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Eulogius Schneider's ehemaligen Professors in Bonn etc. Schicksale in Frankreich.

von Christoph Friedrich Cotta

43.

Einige Tage vor seiner Gefangennehmung erhielt er von St. Just und Lebas den Befehl, sogleich von seinem bisherigen Commissionsgeschäfte Rechenschaft ihnen abzulegen, und die sämtlichen, auf die Uhrtheile der Commission sich beziehenden Schriften ihnen abzuliefern. – wir rücken hier die Abschrift des Briefes ein, den Schneider der auf diesen von den beiden Representanten erhaltenen Befehl ihnnen zuschickte:

Strasburg, den 17. Frimaire,
2ten Jahr d. Republ.

Ich eile, Bürger Representanten, euch Abschriften von allen Urtheilen zuzuschicken, welche die von euren Collegen Lacoste und Malarmé errichtete Revolutionskommission aussprach.

Ich habe schon Copien davon an den Präsidenten der Convention geschickt; allein da dieser Gegenstand für euer Comitee besonders gehört, und auf den an mich ergangenen Befehl der würdigen Bergmänner Saint-Just und Lebas, benützte ich den ersten Augenblick meiner Rückkunft vom Lande, um euch den Erfolg unsrer Operationen vor Augen zu legen.

Von ganzen Herzen wünschte ich euch zu gleichen Zeit die Verbalprozesse und andre auf die Urtheile sich beziehende Schriften übergebe zu können, allein sie sind fast alle teutsch geschrieben[1]. Ich werde sie übersetzen lassen. Dieses erfordert etwas Zeit, allein die Anstalten sind schon getroffen; ihr werde sie sobald als möglich erhalten.

So strengen Urtheilen, als diejenigen, welche die Commission aussprach, kann es nicht fehlen, Verläumder zu finden. Ohne ins Detail einzugehen, halte ich es für meine Pflicht, euch die Grundsätze darzulegen, nach welchen die Commission gehandelt hat, und die glücklichen Erfolge, welche dieses Handlungen hervorbrachten. Das niederrheinische Departement war unstreitig eines von denjenigen, die am meisten angesteckt waren vom Fanatismus, Feuillantismus, und vorzüglich vom Wucher. Der Verlust der Assignaten hatte seine Höhe erreicht. Die gewöhnlichen Gesetze, welche ihm abhelfen sollten, wurden schlechterdings nicht ausgeübt, weil die Geschworenen des Criminalgerichts entweder durch die Finger sahen, oder selbst Theil am Verbrechen nahmen. Auf dem Lande litten die Friedensrichter, die Munizipalbeamten, die Herabwürdigung der Nationalmünze, ohne zu strafen. Als der Feind hereinbrach, haben die Fanatiker stolz ihre Köpfe, Bösewichter, im Dienste der Emigranten oder teutschen Prinzen, unterhielten schändlichen Briefwechsel, und suchten die Geister vorzubereiten zur Gegenrevolution.

In dieser Zeit ward ich zum Commissar bei der Revolutionsarmee ernennt. Diese existirt im Grunde nicht; allein schon ihr Name hat den so feigen als verrätherischen Contrerevoluzern Furcht und Schrecken eingejagt. Militärische Detachementer machten die Revolutionspromenade; dies galt für eine Revolutionsarmee, ohne der Republik besondere Kosten zu verursachen. Da Strasburg von jeher die Quelle des Verderbens, der Wohnsitz des Wuchers gewesen war; so bestrebte ich mich, die reichen Kaufleute dieser Stadt zum Gehorsam gegen das Gesetz zu bringen.

Die Commission hat gegen diese Blutsauger des Volks mit Strenge und Nachdruck gehandelt, wie ihr aus den Urtheilen sehen werdet; sie haben sie an ihrer schwachen Seite angegriffen, indem sie ihnen furchtbare Strafgelder auferlegte, und sie am Schandfpfahl ausstellte. Durch diese strengen Mittel haben wir in weniger als drei Wochen den Werth der Assignaten wieder erzwungen, welche jetzt dem Metallgelde gleich gehalten, ja oft vorgezogen werden.

