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Eulogius Schneider's ehemaligen Professors in Bonn etc. Schicksale in Frankreich.

von Christoph Friedrich Cotta

12.

Der zehnte August war auch wirklich der Tag, der die sämtlichen Entschlüße und Anschläge der Aristokraten auf einmal ganz zu zernichten schien. Mit der Absetzung des Königs, welche einzig das Werk der bisherigen Unklugheit seiner Anhänger war, kamen auch die meisten übrigen bisherigen Volksbeamten aus ihren Stellen. In alle Departemente wurden Commissarien geschickt, die den Auftrag hatten, die Beamten vorzunehmen, und sie in ihren Stellen aufs neu zu bestätigen, wenn sie die Absetzung des Königs genehmigen, oder sie ihrer Stellen zu entsetzen, wenn sie jenem Punkte beizutreten sich weigern würden. –

Als die Commissarien nach Strasburg kamen, fand sichs bald, daß die meisten der bisherigen dortigen Volksbeamten gegen die Absetzung ihres Königs waren. Dietrich hatte schon verschiedene Tage vorher in verschiedenen Versammlungen, die er deshalb veranstaltet hatte, sich bemühet, alle Strasburger auf seine Seite zu bringen, und sich der Absetzung des Königs ernstlich zu widersetzen. »Wir haben geschworen, hieß es, dem König und der von ihm angenommenen Constitution getreu zu seyn; und unsern Eid wollen und können wir nicht brechen, ohne meineidig zu werden.« Ein großer Theil der Bürger schlug sich sogleich auf Dietrichs  Seite; die Volksgesellschaft, die man aller bisher angewandten Mühe und aller Chikanen gegen die Mitglieder derselben ohngeachtet, nicht hatte vertilgen können, wurde nun auf des Maires Befehl geschlossen, unter dem Vorwande, um bei der dermaligen Krisis in Frankreich alle Veranlassung zu Unruhen so viel möglich zu verhüten etc. Zugleich legte er dem versammelten Gemeinderath zwei kleine Schriften vor, welche er, als gefährliche Libellen der nähern Untersuchung werth hielte. Die Eine war jenseits des Rheins wahrscheinlich verfertigt worden, und enthielt, wie ähnliche andere Brochüren mehr, die man zeither heimlich unter dem Volke zu verbreiten gesucht hatte, Aufforderungen an die Constitutionsfeinde etc.; die andere Schrift war über die Absetzung des Königs, und hatte Schneidern zum Verfasser.

Wer nicht geflissentlich die Augen zudrücken wollte, konnte Dietrichs Absichten bei der Sache leicht errathen. Einmal suchte er geflissentlich die beiden Schriften mit einander zu verbinden, und so zu zeigen, daß es ihm mit seinem Patriotism Ernst sey; sonst würde er ja die eine Schrift, die an die Aristokraten war, nicht vorgelegt und ihre weitere Verbreitung zu hemmen anbefohlen haben; dann aber wollte er durch die Verbindung, indem er Schneiders Schrift wie diese mit dem Namen Libell belegte, Schneider als den Verfasser der Einen, in Hinsicht seines Bürgersinnes, und zugleich mit ihm auch die Uebrigen, dem Volke verdächtig machen. Allerbisher angewandten Mühe ohngeachtet, konnte er diesen Zweck doch nicht ganz so erreichen, wie er gewollt hatte. Die ganz blinden Anhänger von ihm waren freilich längst davon überzeugt, weil ihr Herr Maire es gesagt hatte, Schneider sei ein Feind der französischen neuen Verfassung. Schneider sah die ganze feine Absicht seines Gegners ein, und sein Haß gegen ihn erhielt, wenn er nicht schon den höchsten Grad erreicht hate, hiedurch noch einen höhern Schwung.

Unglücklicher Weise erfolgte wenige Tage nach diesem Vorfalle die wirkliche Absetzung des Königs, die den Patrioten Gelegenheit genug gab, sich einmal an ihren Feinden zu rächen. Die nach Strasburg gekommenen Commissarien wurden halb von der ganzen bisherigen Lage der Dinge unterrichtet, besonders wie viele Mühe sich bisher Dietrich gegeben habe, das Volk zur Widersezlichkeit gegen die gegenwärtigen und künftigen Neuerungen aufzureizen; ferner daß er die Versammlung der Volksgesellschaft durch eine öffentliche Berathschlagung des Departementdirektoriums untersagt habe etc. Zum Ueberflusse wollte er, als die Commisarien die sämtlichen Beamten versammelt hatten, die Absetzung des Königs nicht unterschreiben, und das thaten denn auch alle seine Freunde mit ihm. Vorzüglich suchte Herr Popp Mitglied des Departementsdirektoriums, in einer öffentlichen Schrift zu weisen, daß er unmöglich ferner in dem ihm aufgetragenen Platze bleiben könne, ohne seinem Gewissen äusserst wehe zu thun etc.[1] Die Herren wurden also sämtlich, bis auf Burger, der sich erst auch mit in die Karte hatten mischen lassen, bald aber eines Bessern sich besann, ihrer Stellen entlassen.[2]

Die erledigten Stellen kommen nun in die Hände der Patrioten, und Schneider, nebst Jung, einem Schuster aus Strasburg, erhielten Ersterer die Maire’stelle und Letzterer die Gemeindeprokuratorsstelle zu Hagenau im Elsaß.

