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Flore und Blanscheflur

Ein episches Gedicht in zwölf Gesängen.

Dritter Gesang.

Die Fraue schwieg. Hinziehet nach Montmore,
So sprach der Ritter, nach dem Ort voll Klagen
Mit inn'rem Weh, der freudenarme Flore,
Das lehrt mein Herz an seinem Heil verzagen.
Noch lebt der Klang furchtbar in jedem Ohre
Was hier Verrath durft' an der Minne wagen,
Mit Dolchen Ines zarte Brust bestürmen,
Die Lusitaniens Held nicht konnte schirmen.

Ein einsam Haus, von Bäumen rings umstellt
Im dunkeln Walde rauschend mit den Zweigen,
Hat Liebe sich zum Schutzort auserwählt,
Nur süßer Klang stört hier das heil'ge Schweigen,
Und weckt die Vögel in dem grünen Zelt,
Lehrt Baum und Blume sich melodisch neigen,
Wenn Ines Wort in blauen Lüften klingt,
Ihr Liebeshauch aus schönstem Busen dringt.

Dann oft im Ton wie gold'nen Lichtes Strahl
Zuckt schmetternd durch der Bäume heimlich Flüstern,
Es spricht ihm nach der scheue Wiederhall,
Verkündet so die Liebesbotschaft lüstern,
Und weckt damit die fromme Nachtigall,
Der Träume noch das kleine Haupt umdüstern;
Dann naht der Jäger allerschönstes Bild,
Dem nicht entflieht, entgegenspringt sein Wild.

Doch ach! wie bald zerrann der Freude Bronnen,
Wie bald verstummten dieser Lieder Weisen!
Das trunk'ne Herz, die Quelle seel'ger Wonnen
Durchstochen ward's von schnöder Mörder Eisen;
Und für die Kron ein finst'res Grab gewonnen.
Pedro, der Held, den alle Zungen preisen,
Sieht stumm versinken seine Blumenmatten,
Und fühlt sein Herz von ew'ger Nacht umschatten.

Nach diesem Ort der unglückseel'gen Liebe
Zieht Flore hin, und ahndungsvoll befeuchtet
Sind uns're Augen um des Kindes Triebe;
Selbst Sonnenglanz, der herrlich erst geleuchtet,
Ist nun durch flieh'nde Wolkenbilder trübe.
So klagt der Ritter, wenn von Glück umleuchtet
Der Kinder treue Lieb' uns dürft' erscheinen,
So würden nicht des Himmels Augen weinen.

Doch lacht er weinend, also sprach die Frau,
Denn seht die Tropfen in der Sonne funkeln,
Die wie Geschmeide fallen auf die Au',
Auch mögen Wolken nicht die Stirn umdunkeln
Des Himmels, denn er zeigt sein herrlich Blau,
Und sind wir kühl umschattet hier im Dunkeln,
So schirmt vor Strahl und Regen uns im Grünen
Der Bäume Dach, lebend'ge Baldachinen.

Drum weiche böse Ahndung von dem Herzen,
Und wenn ihr wein't sey'n eure Thränen mild,
Wohl schmerzen mich des Portugiesen Schmerzen
Die ihn entflammt zur Rache also wild,
Daß nur den Brand gekühlt der Feinde Herzen;
Doch bleibt mir Lieb' ein anmuthreiches Bild,
Der Huld'gung willig alle Sinne zollen,
Will sie auch selbst des Tods Panier entrollen.

Und seht, es läßt der Himmel schon sein Weinen,
Die Vögel wirbeln schmetternd ihre Lieder,
In jeder Blume seht nun Funken scheinen,
Der Himmel senkt sie in die Kelche nieder:
Sieht man die Blumen, sollte man nicht meinen
Wie sie die Häupter neigen hin und wieder,
Und scherzend mit den lauen Winden spielen,
Daß sie sich stolz im Schmuck des Himmels fühlen?

Ach, aber Wind, du raubest ihre Gaben,
Zwingst ihnen Himmelsthränen aus den Augen,
Die muß nun gleich die kalte Erde haben,
Sie will begierig alle Tropfen saugen,
Und Sonne selbst, die glänzend uns will laben,
Dem Schmuck der Blumen kann sie doch nicht taugen,
Ihr heißer Strahl hat schon den Thau getrunken,
Der aus dem Blau in jeden Kelch gesunken.

