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Flore und Blanscheflur

Ein episches Gedicht in zwölf Gesängen.

Zwölfter Gesang.

Wie oft doch wechselt süße Lust und Pein,
So sprach der Ritter, heut' in unsern Herzen,
Wir sahen eben bei der Sterne Schein
Umschwebt den Jüngling von Gesang und Scherzen;
Und schon dringt neues Leiden auf ihn ein,
Es fühlt auf's neu' der junge Busen Schmerzen,
Die ihm bethau'n das Angesicht mit Thränen,
Da kaum gestillt der inn'gen Liebe Sehnen.

Oft muß ich in Betrachtung mich versenken,
Wie gleich und ungleich alle Liebes-Sagen,
Nie wollte Minne ihre Kronen schenken
Dem, der nicht ihre Leiden auch ertragen;
Ja wer getäuscht sich früh beglückt will denken,
Muß plötzlich jammernd in der Pein verzagen,
Wie uns des kühnen Iwains Schmerz belehrt,
Dem Minne scheinbar frühe Huld gewährt.

Doch ach! wie bald schweift er durch Waldes Dunkel,
Vernimmt nur halb wie süß die Vöglein singen,
Dann flimmert vor ihm silbernes Gefunkel,
Er hört im Fels Gewässer rauschend klingen.
Schwach dämmert auf durch inn're Nacht und Dunkel
Erinn'rung so, wie schnelle Lichter dringen
Durch Baumes-Wipfel, zartes Moos erreichen,
Die mächt'ge Schatten wieder gleich verscheuchen.

Und wieder steht vor ihm die hohe Linde,
Den Fuß umspielt von schäumenden Kristallen,
Es säuseln in den Blättern laue Winde,
Gesang hört er von allen Zweigen schallen.
Nun zwingt Erinn'rung ihn, daß er empfinde,
Wie Ehr' und Liebe von ihm abgefallen,
Erneut in ihm wird Liebe so wie Schmerz,
Wahnsinn ergreift mit wilder Qual sein Herz.

Er faßt die Bäume in des Herzens Toben,
Die festen Wurzeln werden los gerüttet,
Und alle Vögel die gesungen droben,
Samt Laub und Blüten in das Gras geschüttet;
Dem Wind entgegen stürmt sein fruchtlos Toben.
Im grausen Wahn der ihm den Sinn zerrüttet,
Ruft Baum und Quell, Wind, Donner ihm stets zu:
Von Ehre, Liebe, Licht verbannt bist du.

So Minne die ihm gütig erst geschienen,
Jagt ihn nun wild umher in wüsten Räumen,
Mit schweren Bußen muß er Huld verdienen;
Und lange wollte Minne zögernd säumen,
Eh' inn'res Licht ihm wiederum geschienen,
Eh' er erlös't ward von den wilden Träumen,
Die Gattin liebend wieder ihn umschlingt,
Sein alter Ruhm in neuer Weise klingt.

Doch schnell entfliegen laß ich Iwains Bild,
Längst ist vertilgt schon seines Schmerzes Spur;
Es sprach die Frau: Nicht ist das Leid so wild,
Das Flore kränkt und seine Blanscheflur;
Die Minne ist der jungen Brust ein Schild,
Drum treffen halb des Schmerzes Pfeile nur;
Still unterdrückt der Jüngling seine Peinen,
Weil er drum sieht die Freundin zärtlich weinen.

Gefaßt nahm er des holden Mägdleins Hand,
Trat vor dem Thron des Amerales hin,
Und sprach: »O Herr! dir ist mein Leid bekannt,
»Du weißt daß ich jetzt Spaniens König bin,
»Drum gieb mir Urlaub nun, daß ich mein Land
»Begrüßen mag, und dankbar wird der Sinn
»Der großen Huld Gedächtniß stets bewahren,
»Die du mich ließest, hoher Herr, erfahren.