Schneider lebte auf Kosten der Gemeindekasse und ließ sichs in seinem neuen Plätzchen sehr wohl seyn. Er machte etwa ein Vierteljahr daselbst gewesen seyn, als er wieder nach Strasburg zurück gieng, wo er bald hernach öffentliche Ankläger des bürgerlichen Gerichts des niederrheinischen Departements wurde.


[1] Und doch nahm er nachher wieder ein Amt an.

[2] Dietrich sah, nach dem sich alles wider seine Vermuthung und seinem Willen so ruhig bey neue Veränderung unterworfen hatte, daß es von Tage zu Tage für seine körperliche Sicherheit mißlicher zu werden anfange; er hielt also fürs Beste, dem Ausbruche des Ungewitters noch bei Zeiten sich zu entziehen, und war also, ehe man sichs versah, in die Schweiz entflohen: Hier glaubte er den Gang der Dinge besser und sicherer abwarten und seinen Vortheil besser besorgen zu können. Er mag sichs wohl Geld und Mühe genug haben kosten lassen, durch Ehampy, eine seiner thätigsten Kreaturen, durch Roissette, Popp  etc. in Paris sich gute Freunde zu erwerben. Der Eifer, ihm zu nutzen, brachte die Herren zu Paris mehr als einmal in die Gefahr, von dem gegen sie aufgehetzten Volke auf den Strassen mishandelt zu werden; denn, wie Jedermann leicht vermuthen wird, die Gegner Dietrichs feierten eben so wenig auf ihrer Seite, Leute und Briefe an die Jakobiner, mit denen sie jetzt genau verbunden waren, zu schicken, und ihnen Dietrichs Gesandte als sehr verdächtige Menschen zu schildern. Indessen mußte es Dietrich äusserst darum zu thun gewesen seyn, sich wieder in Elsass zu befinden, sich dort durch seine eigne Gegenwart selbst gegen die ihm gemachten Anschuldigungen zu vertheidigen, und sich wieder Sicherheit und Ruhe zu verschaffen. Wenn woran ich fast nicht zweifle, sein Glaube an die Macht, welche sein großer Anhang jetzt noch in seinen Augen zu haben schien, ihn zu diesem Schritt ins Elsaß, also mitten unter seine gegen ihn so sehr aufgebrachten Feinde sich zurück zu begeben, bewogen hat; so muß ich gestehen, daß er sich darin mehr als in irgend einer andern Meinung betrog. Er kam also wieder nach Strasburg zurück; stellte sich vor Gerichte, und wurde wahrscheinlich losgesprochen werden seyn, wenn er nicht selbst und seine Freunde auf ein entfernteres und unpartheiisches Gericht sich berufen hätten. Er wurde also nach Besançon gebracht, und so viel Mühe sich auch Schneider und andre mehr gaben, ihn als Verbrecher darzustellen, von dem dortigen Criminalgerichte losgesprochen. (Siehe im Argos Nr. 45 v. J. 1792. Und Nr. 28 und 30. 1793.). Aber er blieb doch im Gefängnisse, und wahrscheinlich mit seinem eigenen Willen; denn er mochte noch immer bessere Zeiten erwarten. Allein der betrog sich. Aller seiner Freunde zu Besaçon ungeachtet; und troz der beständigen Bemühungen seiner Kreaturen von Strasburg, konnten sie ihn doch nicht der Rache seiner Feinde entziehen. Simond aus Savoyen, erst bischöflicher Vikarius zu Strasburg, dann Mitglied des Nationalconvents, fabricirte mit Monet, nachherigen Maire von Strasburg, einen Brief, den Dietrich an einen der ersten unter den Emigranten geschrieben haben sollte; dieser wurde aufgefangen, und brachte Dietrich nach Paris vor das Revolutionsgericht, wo er zu Ende des Jahre 1793 den Kopf verlor. Ob Schneider nicht auch Kenntnis von diesem schändlichen Briefe gehabt habe, ist mir unbekannt. Simond verlor in der Sache der sogenannten Danton’schen Verschwörung mit andern Volksrepräsentanten, gleichfalls das Leben auf dem Blutgerüste.