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Erstes Buch - Lyrische Gedichte.

von Gottfried August Bürger

Der große Mann

Es ist ein Ding, das mich verdreußt,
Wenn Schwindel oder Schmeichelgeist
Gemeines Maß für großes preist.

Du, Geist der Wahrheit, sag' es an:
Wer ist, wer ist ein großer Mann?
Der Ruhmverschwendung Acht und Bann!

Der, dem die Gottheit Sinn beschert,
Der Größe, Bild, Verhalt und Wert,
Und aller Wesen Kraft ihm lehrt;

Des weit umfassender Verstand,
Wie einen Ball mit hohler Hand
Ein ganzes Weltsystem umspannt;

Der weiß, was Großes hie und da,
Zu allen Zeiten, fern und nah,
Und wo, und wann, und wie geschah;

Der Mann, der die Natur vertraut,
Gleichwie ein Bräutigam die Braut,
An allen Reizen nackend schaut;

Und warm an ihres Busens Glut,
Vermögen stets und Heldenmut
Und Lieb' und Leben saugend, ruht;

Und nun, was je ein Erdenmann
Für Menschenheil gekonnt und kann,
Wofern er will, desgleichen kann;

Dabei in seiner Zeit und Welt,
Wo sein Beruf ihn hingestellt,
Durch That der Kunst die Wage hält:

Der ist ein Mann, und der ist groß!
Doch ringt sich aus der Menschheit Schoß
Jahrhundertelang kaum Einer los.