»Es fühlt der Ameral sein Herz bewegen,
»Die stolzen Augen schmerzlich sich befeuchten;
»Soll ich dich nicht mehr, spricht er, liebend hegen,
»Soll mir dein Auge freundlich nicht mehr leuchten,
»Wird täglich neu der Schmerz sich mir drum regen,
»Und traurend wird es meiner Seele däuchten,
»Hast du dich selbst entrissen meinen Armen,
»Daß einsam ich an Freuden muß verarmen.

»O nie bis jetzt hat mir solch schmerzlich Weh'
»Den festen Sinn, das kühne Herz durchdrungen,
»Gieb auf das Land jenseits der wilden See;
»Manch Opfer hat die Woge schon verschlungen,
»Drum bleib' bei mir und meide jedes Weh',
»Sprich ja, und ist dies Wort mir nur erklungen,
»So krönt dich freudig meine will'ge Hand,
»Und schenkt dir mehr als du verlierst an Land.«

Es herrscht im Saal ein ehrfurchtvolles Schweigen,
So lange bis der Herr sein Wort vollendet;
Doch nun darf sich die Liebe offen zeigen,
Die jedes Herz dem Jüngling zugewendet.
»Laß deinen Sinn, so sprachen viele, beugen,
»Und da der Ameral dir hat gespendet
»So große Huld, so hör' auf unsre Bitten,
»Entreiß dich nicht aus deiner Freunde Mitten.

Doch Flore sprach: »Von jenseits klingt der Ton
»Der lieben Mutter lockend mir herüber,
»Oft fühlt' ich traurend ihn im Herzen schon,
»Es führten Träume mich nach Spanien über;
»Sie weint zu lang um den entfernten Sohn,
»Es zieht die Liebe mich zu ihr hinüber,
»Und um zu end'gen einer Mutter Klagen,
»Muß ich nun scheidend Lebewohl euch sagen.

Da nicht der Prinz ihr Bitten will gewähren,
Kein Flehn vermag die Reise abzuwenden,
Entströmen manchem Auge bitt're Zähren;
Als gäben sie ein Kleinod aus den Händen,
Das sie mit höchsten Schmerzen nur entbehren,
Um unbekannten Freunden es zu spenden,
So dünkt es sie: »Ach! sprachen sie zu beiden,
»Ihr kränkt uns schwer, da ihr von uns wollt scheiden.

Der Ameral sprach: »Traurend muß ich klagen,
»Daß nicht dein Herz mein Lieben hat erkannt,
»Doch sollen drum die Reise nicht beklagen,
»Die man um dich zu suchen ausgesandt.
»Als mein Geschenk soll jeder künftig tragen
»Köstlich Geschmeid' und fürstlich reich Gewand,
»Und auch für dich als Zeichen meiner Gnaden,
»Heiß' ich mit Gold zehn Rosse reich beladen.«

Drauf küßt er Blanscheflur auf Stirn' und Wangen,
Und drückte Flore zärtlich an die Brust,
So hatten beide Urlaub nun empfangen;
Und weil zu schwer ihm wurde der Verlust,
War aus dem Saal der Fürst hinweggegangen.
Schmerz regt in Flore sich gemischt mit Lust,
Als er noch einmal nun mit beiden Armen,
Fest, innig, eilt Daries zu umarmen.

Und Blanscheflur nimmt Abschied von der Schaar
Der holden Frau'n, küßt jede auf den Mund;
Doch als sie nun allein mit Klaris war,
Da wurden ihr der Trennung Schmerzen kund.
»Als ängstlich, sprach sie, mich bedroht Gefahr,
»Als mir das Herz in Lieb' und Sehnsucht wund,
»Da weintest zärtlich du um meine Leiden,
»Drum muß ich jetzt in Thränen von dir scheiden.

Die Rosse standen stampfend schon das Gras,
Die Diener sprachen, alles ist bereit;
Nun wurden Blanscheflurens Wangen blaß,
Und Florens Aug' umschattet Traurigkeit;
So viele Wimpern netzt ein schmerzlich Naß
Als Zeichen nun der inn'ren Zärtlichkeit,
Daß mancher König wohl schon ward begraben
Den nicht beweint so vieler Augen haben.

