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Flore und Blanscheflur

Ein episches Gedicht in zwölf Gesängen.

Achter Gesang.

Es beugen sich der Liebe alle Herzen,
So rief der Ritter, wer kann sich entziehn?
Oft wird der Sieg durch kindisch lieblich Scherzen,
Lächeln und Spiel, ihr williglich verliehn,
Doch oft kämpft sie mit tausendfachen Schmerzen,
Und läßt im Leid den Muth doch nicht entfliehn.
Mit Thränen hofft sie die zu überwinden,
Die nicht des Lächelns Zauberkraft empfinden.

Doch ist die Lieb' ein Kindlein nur und schwach,
So sprach die Frau: wenn sich die Feinde regen,
Seufz't es in Wehmuth ein tief klagend Ach!
Und eilt der Treue Panzer anzulegen,
Dann wird in seinem Busen Hoffnung wach,
Das Schwerdt des Muthes streckt es kühn entgegen
Den Feinden, die es kämpfend, wild bestürmen,
Der Schild des Glaubens muß die Brust ihm schirmen.

Bald wird die Liebe ihre Glorie sehn,
Sie hat gesiegt durch Panzer, Schwerdt und Schild,
Und alle müssen nun um Gnade flehn,
Die erst gekämpft so trotzig, rauh und wild.
Doch rächt sie nicht das Leid so ihr geschehn,
Ihr Götter-Aug' ist wie ihr Busen mild:
Nur kindisch stolz will sie nun triumphiren,
Im Siegeszuge die Besiegten führen.

Und übermüthig führt an seiner Hand
Das Kindlein sie, die ihm noch ungern dienen,
Nicht schützte sie ihr eisernes Gewand,
Vergebens drohten ihre trotz'gen Mienen,
Die erst die Minne kämpfend überwand,
Die Gegner ihrer holden Macht geschienen:
Sie tragen bald mit himmlischem Entzücken
Der Liebe Bande, die das Herz beglücken.

So woll'n in frommer Demuth wir uns neigen,
Sprach nun der Ritter, da wir all' empfunden,
Daß Lieb' im Kampf sich stets wird siegreich zeigen,
Weil bald der Muth zum Widerstand entschwunden;
Was athmend lebt giebt sich der Minne eigen,
Und fühlt entzückt die süßen Herzens-Wunden.
Nur Phönix flieht zum einsam düstern Wald,
Sein stolzes Herz bleibt für die Liebe kalt.

Nennt ihr ihn kalt? erwiedert ihm die Frau,
Weil einsam klagt sein Schmerz in Waldes Nacht,
Weil Abendglut am reinen Himmelsblau
Der Sehnsucht Flamm' ihm heißer glühend facht,
Weil nimmer mild erquickend Morgenthau
Des Trostes Kühlung in sein Herz gebracht;
Denn niemals wird er Gegenliebe finden,
Mag auch sein Herz die höchste Glut empfinden.

Ach! muß er nicht in solchem Schmerz und Pein
Zum Himmel seufzen seiner Sehnsucht Klagen?
Muß unerwiedert seine Glut stets seyn,
Wie soll im Jammer er dann nicht verzagen?
Er muß sich selbst dem heißen Tode weihn,
Den gold'nen Fittich auseinander schlagen,
Entschloss'nen Muths die Todesflamm' anwehn,
In äuss'rer Flamm' und inn'rer Glut vergehn.

Und kaum versunken sind die stolzen Glieder,
So spricht der Ritter, in des Feuers Glut,
So regt sich auch die Asche seltsam wieder,
Und Phönix schwingt, voll neuem Lebensmuth
Zum Himmel auf das glänzende Gefieder.
So Liebesweh, das uns im Herzen ruht,
Wie oft wir es getödtet fälschlich wähnen,
Es lebt auf's neu' als Wunsch und zärtlich Sehnen.

Drum schmiegt euch willig in der Minne Band,
Umsonst wird jeder Widerstand verübt:
Das fühlt der Held Sigfried von Niederland,
Dess' kühnen Muth nie eine Sorge trübt,
Der wunderbar gewann so Schätz' als Land,
Dess' Stolz niemals die sanfte Bitte übt;
Bis Minn' uns zeigt wie leicht sie überwinde
Den kühnen Sohn der schönen Sigelinde.

