt ist sie zum Todten hingesunken.

Sie hebt sich auf, denn unter ihrem Herzen
Trägt sie ein Kind, das ihr noch Leben giebt,
Sie fürchtet es getödtet von den Schmerzen
Um ihn, den sie mehr als sich selber liebt;
Ach, wie rang nun das dopple Leid im Herzen!
Wohl nie hat solche Pein ein Weib geübt;
Ihr einzig Glück, ihr Gatte liegt erschlagen.
Wie kann sie hemmen, oder finden Klagen?

Die Krieger hoben auf das schwache Weib,
Sie achten nicht ihr Jammern, ihre Leiden
Sie sprachen: hier an diesem Orte bleib,
Es soll dein Schicksal unser Herr entscheiden!
Der König sah den ad'lich schönen Leib
Und sprach: sie soll den Tod nicht mit erleiden;
Ich will sie führen zu der Königin
Der ziemt sie wohl als eine Dienerin.

Da ihr den Christen solchen Schaden brachtet,
So sprach der König zu den Rittern nun;
Kehrt heim mit mir, als tapfer seid geachtet,
Und so mögt ihr von eurer Arbeit ruhn.
Das Gut, das ihr vom Christenlande brachtet
Sey, um euch meine Liebe kund zu thun
Das eure, wie ihr mögt, es zu verwalten
Dies Weib will ich der Königin behalten.

Davon ward aller Ritter Freude groß;
Trompetenton weckt auf den Wiederhall;
Der Christin Aug' in Thränen überfloß,
Wie sie vernahm den übermüth'gen Schall.
Als wilder Grimm des Gatten Blut vergoß
Das roth umströmt die zarten Blümlein all',
Da zuckt ein Weh verwundend durch ihr Herz
Das langsam nun verblutet an dem Schmerz.

Weit vor dem König zogen her die Boten,
Die sagten ihres Herrn Ankunft an,
Da ward ihm Ehre von dem Volk geboten,
Entgegen jauchzt' ihm jeder Unterthan;
Er führt die Frau, tief trauernd um den Todten,
Dünkt der das Leben nur ein trüber Wahn.
Er kommt zum Pallast mit erfreutem Sinn,
Wo holden Gruß ihm neigt die Königin.

Der König sprach: das Gold hieß ich vertheilen
Den Rittern, die es dort im Land erbeutet,
Dir kann ich nichts, o holde Frau ertheilen,
Als dieses Weib, die ich hierher geleitet,
Sie mag als Dienerin bey dir verweilen,
Wenn jene Stund herauf der Himmel leitet,
An die mein Herz mit Freude nur kann denken,
Wenn du mir wirst den theuren Erben schenken.

Sey mir in Gott willkommen, o du Arme,
Die Königin in milder Güte sprach,
Ihr Herz rieth ihr, daß sie sich mild erbarme,
Die Fremde sprach ein einzig schmerzlich Ach!
In tiefer Trauer ging die Freuden-Arme
Und einsam kniet sie nieder im Gemach.
Zu Boden ist ihr irdisch Glück getreten,
Ihr Trost ist nun andächtiglich zu beten.

Es ward ein Trost von Gott der armen Frauen
Den sie im Herzen trägt mit treuer Minne
An dessen Wunden sie sich will erbauen.
Gott lenkte so der milden Kön'gin Sinne,
Daß Liebe sie und zärtliches Vertrauen
Zu der gefang'nen Christin bald gewinne;
Und bleibt des Königs Sinn auch rauh und wild,
Wird doch die Fürstin allen Christen mild.

So kam es, daß man nur die Fürstin sah
Mit ihrer Christin fast in allen Stunden,
Viel lieber Dienst ihr von der Frau geschah,
Doch die fühlt nur des Herzens tiefste Wunden;
Die Kön'gin sprach: mein Herz ist dir so nah
In Liebe, laß den Jammer seyn verschwunden;
Die Christin seufzt, will doch getröstet scheinen,
Des Mundrs Lächeln straft der Augen Weinen.

Es hatte oft die Königin gehöret
Die Fremden reden in französ'scher Sprache,
Von diesem Klang ward so ihr Ohr bethöret,
So wunderlieblich dünkt sie diese Sache,
Daß sie die Christin bittet, oft beschwört;
O Holde, sey mir Lehrerin und mache,
Daß diese Sprache wir doch reden beide,
Das schafft uns viel Gewinn und süße Freude.