Der Himmel muß um uns erbarmend weinen,
Wir fühlen dann im Herzen tief sein Lieben,
Wir möchten uns inbrünstig ihm vereinen,
Sehnsüchtig will die Seele sich betrüben,
Dem süßen Schmerz als Zeichen muß erscheinen
Die Thräne klagend: ach, im Bunde blieben
Wir gern! die Thränen, dieser Schmerzen Lächeln —
Ein leichter Wind mag sie vom Auge fächeln.

Nur wer im Herzen trägt die treue Minne,
Der bleibt in Liebe auch dem Himmel treu;
So Blanscheflur, die hoch betrübt im Sinne,
Von jeder Falschheit ist ihr Busen frey,
Daß nicht der holden Minne Strom zerrinne,
Daß rein wie sie auch immer Flore sey,
Daß sie den Freund bald möge wiedersehen,
Dies sind die Wünsche, ihre Herzenswehen.

Und Flore reitet hin im trüben Muth,
Er spricht kein Wort bis sie den Weg vollenden
Zum Herzog Guras hin, in dessen Hut
Der König will den kranken Jüngling senden;
Und der empfieng ihn, wie man Freunden thut,
Er wähnte bald den Kummer ihm zu wenden
Mit seinem Weib', der Herzogin Sybillen;
Sie fügten gerne sich der Kön'gin Willen.

Als nun der Herzog Floren hat empfangen,
Führt er ihn hin die Herzogin zu grüßen,
Da kam das Kind an Guras Hand gegangen,
Die Frau erhebt sich seine Stirn zu küssen,
Und sanft spricht sie: längst trugen wir Verlangen
Euch hier zu sehn, und freundlich zu begrüßen;
Erfüllt ist unser Wunsch, mit Dank erkannt
Sey es dem Vater der euch hergesandt.

Drauf ließ herbey sie ihre Frauen kommen,
Und die begannen mancherhande Spiel;
Wem auch das Herz von schwerem Gram beklommen,
Er fände Freud' und Wonnen hier so viel,
Es würde alles Leid von ihm genommen,
Nur Floren nicht, dem keine Lust gefiel;
Im Scherz und Tanzen höret man sein Ach,
Daß fast der Seufzer seine Brust zerbrach.

Das sahen alle an dem werthen Gast,
Und dennoch sprachen Ritter so wie Frauen:
Beugt ihn auch nieder jetzt des Kummers Last
Sind durch die Thränen die herab ihm thauen
Auch seine Rosenwangen fast verblaßt,
Kann man doch keinen schönern Jüngling schauen;
Wie Sonnenschein so muß es fröhlich machen
Wenn dieser Mund und diese Augen lachen.

Die Herzogin bedenkt mit treuen Sorgen
Wie sie den Kummer will geringer machen,
Sie rufen sechzig Kinder nächsten Morgen,
Die alle wie die Frühlingsrosen lachen,
Wenn sie noch halb in Knospen sind verborgen,
Um Lust und Leben wieder anzufachen
Dem kranken Kind, sie freundlich ihn empfingen,
Und mit ihm traulich in die Schule gingen.

Sie mühten sich den Gram ihm zu vertreiben,
Doch war ihr Thun und Reden in den Wind,
Er will im Schmerze ungetröstet bleiben,
Es sehnt nach Blanschefluren sich das Kind;
Beim Spiel der Frau'n und ihren Zeitvertreiben.
Es sprach zu ihm die Herzogin gelind:
Stets muß ich Thränen dir im Auge schauen,
Erheit're dich bey Rittern und bey Frauen.

Er schleicht hinweg, er sucht des Himmels Blau,
In einem Garten ist er stets zu finden,
Wo Blumen glänzend von dem frischen Thau
Geküsset von den kühlen Morgenwinden
Wie Sterne prangen auf der grünen Au,
Kein Schlummer mag mehr seine Augen binden,
Wenn kaum die Nacht dem jungen Tag muß weichen,
Sieht man wehmüthig ihn zum Garten schleichen.