Als endlich alle auf den Rossen saßen,
Und durch die Pforten des Pallastes zogen,
Da drängte sich in Babiloniens Straßen
Das Volk in Schaaren wie in großen Wogen.
Es will sie niemand ohne Abschied lassen,
Weit vor das Thor sind viele mitgezogen:
»Es schütz' euch Gott, er mög' euch gnädig pflegen!«
So tönt ihr Ruf, als allgemeiner Seegen.

Und Flore reitet seelig nun zurück
Denselben Weg, den er voll Sorgen kam,
Und führt sie mit sich deren Liebesblick
Die Schmerzen all' aus seinem Busen nahm,
Die weit hinweg durch feindlich Mißgeschick
Zu seiner Qual von seiner Brust entkam;
Nun in Triumph nach heimathlicher Flur,
Führt er zurück die holde Blanscheflur.

Und innig ward sein Herz noch oft gerührt,
Er drückte zärtlich seiner Freundin Hand,
Wenn er die Orte wieder nun berührt,
Wo er die Spuren ihrer Reise fand.
»Wie treu, sprach er, hat Minne mich geführt.
»Sie hat den Sinn des Amerals gewandt;
»Weil ich ihr stets geweiht mein ganzes Leben,
»Hat sie mir nun den schönsten Lohn gegeben.

Ein Diener sprach: »Es weidet' einst die Schafe
»Der Musen-Gott dem Kön'ge unbekannt,
»Weil die Cyklopen sanken seiner Waffe,
»Geschleudert zornig von des Gottes Hand,
»Hat Jovis Wort zur Buss' ihn und zur Strafe
»Von gold'nen Höhen des Olymps verbannt.
»So dünkt ein Gott im Prinzen mich verborgen,
»Der bald entschwebt; drum muß ich ängstlich sorgen.

Ein And'rer sprach: »Uns lehrt der Vorwelt Kunde,
»Wie dem Admet Apoll als Freund ergeben;
»So dünkt mich Flore mit dem Gott im Bunde,
»Drum seht ihr Liebreiz zaubernd ihn umschweben,
»Und jeder Bitt' aus seinem ros'gen Munde,
»Würd' euer Herz vergeblich widerstreben;
»Wie dem Admet der Gott einst wollte dienen.
»So ist er Floren hülfreich auch erscheinen.

»Mit Götterkraft einst für Admet verscheuchen
»Wollt' er die Drachen von gewohnter Spur,
»So List, Gewalt, als Zauber mußten weichen,
»Und Flor' erreicht die holde Blanscheflur.
»Doch nun bedarf er höchster Gnade Zeichen,
»Als man ihn fing, da rettet einzig nur
»Des Gottes Huld, der wundersüßen Klang
»Der Stimme lieh', die jedes Herz bezwang.

Ein And'rer sprach: »Ist er so hoch erhoben,
»Ist ihm der Gott gleich dem Admet ergeben,
»So werden wir des Mägdleins Treu' erproben;
»Will einst sein Geist zur Schattenwelt entschweben,
»Wird sie für ihn dem Tode sich geloben,
»Ein zwiefach Leben wird ihr Liebling leben.
»Sie wird hinab gern zu den Schatten steigen,
»Der Nacht sich beigesell'n und ew'gem Schweigen.

»Und wie nach Babilon würd' er dann eilen,
»So riefen all', hin zu des Orkus Strande,
»Des Styxes Fluten würde Charon theilen,
»Die träg' hingleiten zu dem dunklen Lande,
»Wo Blanscheflur nicht lange durfte weilen.
»Es lös'te Pluto willig ihre Bande,
»Weil Florens Wort ihm leicht das Herz durchdränge,
»Er so den Gott gleich Babels Herrn bezwänge.«

In den Gesprächen ward ein Schiff bestiegen,
Die sanften Winde zeigten sich gewogen,
Die Segel schwellend, indeß lind sich wiegen
Im weiten Raum die glatten Silberwogen.
Kein schwarz Gewölk ist drohend aufgestiegen,
Rein blieb und klar der blaue Himmelsbogen,
Und eh' die Sonn' in dunkle Flut kann sinken,
Sah' man schon matt so Mond als Sterne blinken.