Wie übermüthig war nach Worms gezogen
Der junge Held; siegreich wollt' er bezwingen
So die Burgunden, daß, ihr Knie gebogen,
Sie ihn in Demuth als den Herrn empfingen;
Doch anders hat die Minne es erwogen:
Wie schwer mußt' er in ihrem Dienst nun ringen,
Um holden Blick der Herrin zu verdienen,
Mußt' er nun selber den Burgunden dienen.

Nie hätte Gunter wohl die Braut errungen
Die kriegrisch lebte auf dem Isenstein,
Wenn Sigfrieds Kraft die Jungfrau nicht bezwungen,
Der König nennt die schöne Brunhild sein;
Das kühne Spiel ist durch den Freund gelungen
Der selbst nun schmachtend in der süßen Pein
Demüthig will des Königs Bügel halten,
Um nur von ihm die Schwester zu erhalten.

Wohl, sprach die Frau, und da errang er Ehren
Und süßen Lohn von allen schönen Frauen,
Den sie noch jetzt mit Thränen ihm gewähren,
Wenn sie es denken, wie auf Blumen-Auen
Sein leuchtend Loos in Nacht sich muß verkehren,
Und er mit Blut die Blumen muß bethauen
Wo durch Verrath er litt den Todesschmerz
Wo Hagens Speer furchtbar durchbohrt sein Herz.

Selig wer treu um Minne-Lohn gerungen,
Und gern gedient hat um der Schönen Huld,
Nicht wird sein Name durch die Zeit verschlungen;
Wie er geübt, so Liebe, als Geduld,
Wird preisend stets von allen Frau'n gesungen,
Mit süßen Thränen zahlen sie die Schuld,
Die dankend immer deß Gedächtniß ehrt,
Der ritterlich der Frauen Ruhm vermehrt.

So lebt auch Flore, liebend stand er da,
Die Rosenröthe wurde lilienblaß,
Als er die Wohnung seiner Freundin sah;
Von Sehnsuchtsthränen ward die Wang' ihm naß,
Sein Herz erbebt, daß, ob dem Thurm auch nah'
Er doch Daries Wort beinah vergaß,
Der ihn gelehrt, im Hin- und Wiederschreiten
Den Bau zu messen rings von allen Seiten.

Und ach! wie süß war ihm doch jeder Gang:
Ich bin dir nah', so dacht' er, Blanscheflur;
Wie sehr sein Herz sehnsüchtig liebeskrank
Zeigt im Gesicht doch nicht die kleinste Spur.
Er maß mit Ernst, wie breit der Thurm und lang,
Als reizte ihn die selt'ne Bauart nur;
Dies trieb er fort so lang bis es geschahe,
Daß ihn des Thurmes wilder Hüter sahe.

Der kam heraus, er trug ein Waffenkleid,
Und zornig blieb er vor dem Jüngling stehn.
Was sucht ihr hier? rief er, entfernt euch weit,
Was wollt ihr in des Thurmes Näh' erspähn?
Weil ihr ein Knabe noch und wehrlos seid,
Befehl' ich euch in Frieden fortzugehn,
Und rath' es euch die Lehre wohl zu achten:
Kein Mensch darf nah den Wunderthurm betrachten.

Der Jüngling, wie Daries ihn belehrt,
Sprach: warum zürnt ihr? mein Vergehn ist klein,
Ich seh' nicht ein, was euch den Muth beschwert,
Wenn ich betrachte diesen Bau von Stein.
Er scheint ein Wunder, der Betrachtung werth;
Doch sollt' ich auch unwissend sträflich seyn,
So sagt es nur, daß mein Vergehn ich büße,
Und euch den Zorn den ich erregt versüße.

Ich sag' euch gern was mich hieher gebracht:
Mich dünkt der Thurm unüberwindlich fest,
So hab' ich auch wie ich ihn sah gedacht,
Daß er durch List sich kaum erobern läßt:
Wenn ihr den Zorn den ich euch angefacht,
Durch meine Bitte freundlich nun vergeßt,
Und mir erlaubt dies Wunder recht zu schauen,
Denk' ich mir selbst solch' einen Thurm zu bauen.