Da steht er träumend wo die Lilien blühen,
Es dringt sein Auge in die weißen Sterne,
Er sieht den klaren Blick, des Mundes Glühen,
Dann meint er wohl, sie sey ihm nicht mehr ferne;
Ihm dünkt, sie muß aus jedem Kelch erblühen,
Mit seinen Lippen naht er ihnen gerne,
So ist sein Herz von Lieb' und Sehnsucht wund,
Die Blumen küßt statt Blanscheflur sein Mund.

Wenn Himmelsodem an die Blumen rührt,
Daß hin und her die weißen Kelche schwanken,
Dann wird sein Herz von süßer Pein berührt,
Ihm dünkt, daß seiner Freundinne Gedanken
Des Himmels Wind gelinde zu ihm führt,
Daß ihre Minne treu und ohne Wanken.
Er hört, daß dieß die Blumen zu ihm sagen,
Sie trösten ihn, sie wollen mit ihm klagen.

Die Hoffnung will dann freundlich ihn umschlingen,
Zehn Tage nur, dann sind ja überstanden
Die Schmerzen, die die Seele dir durchdringen,
Es giebt das Leid dich frey aus seinen Banden,
Du hörst die holde Stimme wieder klingen,
Die Arme die sich um den Nacken wanden
So traulich oft, die drücken dann dein Herz
An ihre Brust und todt ist jeder Schmerz.

So täuschte Hoffnung ihn in jeder Stunde,
Er hat noch nicht sein Leiden ganz erkannt
Er glaubt den Worten aus verstelltem Munde,
Daß Blanscheflur ihm werde nachgesandt;
Noch hört er nicht von seiner Freundin Kunde,
Ob heute schon der zehnte Tag verschwand,
Auch will man ihn nicht lassen zu ihr ziehen,
Nun muß ihm Trost und jede Hoffnung fliehen.

Er ließ die Schaam, mit Klagen, lautem Weinen,
Er immer Blanscheflur, du Süße rief;
So duldete das arme Kind in Peinen,
Daß er nicht Speise nahm, nicht trank, nicht schlief,
Zum Garten, wo die weißen Blumen scheinen,
Er stets voll Angst in jeder Stunde lief;
Er hört kein tröstend Wort, nur sein Verlangen;
Der Herzog muß, die Herzogin erbangen.

Durch seinen Kämmerer ließ der es sagen
Dem König, wie es sey mit seinem Kinde,
Daß in der Trauer, in den Herzensklagen
Die blüh'nde Jugend seines Sohns verschwinde,
Und daß an seinem Leben sie verzagen,
Wenn er nicht bald die Freundin wiederfinde.
Das reizt zum grimmen Zorn des Königs Blut;
Wild rief er aus: Er komme, dünkt's ihm gut.

Mit glühn'den Augen er zur Fürstin ging
In Wuth entbrannt auf seinen Sohn und Erben,
Er achtet nicht, wie ihn die Frau empfing,
Er rief: nun seht, wie Heil und Ehr' uns sterben,
Der Wahnsinn, der des Sohnes Herz umfing,
Zwingt ihn, nur stets um Blanscheflur zu werben;
Er lebt in Jammer, Klagen, und in Peinen,
Er will zurück, der Sclavin sich vereinen.

Soll ich so seine Ehre sehn erliegen,
Daß knechtisch er an ihren Blick gebannt?
Wähnt sie sein thörigt Herz so zu besiegen,
Daß er als Königin sie krönt im Land?
Nein, wohl zu lange haben wir geschwiegen,
Es treffe schwer sie strafend meine Hand;
Daß ich des Sohnes Ehre mag erretten,
Erlösen ihn aus schmachvoll engen Ketten.

Es haßt mein Herz mit vollem Recht die Christen
Bey dem Gedanken wird mein Blut empört,
Daß diese wohl mit frechen Zauberlisten
So stark hat unsers Sohnes Herz bethört,
Daß nun, so lang sie mag ihr Leben fristen,
So Leib wie Seele einzig ihr gehört;
Drum schlag' ich ab das frevelhafte Haupt,
Das Ruhe, Glück und Frieden mir geraubt.