Representanten! diese Mittel haben dazu beigetragen, die Armee zu retten, welche in dem Augenblicke, da die Commission errichtet wurde, fast gänzlich aufgelöst war. Es ist erwiesen, daß der größte Theil unserer Unfälle die Wirkung der Herabwürdigung der Assignatien in den Rheindepartementen war. Der Soldat, bereot. Jeden Augenblick sein Blut zu vergießen, fand nichts, schlechterdings nichts für das Geld, womit ihn die Republik bezahlte. Ihr fühlt selbst, daß dieses Mißmuth, Abspannung, Verzagtheit und Verwirrung hervorbringen mußte. Diese Uebel sind nicht mehr, der Soldat ist wohlgenährt und schlägt sich wohl.

Ein anderer Gegenstand, der uns am Herzen lag, waren die Requisitionen für die Versorgung der Armee. Die fanatischen Landleute suchten sie auf tausend verschiedene Arten zu vernichten, und öffentliche Beamte, verpflichet sie in Ausübung zu bringen, begünstigten ihre Frechheit dadurch, daß sie diese Missethäter dem Schwerde des Gesetzes nicht überlieferten, während das sie ganz entgegengesetzte Raporte an die constituirten Gewalten abgaben. Ein gewisser Tisserand[2], Prokurator-Syndik des Strasburgischen Distrikts, war unter dieser Anzahl; bekannt seit langer Zeit durch seine Verbindungen mit reichen Aristokraten, durch seinen Abfall von der Volksgesellschaft in den kritischsten Augenblicken, durch seine Nachsicht gegen das kassirte Districtsdirektorium, dessen konterrevolutionäre Streiche er nie gehörigen Ortes anklagte, und allgemein betrachtet als ein feiler Mensch; die Commission hat ihn zur Beraubung seines Bürgerrechts und zur Einthürmung bis zum Frieden verdammt. Ich weiß, daß dies Urtheil einigen Leuten mißfallen hat, welche die Localitäten, die Personen und die Sache selbst nicht kennen; aber was liegt daran? die Commission hat den öffentlichen Beamten eine heilsames Beispiel gegeben, und dieses ist hinlänglich, um ihr Gewissen zu beruhigen.

Die Commission hat über mehrere Agenten der teutschen Fürsten, und über die Rädelsführer und Häupter der Fanatiker auf dem Land das Todesurtheil gesprochen. Sie beschäftigt sich jetzt damit, das Departement zu durchlaufen, und die Correspondenzen der Emigranten zu entdecken. Gestern hat sie einen Friedensrichter[3] guillotiniren lassen, welcher Agent der Emigranten in den Gegenden von Oberehnheim war, einer abscheulichen Gemeinde, ganz und gar deportirt zu werden verdiente.

Bürger Gesetzgeber, als ich das Amt eines Civilcommissarius annahm, sah ich zwei Klippen vor mir, die Klippe der Verläumdung, wenn ich strenge handeln würde, und die Klippe des Verbrechens, wenn ich menschlichen Betrachtungen Einfluß auf mich erlauben würde. Ich war bald entschlossen; mein Bestreben ist daher nicht ohne Wirkung gewesen: die Armen haben Brod; das Volk segnet die Guillotine, welche es gerettet hat. Immerhin rolle mein Kopf hin aufs Blutgerüst, wenn erst die Klpfe aller Verräther herabgeschlagen sind.

Dies Representanten des Souverains, sind meine Grundsätze; dies sind die Grundsätze der Richter der Commission. Möchten die für diese Zeiten nothwendigen und revolutionären Maasregeln, welche ich durch meinen Muth und durch meine unbegränzte Hingebung für das Wohl der Republik, unterstützte, das Reich der Gesetze befestigen. – Es sind Stürme, welche die Luft reinigen müssen, und welche aufhören sollen, sobald die Luft gereinigt ist. – Nehmet hin die Versicherung meiner aufrichtigen Anhänglichkeit an die einzige untheilbare Republik, und an alle die braven Männer, welche an ihrer Befestigung arbeiten.