Zu Spaniens Küste war der Kiel geschwommen,
Und kaum berührten sie des Ufers Grün,
Erschallt ein jauchzend tausendfach Willkommen;
Man sah die Freud' in aller Augen glühn,
Die sie begrüßend hin zum Strand gekommen.
Nun wird uns neu so Heil als Seegen blühn:
So riefen all'. »Gott möge dich erhalten,
»Dein erblich Land nun würdig zu verwalten.«

Das Freudejauchzen tönt von Ort zu Orte
Bis seines Landes Hauptstadt sie erreichen,
Bis sie nun stehn vor des Pallastes Pforte,
Wo ihn empfängt mit höchster Liebe Zeichen,
In Thränen stumm, die mehr beredt als Worte,
Gleich hellen Perlen von den Wangen schleichen,
Die Königin; sie drückt in seel'ger Lust
Den theuren Sohn fest an die treue Brust.

Und Blanscheflurens Mutter eilt herbei,
Ihr süßes Kind mit Thränen zu umarmen:
»Des Himmels Gnade steht mir hülfreich bei,
»Rief sie, ich fasse dich in meinen Armen;
»Von langer Qual ist nun mein Busen frei,
»Aus höchster Mild' und göttlichem Erbarmen
»Ward mehr als ich verdient mir heut gegeben;
»Den Herrn zu preisen will ich fortan leben.

Als des Entzückens Taumel war zerronnen,
Der Freude Wogen sich gelinder regen,
Da sprach der Prinz: »Ernstlich sei drauf gesonnen,
»Daß wir mit Würde nun der Krone pflegen.
»Drum sei nach altem Brauch damit begonnen,
»Daß um den Schwur der Treu' mir abzulegen,
»Die würdigen Vasallen sich vereinen,
»Um vor mein Antlitz huld'gend zu erscheinen.«

Als den Befehl der König ausgesprochen,
Ward es mit Eil' im Lande kund gethan:
Es soll'n die Lehn auf's neue nach sechs Wochen
Die Kron-Vasallen von dem Herrn empfahn,
Wenn ihm zuvor ihr Eid die Treu' versprochen.
Man sah die Fürsten mit Gepränge nah'n.
Doch konnte leicht das Auge unterscheiden,
Die übermüth'ge Pracht der stolzen Heiden.

Man sah die Fahnen in der Luft entrollen,
Posaunenton klingt in des Windes Weh'n,
Als sie dem Kön'ge all' nun huld gen wollen,
Liebend bereit im weiten Hofe stehn,
Mit will'gem Knie dem Jüngling Ehrfurcht zollen,
Als sie ihn endlich auf dem Altan sehn.
Laut tönt der Ruf, als lächelnd er erschienen,
»Stets laß uns Gott so edlen Herrn verdienen.«

Und Flore sprach: »Demüthig hat erkannt
»Mein Sinn den wahren Gott im Himmel droben,
»Der mild in Licht die Finsterniß gewandt,
»Drum soll mein Herz den Einzigen nur loben;
»Von seiner Mild' aus gnadenreicher Hand,
»Ob unwerth auch, empfing ich tausend Proben.
»Sein heil'ges Wort ward liebend mir verkündet,
»Für ihn mein Herz in reinster Glut entzündet.

»Und ach! weß Herz ist wohl so grausam wild,
»Wenn es ihn denkt wie er gekreuzigt starb,
»Wie er im Tod' aus höchster Liebe mild
»Für uns um Gnade seines Vaters warb,
»Sich selber gab der sünd'gen Welt als Schild,
»Damit sie nicht an Satans List verdarb;
»Und sich für uns zum Opfer wollte spenden,
»Daß er noch wild sich könnte von ihm wenden?

