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Geschichte des Lützowschen Freikorps

von Johann Friedrich Gottfried Eiselen

Der Marsch nach Frankreich und der Aufenthalt daselbst bis zum Frieden.

Schön ist der Friede! Ein lieblicher Knabe
Liegt er gelagert am ruhige Bach,
Und die hüpfenden Lämmer grasen
Lustig um ihn, auf dem sonnigsten Rasen,
Süßes Tönen entlockt er der Flöte,
Und das Echo des Berges wird wach,
Ober in Schimmer der Abendröthe
Wiegt ihn in Schlummer der murmelnde Bach.

Der letzte Abschnitt der Geschichte des Freicorps, den wir jetzt beginnen, ist entschieden der dürftigste von allen. Es war immer mehr zu den Bewußtsein seiner verfehlten Bestimmung gekommen, aber der Gebrauch, den man von ihm in Mecklenburg gemacht hatte, entsprach doch im hohen Grade seiner Eigenthümlichkeit. Jetzt rückte es den großen Heeren der Verbündeten nach, die schon längst über den Rhein gegangen waren, und konnte nun erwarten getrennt und andern Heeresabtheilungen zugewiesen zu werden, oder irgend eine isolirte Bestimmung zu erhalten, die nicht wohl in etwas anderm, als als in der Einschließung einer der kleinen französischen Festungen bestehen konnte, die im Rücken jener Heere liegen geblieben waren. Das letztere geschah auch wirklich. Nur 2 Eskadronen Ulanen machten davon eine Ausnahme, welche schon während der Einschließung Hamburgs unter dem Major von Lützow aufgebrochen waren, und von dem Kronprinzen von Schweden den Befehl erhalten hatten, an den Rhein vorzugehen, und die Rheinübergänge von Bonn abwärts bis zur Yssel zu untersuchen. Es wird daher nothwendig, das, was diesem Reiterhaufen begegnete, von dem zu trennen, was das Corps selbst auf französischen Boden unternahm. Wir geben von beiden nur eine Skizze.

Das Freicorps brach am 20sten Januar aus seinen Kantonirungen in Holsteinischen auf und erreichte am 14ten Februar Köln. Es hatte geglaubt, mit dem Armee-Corps des Generals von Bülow vereinigt zu werden und war daher nicht wenig und nicht angenehm überrascht, den Befehl zur Einschließung von Jülich zu erhalten, und hier den General Ilowaisky IV. abzulösen, der ihm jedoch 40 Kosacken zurückließ. Die Einschließung einer Festung ist eine der langweiligsten Aufgaben im Kriege, in die nur etwas Leben kommt, wenn der Feind bisweilen Ausfälle macht. Das wird allen denen im Corps noch sehr erinnerlich sein, die entweder in Hambach auf dem rechten, oder in Aldenhoven auf dem linken Roerufer standen, oder von einem dieser Oerter aus nach den verschiedenen Punkten um die Festung zogen. An eine eigentliche Belagerung würde das Corps schon wegen seiner geringen Stärke nicht haben denken können, wenn es auch die Mittel dazu besessen hätte. Jülich war stark befestigt und hatte eine Besatzung, die man auf etwa 4000 Mann Infanterie und 160 Mann Cavallerie anschlug. An Geschützen sollen 120 Stück in der Festung vorhanden gewesen sein. Ma begnügte sich mit einer engen Einschließung und mit öfterer Alarmirung der Besatzung, von welcher man erfahren hatte, daß sie am Lazarethfieber litte. Die nächtlichen Beschießungen der Stadt schienen auch in der That ihren Zweck nicht zu verfehlen; denn sobald einige Schüsse gefallen waren, welche die Franzosen immer in reichen Maaße erwiederten, hörte man gewöhnlich die Trommeln durch die Straßen wirbeln. Indeß betrachteten doch Viele dies Vornehmen nur wie eine Unterhaltung, die man sich auf Kosten seiner eigenen und des Feindes Ruhe verschaffte; denn ein ernster Erfolg ließ sich davon nicht erwarten. Man durfte auch selbst dann, als noch einiges schwedische Geschütz vor der Festung angelangt war, hoffen, dieser einen beträchtlichen Schaden zuzufügen, da der Feind sehr auf seiner Hut war und seine Löschanstalten gut eingerichtet hatte. Dagegen gelangen diesen auch seine Ausfälle auf die Karthause nicht, die von den Unsrigen besetzt war, und die er, da sie den Festungswerken sehr nahe lag, gern in seine Gewalt gebracht hätte. Am 24sten, 26sten und 28sten Februar erschien er mit einigen Hundert Mann Infanterie, die er mit weniger Kavallerie unterstützte, um sich jenes Posten zu bemächtige. Von Geschützen führte er nur einige Kanonen mit sich, da er auf die Artillerie von den Wällen rechnete. Zwar waren die Gefechte, welche diese Ausfälle veranlaßten, hartnäckig, aber der Verlust, den das Corps dadurch erlitt, war gering. Die Localität der Karthause war den Einschließenden vortheilhaft.