Er läßt sie nicht, durch keine Qual und Noth
Wird er die Sinne nimmer von ihr wenden,
Ich seh' es wohl, daß nur allein der Tod
Den Liebeswahn und uns're Schmach kann enden.
Laut rufend nun der König es gebot
Man solle hin nach Blanschefluren senden;
Die Arme, ach! sie saß im tiefen Sinnen,
Und ahndet nicht so grauenvoll Beginnen.

Ihr war die List von keinem Zauber kund,
Wohl that sie's nicht mit böser Künste Zwang,
Unwissend macht ihr rosenrother Mund
Den holden Freund an süßen Schmerzen krank;
Und wie er selbst, war sie von Liebe wund,
Die jeder von des andern Lippen trank;
Die Kinder waren rein, einfältiglich
In Liebe, die der Lieb' der Engel glich.

Sie in der Weise einer Turtel-Tauben
Die ihr Gespiel, den süßen Freund verlor,
Die, wenn Geschick ihr muß den einen rauben,
Sie nimmer dann den zweyten sich erkohr;
Aus Mund und Augen dieser weißen Tauben
Gehn Thränen, Seufzer schmerzlich nur hervor;
Doch will man sie als Schuldige verklagen,
Sie soll die Schuld der Pein des andern tragen.

So grimmig ist der König und so wild,
Daß er kaum hört der Fürstin sanftes Werben.
Er hört nur seinen Zorn der aus ihm schilt.
Sie spricht: müßt ihr auch Blanscheflur verderben,
Zertrümmert nicht so göttlich schönes Bild.
Befreit von Schmach der Krone einz'gen Erben,
Die Schuld'ge sey von unserm Blick verbannt,
Verkauft als Sclavin in ein fremdes Land.

Ja sendet sie nach weit entlegnem Ort,
Laßt über Meer ein fremdes Schiff sie tragen,
So wendet ihr von euch des Leumunds Wort
Und Flore wird die Kunde nie erfragen;
Sonst spräche man, es sey ein schnöder Mord,
Wenn schuldlos ihr ein armes Kind erschlagen.
Ein Ritter soll beschirmen jedes Weib,
Und ihr wollt tödten einer Jungfrau'n Leib.

Der König sprach in wilden Zornes-Toben;
Es gnügt dem Sinn nur dieser Sclavin Leben,
Doch muß ich, Herrin, eure Weisheit loben,
Mein Grimm muß sich der Ehre nun ergeben,
Sie unverdient ein mild'res Loos erproben. —
Er hieß alsbald sie fremden Kaufherrn geben;
Führt sie, befahl er, schnell zur Stadt hinaus,
Nicht weile sie im königlichen Haus.

Sie gaben ihm viel Edelsteine, Gold,
Brokate, Sammet, leuchtendes Gewand.
Wie Blanscheflur auch trauert, bleibt so hold
Ihr Anblick, daß er Wilde überwand;
Drum gaben gern so mannigfachen Sold
Die Kaufherrn, Schmuck, fern aus Egypten-Land;
Und daß man königlich die Magd bezahle
Zum letzten Preis noch eine gold'ne Schale.

Wie schwer das reiche Gold auch mogte wiegen,
War doch das Gold die allerkleinste Pracht,
Ein Bildwerk sah man um den Rand sich schmiegen,
So schön geformt durch Kunst und Zaubermacht,
Des rothe Schimmer jedes Auge trügen
Als sey im Glanze Leben angefacht.
Stolz, Neid und Gram, und Liebe, die entzückt,
Man schmachtend, leidend, glühend hier erblickt.

Stolz zeigen sich im Streit drei Götterfrauen,
Mit Neid hegehrend höchster Schönheit Sold,
Sie lassen sich vom jungen Paris schauen,
Die bietet Weisheit, jene bietet Gold;
Doch Venus zeigt auf hellbeblümten Auen
Ein lieblich Frauenbild, wie Blumen hold,
Verheißt mit Lächeln dann dem Hirtenknaben
An ihrer Brust der süßen Minne Gaben.

Der Liebe ward der Apfel zuerkannt;
Und Paris Augen sah man hell erglänzen,
Entzückt verkündend, wie sein Herz entbrannt.
Am schmalen Bach, den Blumen sanft umkränzen,
Das holde Bild der schönsten Fraue stand,
Die schnell entführt von jugendlichen Tänzen
Sich schüchtern zwar abwendet wie die Tauben,
Zitternd in Lust, sich willig doch läßt rauben.