Die Christin ist dazu sogleich bereit,
Mit Fleiß und Treu sagt sie ihr alle Worte,
Daß sie das Herz der Königin erfreut.
Nun saßen beid' oft am einsamen Orte,
Sprachen von Herzensliebe, Herzensleid,
Und kleideten es ein in fremde Worte;
Süß träumend rühmten sie das Spiel der Jugend,
Am Minne Lohn ausübend jede Tugend.

Mich, sprach die Fürstin, hat mit Stahl und Waffen
Die Liebe kriegrisch scherzend überwunden,
Trompeten weckten Flammen, die geschlafen,
Und Amors Lanze mußte mich verwunden,
Wie Brust an Brust sich kühne Ritter trafen:
Doch höre wie die Minne mich umwunden
Mein Herz besiegt, sie wollte triumphiren
Bey einem Fest, beym glänzenden Turniren.

Es war der Platz bereitet, jeder Kühne
Des ganzen Reiches hatte sich gestellt,
Die Richter saßen würdig auf der Bühne
Ob Ehre sich dem lock'gen Haupt gesellt,
Ob hingestürzet auf des Rasens Grüne
Der Jüngling dort mit Schmach zu Boden fällt.
Dieß alles wird durch ihren Mund erklärt,
Vor allen, wer des höchsten Preises werth.

Der höchste Preis war eine gold'ne Krone,
Worin viel Stein' und edler Schmuck gewoben,
Dem sollt' sie reichen meine Hand zum Lohne
Den alle als den würdigsten erproben;
So ruht sie neben meinem reichen Throue,
Auf den ich war vor aller Welt erhoben,
Umgeben von den allerschönsten Frauen
Die mit mir auf die Ritter niederschauen.

Die Ritter trugen alle Liebeszeichen,
Die farbig, flatternd in den Lüften spielen,
Und schöner Augen Blicke sah ich schleichen,
Ob wohl ihr Liebling wird den Preis erzielen,
Den sie ihm gern vor allen würden reichen.
Der Minne süße Sorgen mir gefielen,
Und lachend nannt ich Lieben ein Verbrechen,
Da fühlt' ich schon der Minne Kraft sich rächen.

Ein Ritter naht mit würdiger Gebehrde
Dem Thron, worauf ich saß mit meinen Frauen,
Er beugt sein stolzes Knie zur grünen Erde;
Demüthig sprach er: magst du auf mich schauen,
Bin ich es werth, daß hochbeglückt ich werde,
Daß du mir willst ein theures Pfand vertrauen,
Noch mangelt mir zu diesem Kampf die Zierde,
In deinem Dienste streit ich mit Begierde.

Beschämt ließ ich ihm reichen eine Binde,
Ich sah, daß er um seine Brust sie schlang,
Ihm folgt mein Blick, ich sah wie er geschwinde
Hinauf sich zu dem muth'gen Rosse schwang,
Trompetenschall verbreiteten die Winde,
Wie eilig er da in die Schranken sprang,
Wie leicht konnt' er sein wildes Roß bewegen,
Mit Pfeilesschnelle jedem Kampf entgegen!

Umsonst versuchten es die tapfern Ritter,
Von innerm Feuer schien sein Herz entzündet.
Er glich dem furchtbar schmetternden Gewitter
Des schnellen Strahl voraus kein Droh'n verkündet.
An seiner Brust zersprangen Schäft' in Splitter
Wie an dem Fels im Boden fest begründet;
Und alle riefen, daß nur er die Krone
Als Tapferster verdient zum Ehrenlohne.

Man führt ihn zu mir, und im bangen Zagen,
Weil im Turniere er so rauh und wild,
Will kaum mein Aug' ihn anzublicken wagen,
Da sah ich ihn, sein glühend Auge mild. —
Der Mund verschließt, so scheint es, Liebesklagen,
Und vor mir kniet des Ueberwund'nen Bild.
Die Krone drückt ich auf sein lockig Haupt
Des flehend Auge meine Freiheit raubt.

Sanft sprach er: Schönste du von allen Schönen,
Den reichen König aus Hispaniens Lande
Hast du gewürdigt, ruhmvoll hier zu krönen,
Er folgt dein Diener, ewig deinem Bande,
Gehorcht er einmal nicht des Mundes Tönen
Entweich' ihm Ehre, treff' ihn ew'ge Schande!
Mehr Worte durfte nicht der Mund entbieten
Die alle doch die Augen mir verriethen.

