Skip to main contentSkip to page footer

Geschichte des Lützowschen Freikorps

von Johann Friedrich Gottfried Eiselen

Die Lützower vor Leipzig am 7. Juni 1813.

Das Fußvolk, welches sich während seiner Züge am rechten Ufer der Elbe stark vermehrt hatte, sollte, nachdem die Reiterei ihren Streifzug begonnen, ebenfalls ihrem Zwecke gemäß verwendet, und in den Harz geworfen werden, und hatte sich deshalb in und bei Havelberg versammelt. War dies früher beschlossen, so darf man wohl fragen, was den Major von Lützow bewegen konnte, sich einen von der Infanterie so entfernten Schauplatz zu wählen, und sich nicht im Thüringer Walde zu halten, der ihn zugleich keiner so großen Gefahr aussetzte, als der Zug nach dem Voigtlande? Es scheint aber in der That, als habe unter den Corps-Chefs gar keine Verabredung über einen combinirten Plan statt gefunden, eine Ansicht, worin man noch mehr bestärkt werden muß, wenn man sieht, daß der Major von Petersdorff sich durch ein anderes Unternehmen plötzlich bestimmen läßt, seinen Marsch nach dem Harze aufzugeben oder doch auf eine unbestimmte Zeit aufzuschieben. Der General von Woronzow forderte ihn nämlich dringend auf, sich mit ihm zu einem Handstreiche auf Leipzig zu vereinigen. An und für sich war der Plan, Leipzig zu überrumpeln, gar nicht zu tadeln, und wenn der Zug des Majors von Lützow ganz unabhängig von den Zwecken der Infanterie ausgeführt wurde, kann man es nur loben, daß der Major von Petersdorff darauf einging. Leipzig, im Rücken der feindlichen Heere gelegen, und zu einem Depot von allerlei Kriegsbedürfnissen und von Truppen gemacht, die hier organisirt und von hieraus ihrer weiteren Bestimmung zugeführt werden sollten, war eine kostbare Priese, und gab der Lützowschen Infanterie eine Stellung, von welcher aus sie ihrer Cavallerie weit leichter als vom Harz aus die Hand bieten, und zugleich den in Sachsen befindlichen Streifcorps von Colomb und von Hellwig eine Stütze geben konnte. Aber man mußte sich der Stadt zum Theil aus einer weiten Entfernung nähern, und zwischen zwei in den Händen des Feindes befindlichen Festungen, Magdeburg und Wittenberg, heranrücken. Es war daher nöthig, daß das Unternehmen geheim gehalten und schon um des Geheimnisses willen rasch ausgeführt wurde. Um diesen aber zu beschleunigen, wurde ein Theil des Weges mit Hülfe von Wagen zurückgelegt und die Nacht benutz. Am 7. Juni Morgens erreichte man glücklich die Höhen bei Gohlis und sah Leipzig vor sich liegen. Von dem Freicorps machten 900 Mann Infanterie und die wenige, zurückgebliebene Cavallerie den Zug mit. – Der Marsch war sehr anstrengend gewesen, denn da die Soldaten auf den Wagen ganz gedrängt stehen mußten, so gewährten ihnen diese fast gar keine Erleichterung. Als man darauf vor Leipzig aufmarschirte, nachdem das Fußvolk den letzten Theil des Weges noch im Trabe zurückgelegt hatte, fielen mehrere Soldaten vor Erschöpfung ohnmächtig nieder. Indeß belebte doch alle der Anblick der nahen Stadt mit einem freudigen Muthe. Daß sie sich gerade vor de Augen des Ortes schlagen sollten, den sie früher mit so großen Hoffnungen verlassen hatten, erfüllte sie mit einem freudigen Gefühle.

Die Reiterei der Expeditions-Truppen war schon vor der Infanterie in der Gegend von Leipzig erschienen, und hatte hier ein Gefecht mit der feindlichen Reiterei zu bestehen, die, auf den bei jener Stadt liegenden Dörfern einquartirt, sich ihr entgegenstellte, aber, außer den Todten und Verwundeten, an Gefangenen 18 Officiere und 550 Mann verlor.

Dieser von dem Feinde nicht vermiedene Kampf, so wie der Umstand, daß der Herzog von Padua, welcher in Leipzig befehligte, mit seinen Truppen ausrückte, ließen nicht erwarten, daß ein großes, den Angreifenden noch unbekanntes Ereigniß ihrer Expedition ein unerwartetes Ende drohe. Aber bald wurden sie aufgeklärt. Es erschienen bald unter ihnen ein Paar höhere, von jenem Herzoge abgesandte Officiere mit der Anzeige von dem Abschluß des Waffenstillstandes, und der Erklärung, so lange als Geisseln in den Händen der diesseitigen Truppen bleiben zu wollen, bis diese eine officielle Benachrichtigung von dem Akte erhalten hätten, welcher Leipzig gegen ihre Waffen in Schutz nahm. Wie unangenehm auch diese Anzeige die Expedition unterbrach, so mußte man sich doch der Gewalt der Umstände fügen, die Feindseligkeiten einstellen und den Rückmarsch antreten.

Auf die Lützower machte die Nachricht von dem Waffenstillstande einen unbeschreiblich schmerzlichen Eindruck. Diejenigen, welche nur das Nächste ins Auge faßten, sahen den Preis ihrer Anstrengungen und ihres Harrens in dem Momente plötzlich verschwinden, wo sie die Hand ausstreckten, um sich desselben zu bemächtigen, während diejenigen, welche fähig waren, das Entlegnere zu beurtheilen, die letzte Hoffnung, welche zur Rettung Deutschlands aufgegangen war, für zetrümmert hielten. Vielen stürzten die Thränen aus den Augen; viele verlangten ungestüm gegen den Feind geführt zu werden. Sei ihm, meinten diese, doch nie zu trauen. Wer wisse, ob er den Waffenstillstand nicht blos vorspiegele, da er sich für besiegt erkenne? Und wenn auch ein solcher wirklich abgeschlossen worden, so habe doch der Feind, weil er sich in einem Kampf eingelassen, das Recht verloren, sich dahinter zu verstecken. Sei es nicht wahrscheinlich, daß er die Waffen nicht eingesteckt haben würde, hätte er sich schmeicheln dürfen, seinen Gegner zu überwältigen?

Es gelang nur mit Mühe, die aufgeregten Gemüther zu beschwichtigen und zum Rückmarsch zu bestimmen.