»Drum seid ihr mir in inn'rer Seele treu,
»Fleht Jesum an, daß er voll Huld und Gnaden
»Das Herz euch mach' vom sünd'gen Wahne frei,
»Womit ihr es abgöttisch überladen.
»Dann steht er euch erleuchtend mild wohl bei,
»Und ihr sehnt euch die Sünd' hinweg zu baden,
»Wie mir gebietet meines Herzens Glut,
»Durch heil'ger Taufe silberreine Flut.«

Zum Kön'ge ward ein Bischoff nun gerufen,
Dem frommen Greis' entträufeln milde Zähren,
Als still er sieht an des Altares Stufen
Den Jüngling knien voll brünstigem Begehren.
»Euch hat der Herr, sprach er, zum Heil berufen,
»Er wollte Trost der Christenheit gewähren,
»Und froh befolgend Gottes heil'gen Willen,
»Eil' ich die fromme Sehnsucht euch zu stillen.«

Beglückend ward der Taufe Heil gespendet
Dem Kön'ge erst, dann tausend tausend Heiden;
Sie glauben Flore sei von Gott gesendet,
Daß sie der Wahrheit Bahn nicht länger meiden.
Zum Kreuz des Heilands sind nun viel gewendet,
Durch deren Haß, so Schmerz als bitt'res Leiden
Die Christenheit vor kurzem noch gewann;
Sie beten nun in Demuth Christum an.

Nun eilte man den neuen Herrn zu krönen,
Und leistet ihm entzückt der Treue Schwur;
Der Liebe Ruf hört jauchzend man ertönen:
Gott segne stets so Flor' als Blanscheflur,
Es mög' ihr Leben jedes Glück verschönen!
Und Flore wartet still sehnsüchtig nur,
Eh' er sich zu der holden Freundin wendet,
Bis sich der Freude lauter Taumel endet.

Doch nun lohnt ihm mit höchstem Glück die Minne.
Nun darf er Lust aus ihrem Auge trinken,
Er faßt die Hand der lieblichen Freundinne,
Und wähnt im Meer der Wonne zu versinken.
Ein gold'ner Glanz verblendet ihm die Sinne,
Ihm ist als ob ihm seel'ge Engel winken,
Und innerlich tönt ihm des Himmels Chor;
So führt er sie hin zu des Münsters Thor.

Die reichen Fürsten folgten seinem Zug;
Und Christen die sich traurend nicht mehr härmen,
Was Flur und Garten nur an Blumen trug,
Das bringen die herbei mit frohem Lärmen,
Daß Windes Flügel süße Düfte schlug,
Als sie mit Blumen durch die Gassen schwärmen,
Um auf den Weg nun freudig sie zu streu'n,
Der Floren führt zum hohen Münster ein.

Die Kirche war im reichsten Schmuck gezieret,
Ein Bischoff stand an dem Altar bereit;
Als kaum des Königs Fuß die Schwelle rühret,
Ertönt ein Chor in voller Herrlichkeit,
Deß sanfter Strom, der mild die Herzen rühret,
Sie ahnden läßt die ew'ge Seeligkeit.
Die heil'ge Messe ward also gesungen,
Und jedes Herz von Andacht heiß durchdrungen.

Mit Würde war der Gottesdienst begangen,
Nun fleht der König um der Kirche Seegen.
Der Bischoff stillt sein brünstiges Verlangen,
Will beider Hände ineinander legen.
Nun haben sich in heil'ger Eh' empfangen,
Die sich so innig liebend mußten hegen;
Er führt die Gattin zum Pallast zurück.
Ihm aus den Augen strahlt sein himmlisch Glück.

Denn nun darf er ihr Spaniens Krone geben,
Und sie erheben auf den Königs Thron.
Das süße Weib mit wonniglichem Beben
Denkt, nun ist Leid aus meinem Kreis' entfloh'n,
Und gold'ne Wonnen seh' ich mich umschweben,
Mir naht' die Lust der seel'gen Engel schon;
Der Wonne Strom ist durch mein Herz geflossen,
Das Paradies ward neu mir aufgeschlossen.