Es folgt ein Tanz den kühnen Waffenspielen,
Musik strömt aus, und die melod'schen Wogen
Umrauschen mich, und nach dem Herzen zielen
Der Blicke Pfeile von dem dunklen Bogen.
Gefangen war ich, und dem Sinn gefielen
Die Fesseln, willig ward das Haupt gebogen,
Ich war bereit den meinen Herrn zu heißen
Der kniend erst die Herrschaft mir verheißen.

Geschlossen war der Bund, und süßen Wonnen
Geöffnet nun das liebedurst'ge Herz.
Vom Glück umleuchtet wie vom Strahl der Sonnen
Entflohen Tag' und Jahr' im seel'gen Scherz;
Doch bald in Schatten war der Glanz zerronnen,
Mit Glück und Lust vermischte sich der Schmerz.
Am Mittagsstrahl erbleicht die Morgenrose,
So waren stets der süßen Minne Loose.

Die Fürstin schwieg, und seufzt ein leises Ach!
Die Christin rief: nein, meiner Liebe Blüte
Ward so bewahrt, daß nie ein Sturm sie brach,
Daß sie an keinem heißen Strahl verglühte.
Indem ihr Mund mit Zärtlichkeit so sprach
Blüht neu der Lieb' Erinnerung im Gemüthe.
Der Fürstin muß sie all ihr Leid erzählen,
Wie Lieb' und Trauer ihre Seele quälen.

Sie sprach, welch Leid den Gatten ihr genommen,
Und wieder strömt das Auge heiße Thränen;
Die Fürstin sprach: mir ist das Herz beklommen
Bey deinem Leid, doch eines muß ich wähnen,
Daß Hülfe nicht von eurem Gott mag kommen,
Daß er nicht achtet Klagen, Leiden, Sehnen,
Wie treu hast du ihn immer müssen lieben,
Doch ist Dir seine Huld nicht treu geblieben.

Und hat er nicht dein eigen Herz gelenkt?
Sprach nun die Christin mit entflammten Augen.
Ist er es nicht, der meiner ewig denkt?
An dessen Wunden alle Tröstung saugen?
Der uns des ew'gen Lebens Balsam schenkt,
Und mag es nicht ihm noch zur Ehre taugen,
Daß er mich her in Sklaverei geführt?
Den Erd' und Himmel wird von ihm regiert.

Die Heidin schwieg, es war ihr Herz getroffen,
Verwundrungsvoll sah sie das treue Lieben,
Das feste Zutrau'n und das inn'ge Hoffen
Das in dem Elend war der Frau geblieben.
Stets ist der Himmel noch den Frommen offen,
Dachte die Christin, nicht hinweggetrieben
Sind wir, o Vater, je von deiner Thür,
Sey gnädig auch, wie ich gesündigt, mir.

So sah man stets beisammen beide Frauen,
Zur Arbeit nie getrennt, so wie zur Freude;
Es wirkten ihre Hände einen Pfauen,
Den nähten sie in eine Fahne beide.
Zur Lust des Königs sollte man ihn schauen
In Lüften fliegen auf der grünen Heide;
Die Gräfin muß ermattet plötzlich schweigen,
Das Haupt erbleicht auf ihre Schulter neigen.

Die Königin war weise wohl genug,
Sie konnt' es deutlich an der Christin sehen,
Es müsse bald das Kindlein, das sie trug
Hervor zur Welt, und zu dem Lichte gehen,
Und als sie drum die Gräfin freundlich frug,
Da mochte sie zu ihrer Lust verstehen,
Daß sie wohl beide ihrer schweren Bürden
Zu einer Zeit von Gott erlöset würden.

Palm-Ostern wars, als beide viel erlitten,
Und mit den herben Schmerzen seufzend rangen,
Die Heidin hört man ihre Götter bitten,
Die Christen spricht mit brünstigem Verlangen:
O Herr und Gott, der du für uns gestritten,
Laß doch mein Kind zum Tageslicht gelangen,
Von Qual und Weh' erlöse bald uns beide,
Schenk' uns doch Trost, und unserm Herzen Freude!