Eulogius Schneider
Carl Tassin, Präsident der
Commission

Dieser Brief kam etwa einen oder zwei Tage vor Schneiders Gefangennehmung heraus. Seine Rolle sollte einmal zu Ende seyn, und daher half ihm kein Streben noch Bemühen, den Schlag, der ihn treffen sollte, länger aufzuhalten. Er hatte der Todesfeinde zu viele, denn sie fürchteten ihn nicht als Bösewicht, der ihre Schandthaten ernstlich noch züchtigen könnte, sondern als einen, mit dem sichs nicht lange spassen lasse, zumal im Punkte der Volkssache der Republik, die er gegen jeden Feind in Schutz zu nehmen gewohnt sey – und zumal gegen Intriguanten und vielseitige Schurken, wie sie waren.

 


[1] Es wäre noch gut gewesen, wenn alles, was bei dieser Commission hätte niedergeschrieben werden sollen, auch nur teutsch zu Papiere wäre gebracht gewesen. Aber so waren die meisten Verhöre und Urtheile theils gar nicht, theils halb und meist äusserst elend verfasst worden, wenn zumal der Bube Weis, der das amt des Schreibers auf sich hatte, endlich auch zuweilen dazu gebracht wurde, ein Verhör zu Papier zu bringen,Schneiderhatte die antiken Aufsätze selbst müssen, wenn sie gemacht werden sollten, und nun befand er sich in der Verlegenheit, den Befehlen seiner Feinde kein Genüge leisten zu können, wozu sie nicht allein durch eine rastlose Beschäftigung ihn sogar zu bringen, sondern auch genau den Augenblick zu benutzen gewußt haben, wo sie Rechnung von ihm fordern, und nicht das, was sie verlangten, von ihm zu erhalten gewiß waren. - Schneider sah das ganze Gewebe nun wohl ein, und wand sich daher recta nach Paris an den Präsidenten des Convents selbst, um gleichsam seinen Gegnern St. Just und Lebas einen Streich durch ihren gegen ihn angelegten Plan zu machen. Allein zu dieser Zeit war ein solches Beginnen kraftlos geworden, indem damals schon das Robespierrische Dictaturcomite‘ und wen St. Just in diesem Comitee nur seinen Wunsch bekannt machen durfte, um ihn erfüllt zu eben so mußte Schneiders Bemühen, ihre boshaften Anschläge zu zernichten, ohne den glücklichen Erfolg bleiben, und sein Untergang unabänderlich seyn.

Der Herausg.

[2] Dieser Mensch war im engsten Bündnisse mit Schneidern; aber eben darum, weil sie wußten, daß er Schneidern haßen würde, der ihn öffentlich an die Guillotine auszustellen sich erkühnt hatte, waren sie auch das gewiß, daß Tisserand sich zu ihrer Parthei schlagen, und Schneiders Verderben nach allen seinen Vermögen befördern würde. Er that es auch, und lieferte das sogenannte Resume‘, oder das größte Meisterstück der durch Bosheit, durch die giftigste Leidenschaft erzeugten und von Unwahrheiten und halbrichtigen Darstellungen vogepropften Schilderung von von den sämtlichen Verbrechen, die Schneider alle begangen haben mußte, weil man davor sicher war, daß er auf alle diese Vorwürfe und handgreiflichen Lügen nicht mehr antworten konnte; obschon er noch am Leben war, als dieser Wisch erschien, der, damit jedermann von der Zuverlässigkeit des Inhalts überzeugt würde, von den Departements und Districtsgliedern unterschrieben war. Sie waren als Kläger, Zeugen u.s.w.

[3] Yu Oberehnheim, nebst noch einer andern Frau von da, mit ihrer Tochter, welche das nämlichen Verbrechens schuldig befunden wurde.

Der Herausg.