Wenn ich so weislich Kunst des Bauens lerne,
Dann schließ' ich Gold und andres Gut hinein.
Darum beschaut' ich ihn inwendig gerne,
Weislich geordnet muß dort alles seyn,
Hier außen bleib ich von den Künsten ferne;
Doch laßt ihr höflich durch das Thor mich ein,
Dann seh' ich manche Kunst dort angebracht,
Die große Meister weislich sich erdacht.

Und sprecht, was thät's, wenn ihr hinein mich ließet?
Ich lohnt' euch reich, wär't meinem Wunsch ihr hold,
Und doch geschäh' auch nichts was euch verdrießet;
Denn wenn im Thurm auch leuchtend reines Gold
Kostbar Gewand und edle Stein' ihr schließet,
Und ängstlich darum Sorge haben wollt;
Wohl thöricht wäre solche Furcht bei mir,
Ich bin so reich und reicher wohl als ihr.

Wer wär' so hart, wenn er die Rede hörte,
Und Flore säh' ihn freundlich lächelnd an,
Daß Wort und Lächeln nicht sein Herz bethörte,
Da er den Pförtner schmeichelnd selbst gewann?
So daß er mild des Knaben Worte hörte,
Nicht widerstehn dem holden Zauber kann,
Womit der Jüngling ihm das Herz bezwang,
Ihm dünkt die Red' ein lieblicher Gesang.

Zu Flore wandt' er sich und sprach: ein Wahn
War es, der fälschlich täuschend mich betrog,
Als meine Augen auf euch zürnend sahn,
Der ungestüm zu schelten mich bewog,
Und übel hab' ich, junger Herr, gethan,
Daß ich nicht besser meine Red' erwog;
Denn wohl seht ihr nicht einem Späher gleich,
So edel seid ihr, schön gekleid't und reich.

Wohl größre Dienste würd' ich gern erzeigen,
Um mich mit euch in Frieden zu versöhnen,
Doch kann ich nicht den inn'ren Thurm euch zeigen,
Wie alle Künste ihn zum Wunder krönen:
Nur was mir drin als arme Wohnung eigen
Wollt ihr durch eure Gegenwart verschönen,
Den Theil des Thurms; und bleibt ihr drum mir hold,
So tretet ein, und seht ihn wie ihr wollt.

Und darf ich euch in Lieb' und Ehre fragen:
Habt, junger Herr, vom Spiel im Schach ihr Kunde?
Und wollt ihr eins zum Scherze mit mir wagen,
Ergötzen wir daran uns eine Stunde.
So will der Pförtner süße Rede sagen,
Die schwer sich fügt dem ungewohnten Munde,
Und führt so Flor' an seiner Wünsche Ziel
Als er ihn sanft und freundlich lud zum Spiel.

Zur hohen Pforte traten beide ein,
Der Pförtner eilt geschäftig aufzufinden
Das Bret zum Schach. Er ordnet jeden Stein,
Und hofft den Jüngling leicht zu überwinden,
Als Flore sprach: laßt uns bedacht drauf seyn
Mit Ernst den Sinn am edlen Schach zu binden.
Auf daß mit Scharfsinn wir das Spiel regieren
Setz' ich hier dreißig Unzen zu verlieren.

Und hundert Unzen leg' ich noch hiebei.
Daß, wem so hold sich zeigt die süße Minne,
Daß sie ihm steht in seinen Kämpfen bei,
Er sie im nächsten Spiele dann gewinne.
Des Pförtners Herz war leicht und sorgenfrei,
Gewonnen hat er schon das Gold im Sinne,
Da Flor', ein Kind fast, vor dem Alten stand,
Der längst als Meister war im Schach bekannt.

Er sprach zum Jüngling: dünkt euch Spiel der Liebe,
Was mir erscheint als listig schlaues Kriegen?
Wie leicht doch sind der Minne schwache Triebe
Durch Schwerdt und Lanze krieg'risch zu besiegen,
Wenn selbst getreu der Knabe Amor bliebe,
Den schalkhaft ihr von Spiel zu Spiel seht fliegen,
Und die verlachen, so ihm erst vertraut,
Ihr Heil und Glück auf seine Huld gebaut.