Der Himmel nahm sie bald aus den Gefahren,
Man gab die Kinder hin an ihren Herzen,
Die beid' in einer Stunde sie gebaren;
Matt sprach die Fürstin, doch mit holdem Scherzen:
Die Kinder glaub' ich, schon im Bunde waren,
Daß sie zugleich uns fügen Freud' und Schmerzen;
Nun will ich auch, da sie uns so geschenkt,
Daß eine Amme nur sie beide tränkt.

Hoch stand der holden Königin Vergnügen
Als sie den Sohn an ihrem Busen drückt;
Der Gräfin Loos will so der Himmel fügen,
Daß er mit einer Tochter sie beglückt.
Der Bote eilt, als ob ihn Winde trügen,
Des Königs Herz wird durch sein Wort entzückt,
Wie er in Wonne zu dem Herren spricht:
Dir ist entzündet neuer Freuden Licht.

In hoher Freude steht des Königs Muth,
Die Boten lohnte reich des Herren Sold,
Es strömt und drängt zum Herzen ihm das Blut,
Der ganzen Welt ist er nun mild und hold.
Er that was noch ein jeder Edle thut:
Frei theilte seine Hand sein rothes Gold.
So eilt er hin im freudigen Entzücken,
Sein Kind und Weib an seine Brust zu drücken.

Der König sprach: man soll dem Volke sagen,
Daß ich gewonnen meinem Reich den Erben,
Hoch soll der Freude gold'ner Fittig schlagen.
Und jeder soll um Lust und Wonne werben.
Es soll im Land in vollen vierzehn Tagen
Nicht wieder aus der Klang der Freude sterben,
Nein, Jauchzen soll im ganzen Land erklingen,
Den Göttern soll man herrlich Opfer bringen.

Nun hatten es die Christen auch vernommen,
Die hier gebeugt im Heiden-Joche leben,
So sprach ihr Bote: Herr dir ist gekommen
Vom Himmel, was dein Herz nur möcht' erstreben,
Laß einen Strahl der Gnade zu uns kommen,
Laß unser Herz auch heut' in Freude schweben;
Das größte Heil ist heute dir geschehen,
Laß feiernd uns auch unser Fest begehen.

Nur um die Königin und um ihr Lieben
Bewilligte der König es in Gnaden;
So ward sein wildes Herz zum Haß getrieben.
Die Christen hat er so mit Zorn beladen.
Es wäre unerfüllt ihr Flehn geblieben,
Die Königin bat: ihr mögt sie so begnaden,
Es sey in eurem Reich nicht einer heut,
Des Herz sich nicht in hoher Lust erfreut.

Es schmücken nun die Christen aus mit Blumen
Die Kirchen, dahin sieht man Schaaren dringen,
Sie knien nieder in den Heiligthumen.
Der Orgel Ton, der Christen frommes Singen
Blüht schwebend auf wie lichte Himmelsblumen
Und rauscht hernieder wie auf Engels Schwingen,
Wie milde Brunnen fließen ihre Thränen,
Wie Flammen lebt in ihrer Brust das Sehnen.

Es glimmt in ihrer Brust der Hoffnung Funken,
So streun sie Blumen aus auf allen Wegen,
Ja Christen sieht man auf die Knie gesunken
Zu flehn vom Himmel für den König Seegen.
So ist ihr Herz in schöner Freude trunken,
Des Königs Haus mit Blumenschmuck belegen
Sie fröhlich, alle Säle, selbst die Wiegen,
Worin die beiden Kinder lächelnd liegen.

Ob die schon zu einander freundlich lachten,
Das weiß ich nicht, sie lagen zwischen Blüten,
Die nur den Glanz der Schönheit höher machten,
Der Antlitz', die die Blumen überblühten.
Und holde Grüße sich die Augen brachten,
Und auch die Lippen die wie Rosen glühten;
So sagte scherzend oft die Königin;
Sie wandten stets sich zu einander hin.

Die Christin tauft ihr Kind mit frommem Sinne,
Weit bist du weg von heimatlicher Flur,
So sprach sie, doch den Herren immer minne,
Von seiner Gnad' ist aller Orten Spur,
Daß dieses Tags Gedächtniß nicht zerrinne,
Drum nenn' ich dich, du Holde, Blanscheflur,
Und Flore ward des Königs Sohn genannt,
Weil jeder ihn so lieblich schön erfand.