Manch festlich Spiel sah man nun wohl bereiten
Dem Volk und Adel, kühnliches Turnieren,
Gesang und Tanz sich um den Vorrang streiten;
Doch Florens Herz kann solche Lust nicht rühren,
Er sitzt in Liebe Blanscheflur zur Seiten,
Kann nicht sein Herz vor Wonne mehr regieren,
Und weint mit ihr die allersüßten Thränen,
Um nur zu lindern seines Busens Sehnen.

Doch endlich muß der Feste Lärm verrauschen
Und sie umgiebt der Liebe Liebstes, Stille;
Nun zärtlich träumend können beide lauschen,
Auf süße Red', und süßer Liebe Wille.
Wann Blick' und Küsse ohne Wort sie tauschen,
Dann lebt ihr Herz in anmuthreicher Stille:
Die Seele wähnt sich glühend erst durchdrungen,
Seitdem sie beid' als Gatten sich umschlungen.

Und Blanscheflurens Mutter still gesonnen,
Hat die, wie Gott ihr große Huld gewährt.
»Weil meiner Jugend Glanz, sprach sie, zerronnen,
»So bitt'res Leid das Herz mir oft beschwert,
»Dadurch ist mancher Heide nun gewonnen,
»Und Christus Schaar um Tausende vermehrt.
»Es führte Gott als Sclavin mich hier ein,
»Um durch mein Kind die Christen zu befrei'n.«

Als reiflich dies ihr frommer Sinn erwogen,
Will sie nicht länger in der Welt mehr leben,
Als bis sie sieht auf Säulen und auf Bogen
Ein geistlich Haus zu Gottes Ehren schweben.
Bald wurde dies nach Florens Wort vollzogen,
Den kühnen Bau sah man zum Himmel streben;
So Kirch' als hundert Zellen steh'n erhoben,
Für hundert Jungfrau'n, Gott darin zu loben.

Nun, sprach die Fromme, inniglich gerührt:
»Verschwunden ist so mein' als eure Pein.
»Gott der uns gnädig bis hieher geführt,
»Mag ferner auch euch Trost und Schützer seyn.
»Nur der Betrachtung, wie so mild regiert
»Uns seine Huld, will ich mein Leben weih'n;
»Noch heut die Welt und ihre Täuschung meiden,
»Doch wird mein Seegen nimmer von euch scheiden.«

Und Flor' und Blanscheflur, zärtlich mitsammen
Verleben Tage, Wochen, Monden, Jahre,
Und stets sind gleich der inn'gen Liebe Flammen,
Daß selt'ne Treu' erstaunt die Welt erfahre;
Auf daß die Glut die früh sie ließ entflammen,
Ihr Herz in Reinheit immerdar bewahre,
So durfte nie in all' den Lebensstunden
Ein kränkend Wort den andern je verwunden.

Doch sind sie immer ohne Kind geblieben,
Bis endlich sie der höchste Herr erfreut;
Am Weihnachtstage wollt' es Gott gelieben,
Daß er belohnt die reinste Zärtlichkeit.
Es seegnet drum ihr innig treues Lieben,
Die höchste Lieb' in seegenvollster Zeit;
Nachdem sie glücklich zwanzig Jahr vermählt
Und fünf und dreißig schon ihr Leben zählt.

Da ward ihr holdes Töchterlein geboren,
Bertha hat sie der Eltern Wunsch genannt,
Die einst Pipin sich zum Gemahl erkohren;
Es ward ihr Name glorreich weit bekannt,
Tönt süß melodisch in der Gläub'gen Ohren,
Die sich zum Kreuz vertrauungsvoll gewandt;
Denn ewig lebt der Ruhm auf allen Zungen
Des Helden, der aus Berthas Schooß entsprungen.

Der große Karol, der die Welt entzündet,
Daß sie in wahrer Gottes-Lieb' entbrannt,
Deß Macht gewaltig Christus Wort verkündet,
Die wilden Heiden zügelnd überwand,
Der Wahrheit Reich durch Wort und Lehre gründet,
Als willig horchend sich gefügt das Land:
Er ist die Frucht so seelig reiner Triebe,
Er ward erzeugt durch süßer Blüten Liebe.