Stand nicht Ariadne einst an Naxos Strande
Und schaut hinaus weit auf die Meeres-Wellen;
Sie steht und klagt am nakten Felsenrande
Die Augen wandelnd in zwei Thränen Quellen,
Theseus zerriß der schwachen Liebe Bande,
Weit abwärts läßt sein weißes Segel schwellen
Ihm günst'ger Wind; einsam hallt noch ihr Klagen,
Da ihn die Wogen längst hinweggetragen.

Drauf sprach der Prinz: als sich der Schlummer senkte
An Naxos Strand auf Theseus Augenlieder,
Nach langer Fahrt ihm mild Erquickung schenkte,
Da stieg ein Gott zum edlen Jüngling nieder,
Der ihm das Herz im kühnen Busen lenkte,
Deß Dräuen trieb ihn zu den Schiffen wieder.
Mit Schmerz entfloh er, der entschlaf'nen Schönen,
Die bald erwacht, ihn ruft mit Klagetönen.

Im wilden Schmerz läßt sie die Klagen steigen
Zum Himmel auf, das Glück dünkt ihr ein Wahn;
Doch plötzlich muß der laute Jammer schweigen,
Sie fühlt von milden Lüften sich umfahn:
Ein Wunder will sich der Erstaunten zeigen,
Der Weinbekränzte Gott ihr zärtlich nahn.
Um süße Huld im Schmeichelton zu werben,
Erbebend glaubt sie in der Luft zu sterben.

Wie innig hält der Gott sie nun umschlungen,
Wie zärtlich flehn die seelig trunk'nen Augen?
Von Götterglut ist ihre Brust durchdrungen,
Kein ird'scher Schmerz kann für die Seel'gen taugen,
Was Dichter je von Himmelslust gesungen
Durchströmt ihr Herz, wenn ihre Lippen saugen
Den süßen Nektar von des Gottes Munde;
Und sanft geheilt ist ihres Herzens Wunde.

Es kann die wahre Liebe nie verlieren,
Auf Liebe hoffend hab' ich drum gesetzt.
Wollt ihr nun Krieg mit holder Minne führen,
So tretet her, das Schlachtfeld ist besetzt,
Und klug mag jeder nun den Kampf regieren.
Doch Florens Macht ward ernstlich bald verletzt;
Denn stand der Jüngling weis' ihm auch entgegen
War doch der Alt' in Weisheit überlegen.

Daries Rath fällt nun dem Jüngling ein
Und listig sucht er sich beim Spiel zu schützen
Durch seines Ringes wunderbaren Schein,
Er dreht ihn so, daß seine Strahlen blitzen,
Recht lockend aus dem glühend rothen Stein,
Und grade in des Pförtners Aug' erblitzen;
Er hofft, an Schach soll er nicht ernst mehr denken,
Und die Betrachtung zu dem Kleinod lenken.

Und so geschahs, der Alte hat verloren,
Er mußte Floren dreißig Unzen geben;
Es sah der Prinz den glühend heißen Zorn,
Und sprach: ich will euch zu versöhnen streben,
Ein neues Spiel sei muthig nun erkohren,
Dann mag das Glück euch huldreich wohl umschweben;
Seht hier: ich setze hundert Unzen Gold,
Setzt auch so viel, seid ihr dem Schach noch hold.

Es reizt das Gold, der Pförtner will gewinnen,
Erneuert wird mit Scharfsinn nun der Krieg
Auf den sie beide ernst bedächtig sinnen,
Und jeder hofft durch seine Kunst den Sieg;
Der Jüngling treu im holden Dienst der Minnen,
Saß, in sein Spiel versunken, ernst und schwieg,
Da hätte bald sein Gegner Sieg getragen,
Der Krieg die Liebe aus dem Feld geschlagen.

Schutz giebt des Ringes wunderbarer Schein,
Und Flore sieht gewendet bald sein Loos,
Welch seltsames Juwel im Ring mag seyn,
Gedenkt der Pförtner, und die Lust wird groß
Sich zu erwerben diesen Wunderstein.
Durch die Begierde siegt sein Spielgenoß;
Er sieht den Prinzen all sein Gold erwerben
Und will aus Schmerz bey diesem Anblick sterben.