Und Menelaus, von der schlimmen Kunde,
Am Felsen lehnend, sitzt er tief gebeugt,
Es zeigt der Blick wie von der Herzens-Wunde
Im glühn'den Zorn er annoch traurend schweigt,
Doch feurig bald mit wohlberedtem Munde
Er sich in fürstlicher Versammlung zeigt,
Wie Liebe, Zorn, Schmach, Sehnsucht weckt die Glut,
So daß er dürstet nach der Feinde Blut.

Wann nun im Becher funkelt gold'ner Wein,
Ein edler Mann ihn will zum Munde führen,
So fühlt das Herz durch Kraft der Zauberei'n,
Wenn seine Lippen Paris Bildniß rühren,
Mit Lust der Minne wundersüße Pein,
Er fühlt von sanften Küssen sich berühren,
Und preis't sich seelig, daß die Lippen dürfen
Den Wonnetrank aus diesem Becher schlürfen.

Doch zornig schwillt des kühnen Ritters Herz,
Des Lippen trinkend Menelaus grüßen,
Er wähnt die Brust umschirme sich mit Erz,
Sieht Troja sinkend Liebesfrevel büßen,
Und eines Königs wild entbrannten Schmerz:
Mit Freude fühlt er dann den Zorn versüßen,
Ihn dünkt, es stürzen Thurm und Maur zusammen,
Im Weine sieht er lodern Troja's Flammen.

An diesem Becher prangte reich Gefunkel
Von edlen Steinen, und mit Herrlichkeit
Diente als Knopf dem Deckel ein Karfunkel,
Der sendet seine gold'nen Strahlen weit,
Daß rothen Schimmer gießend durch das Dunkel
Er durch die Finsternisse Lichter streut,
Wenn ihn der Schenke zu den Gästen brachte
So war die Nacht, als wenn der Morgen lachte.

So ward mit reicher Gabe nun vergolten
Das holde Kind, die wunderschöne Frau,
Vom Lande strebt das Schiff, die Wellen rollten,
Der Himmel heiter, Winde bliesen lau;
So schwamm der Kiel, wie es die Kaufherrn wollten
Nach Babyloniens weit entlegner Au;
Hier wurde tief verschleyert, wohl bewacht,
Das Fräulein vor den Ameral gebracht.

Der Fürst gebot den Schleier wegzuheben,
Und fühlt, sie schauend, süße Liebes-Qual;
Den Kaufherrn hieß er Gold, Gesteine geben,
Bis sie befriedigt schieden aus dem Saal.
Er sprach zu Blanscheflur: nicht mußt du beben,
Zur höchsten Fürstin macht dich meine Wahl;
Nie war mein Herz in trunk'ner Liebe wund,
Weil ich nie sah so wundersüßen Mund.

Mit Sorgfalt ließ in einen Thurm er schließen
Das holde Kind, sein Wort macht unterthan
Ihr viele Mägde, dennoch sah er fließen
Der Thränen Strom, und fragt, um welchen Wahn
Muß sich auf's neu dein Auge stets ergießen?
Weil meine Augen nie solch Wunder sahn,
Und mich dein Blick in Sehnsucht hält gefangen,
Trag' ich nun dich zu trösten mild Verlangen.

Ich fürchte, daß ein ander Bildniß lebt
In eurer Brust, darum will ich gestatten,
Daß ihr der Trauer euch ein Jahr ergebt;
In solcher Frist vergeßt den fernen Schatten,
Daß wenn herauf die gold'ne Stunde schwebt
Ihr heiter mich umschlingt als euren Gatten;
Vergeblich Hoffen laßt nicht euer Herz bethören
Nach Jahresfrist müßt ihr die Treu mir schwören.

Er ging, und Blanscheflur sprach: o mein Gott
Wie dank' ich dir für dieses Jahres Frist!
Du rettest wohl mich von der Heiden Spott,
Und wenn mein Herz sein großes Leid ermißt,
Erlöst in diesem Jahr mich noch der Tod;
Darum nun fleh ich dich durch Jesum Christ,
Der unser Mittler ist bey dir gewesen,
Daß wir durch ihn vom ew'gen Tod genesen.