Erst am 24sten März ward das Freicorps vor Jülich durch Mecklenburg-Schwerinische Truppen abgelöset, ging am 25sten von Aldenhoven, wo es sich versammelt hatte, nach Aachen, und von da langsam in der Richtung nach Paris weiter. In Vervins erhielt es am 8ten April die Nachricht von dem abgeschlossenen Frieden, und den Befehl, seinen Marsch nicht fortzusetzen, sondern seine Vereinigung mit dem Corps des Generals von Bülow zu bewirken, welches sich von Paris nach Peronne bewegte. Am 15ten wurde es auch von diesem General in der genannten Stadt gemustert. Schon am 4ten war es zu Civry wieder unter die Befehle des Majors von Lützow getreten, von welchem es über 3 Monate getrennt gewesen war. Von seinem Abmarsche aus Holstein an hatte es unter dem Kommando des Hauptmanns von Helmenstreit gestanden, da sich der Major von Petersdorff nach Cassel begeben hatte, um bei der Organisation der hessischen Truppen mitzuwirken.

Der Major von Lützow, der am Rhein angekommen war, als diesen die verbündeten Heere schon überschritten hatten, mußte sich nothwendig für seine Thätigkeit ein anderes Ziel wählen, als das, welches der Kronprinz von Schweden ihm gesetzt hatte. Er beschloß daher ebenfalls den Strom zu überschreiten und sich zu dem Armee-Corps des Generals von Bülow zu begeben, um die Verbindung zwischen diesem und dem großen Heere der Verbündeten erhalten zu helfen. Die Ausführung dieser Absicht fand aber in dem großen Raume, durch welchen dieses von jenem Armee-Corps getrennt war, die größte Schwierigkeit; der Major von Lützow näherte sich daher dem schlesischen Heere, um sich zwischen ihm und dem böhmischen seinen Schauplatz zu suchen. Der Fürst Blücher, den er nach manchen Märschen erreichte, war auch damit einverstanden, und versprach zugleich, das Freicorps von der Einschließung Jülichs zu entbinden und zu dem großen Heere heranzuziehen. Folgt man nun aber den Bewegungen, welche Lützow mit seiner Reiterschaar machte, so entgeht einem nicht, daß man wenig Rücksicht auf ihn nahm, und ihn wohl mitunter ganz vergaß. Die Dienste, die er leistete, wurden angenommen, auch gab man ihm bisweilen Aufträge; aber man überließ ihn doch im ganzen sich selbst, und gestattete ihm eine Freiheit, die nicht ohne Gefahr war. Sich immer zwischen verschiedenen Heerhaufen hin und herbewegend und keinen angehörend, konnte er sich nur darauf beschränken, den Feind zu beobachten, und an die ihn nahen Truppen Mittheilungen in ihrem Interesse zu machen, oder Befehle, die ihm etwa gegeben wurden, zu vollziehen. Das war auch der Fall gewesen, als er sich von dem schlesischen Heere in die Gegend von Rheims begeben hatte. Der Fürst Blücher ahnete nicht die Niederlage, welche das bei jener Stadt stehende Corps der Verbündeten traf, und der Major von Lützow mußte nun suchen, das schlesische Heer wieder zu erreichen. Aber diese Absicht war nicht ohne Schwierigkeit auszuführen. Napoleon hatte das Volk in den gebirgigen und waldigen Grenzprovinzen aufgerufen, zu den Waffen zu greifen, indem er ihm vorspiegelte, daß er bei Laon und Rheims Sieger geblieben sei und es sich jetzt darum handle, die zersprengten Feinde aus dem Lande zu jagen. Der Major von Lützow überzeugte sich bald von den Wirkungen dieses Aufrufs. Er fand mehrmals Verhaue auf den zu passirenden Wegen, es wurde in den Ortschaften, die er berührte, auf ihn geschossen, kurz er sah sich überall von erbitterten Feinden umgeben. Man wird es daher auch nicht überraschend finden, daß auf seinen eiligen Rückzuge beide Eskadrone in der Dunkelheit in einem Dorfe, wo die Straße in zwei Wegen auseinderlief, von einander kamen und nun gesondert ihren weiteren Marsch verfolgen mußten. Auch hier war aus den Fenstern auf die durchziehenden Reiter ein Gewehrfeuer gemacht worden, hatte mehrere, welche die eine Eskadron schlossen, verwundet, und dadurch eine Stockung und einen Aufenthalt verursacht. Unter beständigen Gefahren erreichte die eine Eskadron in 2 Tagen und einer Nacht offenes Land und fühlte sich endlich geborgen. Die andere mußte, um in Sicherheit zu kommen, einen Marsch von 3 Tagen und 2 Nächten machen. Vierzig Mann waren auf diesem unglücklichen Rückzuge verloren gegangen. Man bedauerte besonders den Verlust des Lieutenants Friesen, Adjutanten des Majors von Lützow. Er wurde am 16ten März in dem Walde von Hilleue, bei la Lobbe, von einen blödsinnigen Schäfer erschossen. Ihn zeichneten eben so sehr eine schöne, schlanke Gestalt und ein liebenswürdiger Charakter, als eine selten Gewandheit in allen ritterlichen Künsten aus.