Doch ward sein Leid in Freude bald gekehrt:
Der Jüngling reicht ihm das gewonn'ne Gut,
Wie ihn Daries kluges Wort belehrt,
Und sprach holdseelig: Nicht betrübt den Muth,
Zu spielen hab' ich nur mit euch begehrt;
Da ihr so höflich meinen Willen thut,
Müßt ihr das Gold so ich von euch gewonnen
Und was ich setzt' als bill'gen Lohn bekommen.

Entzückt empfing der Alte Florens Gold,
Wie Crösus reich muß dieser Jüngling seyn,
So dacht' er schweigend, blieb' er mir doch hold,
Ihm dünkt ein jeder Schatz gering und klein;
Und so wie es des Prinzen List gewollt,
Lud ihn der Alte höflich schmeichelnd ein,
Und sprach: möcht' es doch morgen euch belieben,
Daß wir wie heut die Zeit mit Schach vertrieben.

Wie gern versprach der Jüngling doch zu kommen,
Der mit dem Tage hoffnungsfroh erwachte.
Dem Pförtner war sein Anblick hoch willkommen,
Als er es sah, daß Flore mit sich brachte
Schwer tausend Unzen Gold; er seufzt beklommen
Als er entbrannt in schnöder Habsucht dachte:
Heut muß besiegt im Schach der Knabe seyn,
Dann ist sein Schatz in wen'gen Stunden mein.

Und freundlich sprach er: Krieg hab' ich ersonnen.
Denkt ihr nun wieder auf ein Liebes-Spiel,
So wird der Sieg von meiner Hand gewonnen,
Denn Liebe lockt auch täuschend ab vom Ziel.
Habt ihr auch glorreich euren Lauf begonnen,
Geschahs weils stets der Minne noch gefiel
Im Anfang euch mit holdem Gruß zu heucheln,
Wie Circe einst, euch beim Empfang zu schmeicheln.

Wie hold empfing im schimmerreichen Saale
Die Griechen sie, vom wilden Sturm verschlagen,
Sie selber ladet freundlich ein zum Mahle,
Willkommen, eilt den Helden, sie zu sagen,
Und bietet selbst zum Trank die gold'ne Schale,
Doch alle die daraus zu trinken wagen,
In Thiere wandelt sie der schnöde Gruß,
Und kaum allein entfloh Eurylochus.

Und doch muß Weisheit über Zauber siegen,
So sprach des Jünglings lächelnd süßer Mund;
Es hofft wohl Circe ihr werd' unterliegen
Der Held, so mit den Himmlischen im Bund.
Odysseus naht ihr, und gewohnt zu siegen,
That sich auch hier die Macht der Weisheit kund;
Sie bietet kaum den Trank von Wundersäften
Und sieht erstaunt den Zauber schon entkräften.

Als Circe durch Odysseus Schwerdt soll sterben,
Fühlt sie ihr Herz in Liebesflamm' erglüht,
Sucht zärtlich schmeichelnd Huld nur zu erwerben
Vom zorn'gen Helden, der in Schönheit blüht.
Wie er sie lieblich sieht demüthig werben,
Faßt Ahndung ihn der Wonne so ihm blüht;
Vom Zauber sind die Griechen bald befreit,
Sie bietet sichernd ihm den Götter-Eid.

Und nun wie oft, in Wonne ganz versunken
Wie zärtlich sie an ihrer Brust ihn wiegt,
Bis süßer Schlummer auf sein Haupt gesunken,
Er ruhig träumend ihr am Busen liegt;
Sie hat vom höchsten Zauber nun getrunken
Sieht ihre Macht durch Liebes Macht besiegt.
So hoff' auch ich, daß ich im Streit gewinne,
Paart Weisheit sich doch gerne mit der Minne.

Doch ward er durch des Alten Kunst bedroht,
Und schützt sich oft durch seines Ringes Schein;
Wenn die Gefahr ihm allzunah schon droht,
Füllt seine Wunderschaale er mit Wein
Den er süß lächelnd dann dem Pförtner bot;
Der seufzt in sich, wär Ring und Becher mein;
Muß mit Begier dann beides lang betrachten,
Und kann mit Ernst nicht auf sein Spiel mehr achten.