In Schmerz und Trauer lebte nun die Gute,
In Seufzen, Weinen und in steter Klage,
In solchem Weh und mit so schwerem Muthe,
Daß ich zu viel nicht von der Armen sage,
Sprech' ich, daß keine Nonn' in Klosters Hute,
Kein Mönch, kein Klausner lebte seine Tage
In solcher Qual, in solchen herben Peinen,
Wann sie die schwersten Sünden auch beweinen.

Sie seufzte oft: o Gott, deine Gewalt
Kann mir wohl lindern meines Herzens Leiden,
Die jetzt so bitter grausam mannigfalt
Mit ihren Dolchen meine Seele schneiden;
Nun werd' ich hier in solchem Elend alt,
Muß immer meines Freundes Blick vermeiden,
Und schuldlos bin ich, laß es dich erbarmen,
O sende Rettung der hülflosen Armen.

Mit Freuden hub sich an mein traurig Leben,
Doch ach! die Freude brachte nicht Gewinn,
Es mußte bald die Seeligkeit entschweben,
Daß ich im großen Leid unseelig bin,
Wornach mein Herz und alle Sinne streben
O wehe mir! auf ewig ist es hin;
Und vor mir liegt die kummervolle Zeit,
Die mir herbeigeführet Haß und Neid.

Nun Gott erhöre mich durch deine Güte,
Da Haß und Neid mir solchen Kummer machen,
So daß in ew'ger Trauer mein Gemüthe,
Da mir nicht mehr des Freundes Augen lachen,
Der mir entgegen wie die Rose blühte
Wenn ihre Farben Sommerlüft' anfachen;
Doch Haß und Neid, die aus der Hölle Grunde,
Ach, laß sie, Vater, dort in jeder Stunde!

Das bitt' ich, wenn auch mir nicht zum Gewinne,
Das Aergste hat mir Haß und Neid gethan,
Wie ringt mein Herz, wie lebt die Kraft der Minne
Um ihn! und wohl ist es kein falscher Wahn,
Daß er die Qual auch fühlt in jedem Sinne,
Denn ach! mein Blick und Wort kann ihm nicht nah'n;
Er trauert, klaget, weinet, sehnet sich
In gleicher Art wie ich inbrünstiglich.

Er ist ein Heide, aber herzlich treu;
Bin ich getauft, so kann ich doch nicht wähnen,
Daß Gott die Liebe ungefällig sey;
Wir sind geschieden, sonst bät' ich mit Thränen:
Tritt Flore, doch dem heil'gen Bunde bey!
Er würde bald sich nach der Taufe sehnen;
Wohl mochten sie mich seinethalb verkaufen,
Daß sich nun nie mein traut Gespiel läßt taufen.

Es trauerte mit Recht wohl unser Muth,
Als ihn Gewalt von meinem Herzen schied,
Verschwunden war der Wangen Rosenglut,
Wie todt der Blick mit dem er mich vermied!
O wehe dir, du Flamme, Herzensglut,
Die unser Glück dem Könige verrieth!
Weil Minne hat sein treues Herz umfangen
Drum bin ich hier im Elend nun gefangen.

Doch bleibt mein Muth und Herze ihm getreu,
Und nimmer soll die Seele sich vermessen
Wie weit ich auch von ihm entführet sey,
Daß ich je will den süßen Freund vergessen;
Nein, ewig wohnet mir sein Bildniß bey,
Nur jetzt kann ich mein vorig Glück ermessen.
Ja wahrlich wohl ich wäre im Unsinne
Vergäß' ich ihn und seine süße Minne.

Er ist so edel, treu, unwandelbar,
Stolz, bieder und in höchster Güte gut,
Hübsch, wohlgestaltet ist er ganz und gar,
Hat reines Herz und wonniglichen Muth,
An seiner Liebe leid' ich nicht Gefahr,
Treu ist sein Herz und edel wie sein Blut:
O süßer Freund, den Preis habt ihr vor allen,
Drum müßt ihr ewig einzig mir gefallen.