Bei dieser Gelegenheit mag eines Vorfalls gedacht werden, welcher zum Belege dessen dienen kann, was von den Gefahren gesagt worden ist, denen die Cavallerie in jenen Gegenden Frankreichs ausgesetzt war. Indem das Freicorps durch einen Landstrich zog, welcher im Rücken der verbündeten Heere lag, beobachtete es das Verfahren, welches in einem friedlichen Lande üblich ist; es schickte seine Quartiermacher voraus. Auf diese Weise begab sich am 5ten April der Quartiermacher des ersten Bataillons mit den Fourieren und Fourierschützen der einzelnen Compagnien von Beaumont nach Solve le Chateau und kam am 6ten in der Morgendämmerung in ein Dorf. Er fuhr, des schnelleren Fortkommens wegen, mit seinen Begleitern auf einem großen Leiterwagen, mit 4 Pferden bespannt; aber die Wege waren fast grundlos und die Thiere ermattet, und so blieb man mit dem Wagen stecken. Einige Soldaten wurden deshalb an die Häuser gesandt, um noch ein paar Pferde aufzutreiben, aber ungeachtet ihres Rufens und Pochens öffnete sich keine Thür, kein Fenster; die Dorfbewohner schinen entflohen zu sein. Inzwischen vernahm man in dem Walde, worin das Dorf lag, plötzlich ein Geräusch; es näherten sich Pferde, und bald brachten auch die Soldaten einen Bauer mit einem Gespanne herbei. Der Bauer war aber nicht Willens, seine Pferde herzugeben, remonstrirte laut, und bewirkte dadurch, daß zum Erstaunen der Soldaten sich das Dorf auf einmal belebte. Die ganze Gemeine kam herbei, mit Knütteln, Sensen, alten Gewehren und andern Geräthen bewaffnet, und hatte den Pfarrer an ihrer Spitze. Die kleine, etwa aus 12 Mann bestehende Truppe Soldaten ließ sich jedoch nicht aus der Fassung bringen, sondern machte Miene Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, und da sich ihr Anführer zugleich mit dem Geistlichen in ein Gespräch einließ und ihm begreiflich machte, das es ihm nur darum thun sei, mit seinem Fuhrwerk auf einen bessern Weg zu kommen, so wurden die bestrittenen Pferde vorgelegt, aber von der Gemeinde bis dahin begleitet, wo man ihrer nicht mehr bedurfte.