Er sah mit Schmerz den Prinzen oft gewinnen,
Ein großer Schlag, rief er, soll nun entscheiden,
Kann ich dem bösen Schicksal nicht entrinnen,
Muß ich verzweifelnd von dem Golde scheiden;
Und führt ihr siegreich meinen Schatz von hinnen,
So will ich nicht die Qual mehr langsam leiden,
Seht her, auf einmal setz' ich all mein Gut,
Wagts nun mit mir habt ihr den gleichen Muth.

Und Flore sprach: auch mir erregt es Pein,
Daß wenig ward in jedem Spiel gewagt,
Drum geh' ich willig euren Vorschlag ein,
Und setze all mein Gold nun unverzagt.
Jetzt hofft der Alte siegreich noch zu seyn,
Bedächtig prüfend sinnt er, eh' er wagt,
Verbirgt dann schlau den Plan so klug ersonnen,
Dieß Spiel, hofft er, wird endlich nun gewonnen.

In der Gefahr worin der Jüngling schwebt,
Gedenkt er zärtlich, wie er treu sich schwur
Der süßen Minne, ihr nur dienend lebt,
Und hofft auch nun auf ihrer Gnade Spur;
Wie auch das Herz in inn'rer Brust ihm bebt,
Glaubt er doch fest, daß ihn und Blanscheflur
Die Liebe schirmt, braucht Schaal' und Zauberstein,
Und so ward bald das Gold des Pförtners sein.

Bleich, stumm, wie von des Todes Hand berührt
Starrt erst der Pförtner, kann dann nicht bezwingen
Des Busens Qual. Weh' wer hat mich verführt
Rief er: muß es so jungen Kind gelingen,
Daß seine Hand all' meine Hab' entführt,
Und ich mein Loos in Armuth muß vollbringen?
Weh mir, daß ich ein Schachbret je gesehen!
Wie ist mir drum solch gräßlich Leid geschehen.

Der Prinz sprach sanft: nehmt euer Gut zurück,
Gewinn soll mir die große Ehre seyn,
Daß euch, den Meister hat besiegt mein Glück.
Kommt, trinkt versöhnt aus meiner Schale Wein,
Und schaut auf mich liebreich mit Freundes Blick;
Denn all dies Gold, ich nenn' es nicht mehr mein,
Was ich gebracht um hier es zu verlieren,
Kann einzig euch als rechtem Herrn gebühren.

Als ob ein Zauber lähmend ihn befangen,
So stand der Pförtner lange regungslos,
Bis endlich Thränen aus den Augen drangen,
Er heftig rief: O süßer Spielgenoß!
Wie konnt' ich eure Huld also erlangen,
Daß ich erprüft, die Gnade fürstlich groß.
Nun wollt mir eines gnädig noch gewähren:
Laßt als mein Gast euch morgen von mir ehren.

Drauf sagte Flore: leicht ist zu erfüllen
Was ehrend mich, noch dienen mag vielleicht
Den liebsten Wunsch in meiner Brust zu stillen;
Drum wenn die Nacht dem Glanz des Tages weicht,
Komm' ich nach meinem mehr, als eurem Willen.
Der Jüngling geht; der Alte sinnt und schweigt,
So reich beschenkt ist er nicht Goldes satt,
Bis er den Wunderbecher auch noch hat.

Der dünkte ihm das allerhöchste Gut,
Nach dem sein Herz je Sehnsucht noch empfand,
Und heißer brannt ihn der Begierde Glut
Am Morgen, als den Becher in der Hand
Der Jüngling naht: habt ihr zum Schach heut Muth?
Rief er ihm zu, als er ihn kaum erkannt;
Und Flore sagt': ich eilte so zu kommen,
Daß ich in Eil' kein Gold mit mir genommen.

Dem Alten winkt der glühend rothe Schein,
Den Sonnenstrahlen im Pokal entzünden,
Und Flore füllt mit blinkend gold'nem Wein
Die Schal' und sagt: laßt allen Unmuth schwinden,
Und laßt uns heut von Herzen fröhlich seyn.
Der Alte spricht, mögt Lust am Spiel ihr finden,
So sagt wie hoch ihr euer Kleinod schätzt,
Das wird von mir in baarem Gold gesetzt.