O weh! der schönen wonniglichen Augen
Gedenk' ich nur, wie sie mich angelacht,
So muß mir das zu Leid und Schmerzen taugen
Was mich so oft recht innig froh gemacht;
Es muß mein Herz an der Erinn'rung saugen,
Wie oft der Glanz mir Freude sonst gebracht
Von braunen Edelsteinen, leuchtend klar
Unter gelocktem dunkelgelben Haar.

Und dann die süßen minniglichen Wangen,
Auf ganzer Erde ich nichts Schön'res weiß,
Wie sie mit rother Farbe sind umfangen,
Gemischet doch mit zartem Schein von Weiß;
Und wie die vollen Lippen herrlich prangen,
Als wären sie der Rosen schönster Preis,
Und immer spricht im Lächeln euer Mund:
Nun küsse mich und küß dein Herze wund.

Im Lächeln dann der Zähne Elfenbein
Schien glänzend aus der rosenrothen Pforte
Wie Vogelsang im Frühlings-Sonnenschein
Im Wald ertönt, flogen die sanften Worte,
Sie küßten meine Seele; o der Pein!
Getrennt von dir, müssen an diesem Orte
Mich schlafend, wachend die Gedanken kränken,
Wie sie auch dich, mein süßer Freund, nur denken.

Die Bäume sagen rauschend von den Wonnen.
Die unser waren, so die Winde singen,
Von unsrer Liebe träumen alle Bronnen
Mit Liebesworten spielend; farbig schwingen
Die Blumen ihre Flüglein zu den Sonnen
Und nennen dich die Vögel wie sie springen;
Durch Laub und Blüten, Berge, Sonne, Flur
Sprechen: Dir treu bleibt ewig Blanscheflur. — —

So tönte jammervoll der Holden Klage
Mit vielen Thränen in der Einsamkeit,
In stiller Nacht so wie am hellen Tage;
Viel Jungfrau'n sind zu ihrem Dienst bereit,
Doch wünscht sie nur, daß keiner nach ihr frage,
Daß sie nur sey mit ihrem großen Leid;
Statt Floren möchte sie, von allen Blicken
Entfernt, den Schmerz an ihren Busen drücken.

Die Boten, die der König ausgesendet
Kamen mit ihrem reichen Schatz zurücke
Für den das holde Mägdlein war verpfändet,
Da trübten sich der schönen Fürstin Blicke;
Den Tod der Holden hatte sie gewendet,
Doch auch das Herz zerrissen, und das Glücke
Der Frau getödtet, die sie Freundin nennt,
Von der das einz'ge Kind sie schmerzlich trennt.

Die fromme Mutter ganz in Gott ergeben
Empfieng den Schlag des Schicksals mit Geduld:
Laß sie in deinem Schutz, o Vater, leben,
Sprach sie, bewahr' ihr junges Herz vor Schuld;
Als auf dies Kind du Hoffnung mir gegeben
Erschien es mir ein Zeichen deiner Huld,
Nun ist sie grausam meinem Arm entrissen,
Laß sie entfernt nicht deine Gnade missen.

Zum König sprach die Königin mit Weinen:
Ach, Blanscheflur ist nun dahin gegeben,
Nun lasset, Herr, auch eure Weisheit scheinen,
Daß wir erhalten unsers Kindes Leben;
Hört er die Wahrheit, wird in herben Peinen
Die Seele bald dem schönen Leib entschweben;
Wir werden, fürcht' ich, Leid und Schmerzen tragen,
Daß sie verkauft, noch jammernd es beklagen.

Ihr müßt mit klugen Sinnen das beenden,
Sprach König Felix, sinnt auf eine List.
Sie sprach: daß wir des Sohnes Tod abwenden,
Verkünden wir, daß sie gestorben ist;
Und laßt uns hin nach meiner Schwester senden,
Daß sie ihn bey sich halte kurze Frist,
Weil Blanscheflure krank, so mag sie sagen,
Er soll die Freundin sehn in wen'gen Tagen.

So sprach die Königin, und laßt geschwinde
Ein Grab errichten, kommt er wieder nun,
Dann sagen wir zu dem betrübten Kinde,
Daß drunter Blanscheflur's Gebeine ruhn,
Mit Lieb ihn tröstend, daß er überwinde
Sein großes Leid. Das laß uns eilig thun,
Sprach schnell der König. Nun ward ausgesandt
Nach klugen Meistern in dem ganzen Land.