Sanft schwinden Flor' und Blanscheflurens Tage,
Ihr Athmen wird dem Volke reicher Seegen.
Ihr milder Blick stillt tröstend jede Klage,
Es will den Schmerz ihr Aug' in Fesseln legen.
Wenn hülfreich sie verscheucht der Armuth Plage,
Von Herzen die sich schwer gedrückt bewegen,
Wann milder Trost den Leidenden erschienen,
Dann lächeln sanft die holden Engelsmienen.

So lebten beid' in Liebe hundert Jahre;
Wie sie geboren, so sind sie gestorben.
In einer Stunde, und auf einer Bahre
Ward für sie beid' ein einig Grab erworben.
»Gott segne dich, so daß er dich bewahre,
Dies sprachen sie zuletzt, eh' sie gestorben;
Und Gott erhörte, vor der Seelen Scheiden
Dies inn'ge Flehn, wohl den Getreuen beiden.

Nun dienen sie mit Glorie wohl umgeben,
Als lichte Engel längst vor Gottes Thron,
Und müssen dort in ew'ger Wonne schweben;
Sie finden nun der Liebe seel'gen Lohn,
Der sich ihr Herz auf Erden schon ergeben:
So sprach die Frau im wehmuthssüßen Ton,
Und endet nun von Flor' und Blanscheflur,
Da Dämmrung schon beinah' umhüllt die Flur.

Und still ist jeder in sich selbst versunken,
Hegt zärtlich träumend liebende Gedanken,
Sie haben all' von süßem Gift getrunken,
Und fühlen sich im linden Schmerz erkranken.
Doch macht dies Weh' ihr Herz so wonnetrunken,
Daß sie der Minne für die Gabe danken;
So schauten alle sinnend vor sich nieder
Da sprach die Frau mit süßer Stimme wieder.

Schon alle Wolken die so mild erglänzten,
Im rothen Feuer leuchtend erst geblüht,
Wie Rosen die des Himmels Saum umkränzten,
Sie sind im warmen milden Duft verglüht,
Und dienten nur daß sie die Pracht ergänzten
Der Sonne die versinkend Strahlen sprüht.
Die farb'gen Blumen haben Thau genossen,
Und müde Augen träumend nun geschlossen.

Das zeigt uns an wir müssen von den Bäumen,
Von Bach und Blumen, von dem Ort nun scheiden,
Wo uns umschwebt der Liebe süßes Träumen.
Der Ritter seufzt, er fühlt ein herbes Leiden,
Und darf doch nicht im Garten länger säumen,
Der Schmerz des Abschieds läßt sich nicht vermeiden,
Doch will er vor der Trennung es noch wagen,
Sein Liebesweh der holden Frau zu klagen.

Und als sie wandeln durch die dunkeln Gänge,
Die alten Bäume leise rauschend flüstern,
Da sprach er sanft: »Wenn es mir nun gelänge,
»In diesen süßen, anmuthreichen, düstern
»Baumlabyrinthen, liebliche Gesänge
»Dem großen Meister zärtlich nachzuflüstern,
»Dann möcht' ich hier sein Wort an dich noch richten,
»Ich sei Petrarc, und Laura du, erdichten.

»Viel tausendmal, o süße Kriegerinne!
»Bot ich mein Herz euch dar, damit mir Frieden. —
Vollenden kann ich nicht mit scheuem Sinne,
Ich wähne schon mich wie Petrarc gemieden,
Eh' ich mein zärtlich Klagen noch beginne.
O seelig Loos, dem Sänger hold beschieden!
Es wird sein Leid in jedem Busen leben,
Weil süß im Wohllaut seine Klagen schweben.

Er sprach im Schmerz: »Ich bin der Hoffnungslose,
Und weiß den Schmerz so lieblich zart zu klagen,
Daß mit der Tön' holdseeligem Gekose,
Wohl niemand darf den kühnen Wettstreit wagen.
Tief seufzend bricht der Ritter eine Rose,
Und spricht: Ich muß im stummen Weh' verzagen.
Noch hat die Frau kein Wort zu ihm gesprochen,
Nur eine Lilie sinnend abgebrochen.