Nein, sagte Flore, lassen wir das Spiel,
Es ziemt mir nicht den Becher zu verlieren.
Der Alte sieht sich traurend, weit vom Ziel,
Und kann im Leid sein Herz nicht mehr regieren.
Der Prinz sprach, dem des Pförtners Qual gefiel:
Wollt nach der Mahlzeit Krieg im Schach ihr führen,
So geh' ich dann, und bringe her mein Gold,
Und wir versuchen wem das Glück heut hold.

An Gold nur kann der karge Pförtner denken,
Das bei der Mahlzeit recht sein Herz bestrickt,
Nicht vom Pokal kann er die Augen lenken,
Und wenn er sinnend auf den Becher blickt,
Fühlt er ein Weh in seine Brust sich senken
Das ihm das Herz in Angst beinah zerdrückt.
Ihm dünkt er muß die gold'ne Schal' erlangen,
Sonst kühlt ihm nichts das brünstige Verlangen.

Der Jüngling sah wohl der Begierde Flammen,
Worin der Alte tödtlich fast bedroht,
Mühsam bringt der die Worte nur zusammen,
Womit dem Prinzen tausend Mark er bot;
Ja er verrieth sein gieriges Entflammen,
Und sprach, wenn selbst zu klein noch das Gebot
Dem Jüngling für den Becher dünken sollte,
Er auch noch mehr dafür ihm zahlen wollte.

Und Flore sprach: mir ward er so zu Theil,
Daß jeder Preis im Kaufe zu gering
Und Schande wär' mirs böt' ich je ihn feil;
Doch sagt er schlau: als ich die Schaal' empfing
Da war verloren meines Lebens Heil;
Und in der Nacht die meine Seel' umfing,
Hab' ich als Gabe sie dem Freund gelobt,
Deß Liebe sich am treusten mir erprobt.

Nun rief der Alt' in Wahnsinn fast versunken,
Wenn je mein Herz zu wanken sich erfrecht,
So sprach der Pförtner, in Begierde trunken,
So strafe mich des Himmels strengstes Recht.
Und seht mich, nun zu Füßen euch gesunken,
Gelob' ich mich euch als leibeigner Knecht,
Und wähnte wohl, daß Gott mich von sich stieße,
Wenn in Gefahr ich jemals euch verließe.

Gebt eure Hand und laßt darin mich schwören,
Nun kann mich nichts von eurem Dienst mehr scheiden,
In Treu' muß ich nun ewig euch gehören
Muß jede Noth um euch geduldig leiden;
Nie darf mein Herz sich wider euch empören,
Nie darf ich um Gefahr euch furchtsam meiden.
Da ich als eigner Mann mich euch ergeben,
Gehört mein Thun euch wie mein ganzes Leben.

Und Flor' in Thränen lächelt seelig froh,
Da er den Pförtner nun so treu sich weiß:
O wohl, Daries, riethest du mir so,
Durch deinen Rath erring' ich nun den Preis,
So sprach der Jüngling dessen Schmerz entfloh:
O wohl, auch mir! In treuer Liebe heiß,
Hab' ich so wunderbarlich gut gespielt,
Daß nun mein Spiel den höchsten Preis erzielt.

Zum Pförtner neigt er sich, ihn zu umfangen,
Dann bittet er ihn liebreich aufzustehn,
Aus seiner Hand das Kleinod zu empfangen.
Lang muß der Alte den Pokal ansehn,
Das Gold kühlt ihm sein brünstiges Verlangen,
Und lindert seines Busens scharfe Wehn;
Tief athmend spricht er freundlich: nun sagt an
Welch lieben Dienst ich euch nun leisten kann?

Und Flore sprach: den Kummer lang getragen,
Die Quaal so lang' in treuer Brust verschlossen
Will ich euch nun mit froher Hoffnung sagen;
Ach, wüßtet ihr wie schmerzlich heiß geflossen
Die Thränen sind, in meinen nächt'gen Klagen,
So hoff' ich würd' mein Paradies erschlossen;
Ihr ließt mich ein zur süßesten Freundinne,
Die ganz mein eigen durch die Kraft der Minne.