Doch jetzt spricht sie: »Seht, dünkt euch nicht das Thor
»Des blauen Himmels weit nun aufgeschlossen,
»Im goldnen Glanz schwebend der Englein Chor,
»Die nach Gesang die Lippen kaum geschlossen,
»Deß leiser Nachhall noch berührt das Ohr;
»Und Blumen nun, im Paradies entsprossen,
»Zur Erde streu'n, wo sie gleich Lichtern schimmern,
»So Blum' als Baum mit gold'nem Glanz umflimmern.

»Und du stehst da ein leuchtend Heil'gen-Bild,
So muß der Ritter liebend Antwort sagen;
»Als Zeichen wie dein Herz so rein und mild,
»Soll deine Hand die weiße Lilie tragen.
»Für dich sind wohl auch sanfte Wünsche wild,
»Und Sehnsucht darf dir ihren Schmerz nicht klagen.
»Verstummen muß der inn'gen Liebe Qual,
»Da dich umleuchtet lichter Glorie Strahl.

Süß lächelnd sprach die Frau: »Mich zu entkleiden
»Vom falschen Glanz, tret' ich in dunkle Schatten;
»Die Nacht bricht ein, und seufzend muß ich meiden
»Die Wonnen all' die wir versammelt hatten,
»Da ich vom Garten traurend nun soll scheiden.
»Wir ruhten sanft auf frischen Blumenmatten,
»So Bäum' als Wasser rauschten, Sonn-Gefunkel
»Durchzitterte der Bäume lieblich Dunkel.

»Die Welt war mir geschlossen in dem Kreise,
»Der hier versammelt gütig wollte hören,
»Der Kinder Lieb' in holder Blumen Weise.
»O könnte mir der Wohllaut angehören,
»Der in Petrarca lebt in mancher Weise!
»Dann würde sich kein Sinn der Macht empören,
»Es würden lieblich meine Reim' erklingen,
»Und sanfte Glut wohl jede Brust durchdringen.

»Dann fänden all' ihr eignes Herz gespiegelt
»Die auf mein Wort im stillen Schatten lauschen,
»Ihr süß Geheimniß lieblich hier entsiegelt;
»Doch dann würd' ich die Melodien vertauschen,
»Und hätt' ich es dem inn'ren Sinn entriegelt,
»Wie Waldungen in einem Baume rauschen,
»Dann fühltet ihr die Liebe der Natur,
»Geschmiegt in zweien Blumen von der Flur.

»Doch da ich zaubrisch nicht vermag zu schildern,
»Seh' ich in Wehmuth beide Blumen blühn.
»In unsern Händen werden sie zu Bildern
»Der Flammen, so die Seele uns durchglühn,
»Um freundlich dein und meinen Schmerz zu mildern
»Soll deine Ros' an meiner Brust verblühn,
»Und was zwei Herzen zärtlich in sich tragen,
»Mag dir von meiner Hand die Lilie sagen.«

Sie reicht die Blume und ein Druck der Hand
Durchzitterte des seel'gen Mannes Brust.
Ob auch die Glorie nun vom Himmel schwand,
Er ihr vom Aug' auch scheiden nun gemußt,
Hat in dem Stern er doch die Lieb' erkannt;
Dadurch erbebt sein Herz in seel'ger Lust,
Die spielt um ihn wie lichter Sterne Funkeln,
Drum kann die Nacht sein Glück ihm nicht verdunkeln.

Im Garten ist der Liebe Ton verklungen,
In dunklem Schatten ruht er still versunken,
Die Vögel haben längst nicht mehr gesungen,
In nächt'gen Träumen wiegen sie sich trunken,
Und schwarz Gewölk am Himmel wild verschlungen,
Verlöscht nun bald der letzten Sterne Funken,
Gießt Regen strömend nieder viele Stunden,
Bis Finsterniß vor Morgenglanz verschwunden.