Nun möge Gott doch eurem Sinn gebieten,
Daß ihr treu haltet was der Mund erst schwur,
Und gern euch mögt zum lieben Dienst erbieten:
Da mir entrissen wurde Blanscheflur,
Weil Haß und Neid so grausam uns verriethen;
So laßt mich ein zur holden Kreatur,
Um sie zu sehn, müßt ihr mir Beistand geben,
Wollt ihr im Ernst mir fristen noch das Leben.

Bei dieser Red' erschrak des Pförtners Herz.
Weh! rief er traurig, ihr verderbt uns beide,
Und Flore seufzt im tiefen Seelenschmerz,
Und spricht: bedenkt die Qual so ich erleide;
Ist euch das Herz im Busen nicht von Erz,
So helft, daß ich von meinem Jammer scheide.
Der Alte klagt, wie ich den Schwur bereue,
So darf ich doch nicht brechen meine Treue.

Mir hilft es nicht nun ängstlich zu verzagen,
Zeigt das Geschick sich feindlich auch und böse,
Drum schließ' ich in mein Herz die bittern Klagen,
Und sinne nur wie ich die Eide löse;
Das kühnste Unternehmen will ich wagen,
Damit ich euch von Liebespein erlöse,
Ihr sollt hinein, ihr müßt die Freundin sehn,
Mag mir hernach das Aergst' auch drum geschehn.

Nach dreien Tagen, merkt die Rede gut,
Kommt her zum Thurm', und thut nach meinem Rath:
Tragt ein Gewand so roth wie Rosenblut;
Wenn so gekleidet ihr dem Thurme naht,
Dann stählt das junge Herz mit Heldenmuth;
Wir unternehmen dann die kühnste That,
Wodurch vielleicht ihr euer Heil erwerbt,
Doch auch vielleicht schmachvoll mit mir verderbt.

Als Flore diese Trostesworte hörte
Schlug froh sein Herz, und seine Wang' erglühte.
Ach! keine Furcht vor Todesqual zerstörte
Der Liebe Muth im zärtlichen Gemüthe,
Das eigen ganz der Minne angehörte;
Ein sanfter Thau fällt auf die Rosenblüte,
Die Stimme wird, der Blick so zärtlich lind,
Vor Liebe weinend spricht das holde Kind:

Es mög' euch Gott die selt'ne Treu belohnen,
Die muthvoll euch, mir edel dienen heißt.
Die euch bewegt euch selber nicht zu schonen,
Damit ihr mich der Marter nur entreißt,
Und ich gelange zu der Wonne Kronen.
Ich werde thun wie ihr mich unterweis't;
Drei Tage leidet nun mein Herz noch Pein,
Dann führt ihr mich zu seel'ger Wonne ein.

So schieden sie, und Flore ging zur Stadt
Nun dünkt in Sehnsucht ihm noch weit sein Ziel,
Als ihn Daries freundlich sagen bat,
Wie mit dem Pförtner ihm gelang das Spiel.
Der kluge Greis hört sinnend auf den Rath
Des schlauen Pförtners, der ihm wohl gefiel.
Er sorget selbst, daß man Gewand nun schneidet
Und Floren roth wie rothe Rosen kleidet.

Wohl! ruft der Jüngling, wohl! es muß gelingen;
Dann flüstern leise ängstliche Gedanken:
Doch wenn des Pförtners Herz nun Sorgen zwingen,
Und Furcht ihn lehrt an seiner Treue wanken,
So daß die Hoffnungen mir untergingen:
Nein, spricht er dann, nicht soll mein Herz erkranken
In schnöder Furcht; ach, möchte nur entschweben
Die Sonne, und die Nacht mir Ruhe geben.

Bei Nachte seufzt dem Tag er dann entgegen
Und jede Stunde mehrt sich ihm die Qual,
Wenn sich die Morgenwinde sanft bewegen,
Die Stern' erblassen vor des Tages Strahl;
Wenn kaum die Vögel ihren Fittich regen
In Traum noch leise zwitschern allzumal,
Dann springt er auf, sein Lager schon zu meiden:
So heiße Qual der Sehnsucht muß er leiden.