Der Major von Lützow war auf seinem Rückzuge wieder verwundet worden, und blieb deshalb bis zu seiner Herstellung in Vervins. Dann machte er sich auf den Weg, dem Corps entgegen, welches auf dem Marsche nach Laon begriffen war. Seine Ulanen wurden inzwischen zuerst nach Rheims gesandt, dann mit zur Einschließung von Soissons verwendet, und zuletzt als Verbindungsposten in Villers-Cotterets aufgestellt, bis sie mit dem Freicorps nach den Niederlanden zurückgingen.

Hier, wo es bequeme Quartiere fand, verlebte es noch einige Zeit in heiterer Ruhe, dann aber, als die Erlaubniß zur Entlassung der Freiwilligen einlief, löste es sich in seinem früheren Bestande auf, wen auch die beisammen bleibende Schaar noch bis in den April des Jahres 1815 unter der alten Benennung fortbestand. Die große Aufgabe des deutschen Vaterlandes war gelöst: die französischen Ketten waren zerbrochen, der Friede zu Paris geschlossen. Welchen Grund konnte man haben, die ungeheuren Heere beisammen zu halten? Nun bestand zwar das ganze Freicorps aus Freiwilligen; allein zunächst trennten sich von ihm doch nur die drei Detachements der Infanterie und das Detachement der Cavallerie. Sie verließen es im Juni. Im Juli (am 2ten) brach das Corps selbst aus der Gegend von Oudenarde, wo es längere Zeit kantonirt hatte, auf, und erreichte am 12ten Cleve. Noch während seines Aufenthalts in den Niederlanden trat die Artillerie als 14te reitende Batterie in die schlesische Artillerie-Brigade ein. Im Januar 1815 verließ es abermals seine freundlichen Quartiere, ging über den Rhein und bezog neue Kantonirungen bei Bocholt und Borken, wo es bis zur Rückkehr Napoléons nach Frankreich blieb und dann wieder über den Rhein ging, um bis an die französische Grenze vorzurücken. Es überschritt den Strom im März. Im Mai des Jahres 1814 hatte die Infanterie noch als 2100 Mann bestanden, aber schon im folgenden Monate war sie um 300 Mann vermindert worden, und jetzt betrug sie, durch allmähligen Abgang geschwächt, nur noch 1364 Mann. Die Cavallerie zählte zu jener früheren Zeit 690, jetzt aber nur 513 Mann. In dieser Lage erfolgte im April, bei der neuen Organisation des Heers, auch die Umwandlung des Freicorps. Die Infanterie ging in das 25ste Infanterie-Regiment über und wurde durch Rheinländer auf seine volle Stärke gebracht. Die Cavallerie gab die Mannschaft für das 6te Ulanen und zum Theil auch für das 9te Husaren Regiment her. So hörte das Corps auch dem Namen nach auf.

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Indem der Verfasser auf seine Arbeit, die nunmehr geschlossen vor ihm liegt, zurückblickt, überläßt er sich der Hoffnung, daß sie bei dem Lesern eine billige Beurtheilung finden, und in denen von ihnen, die mit ihm in dem Freicorps für die große Sache des Vaterlandes kämpften, ein lebendiges und treues Bild desselben hervorrufen werde. Er ist sich bewußt, es nicht ins Schöne haben malen zu wollen, aber er glaubt auch seine guten Seiten nicht verschwiegen zu haben. Scheint er ihnen nicht immer zur Sache Gehrendes erzählt, und ebenso Einzelnes, dessen Aufnahme sie erwarteten, übergangen oder zu kurz abgefertigt zu haben; so mögen sie sich an den Gesichtspunkt erinnern, welcher von ihm für seine Darstellung gewählt wurde. Die aufwachsende Jugend wird, wenn ihr diese Schrift bei dem Drange des Lebens, in die Hände kommen sollte, aus ihr sehen, was die Väter einst für das gemeinsame Vaterland fühlten und thaten; daß Hunderte der edelsten jungen Männer aus den verschiedensten Gauen Deutschlands sich vereinigten, und zwei Feldzüge hindurch den gemeinen Soldatendienst nicht verschmähten, um den nachfolgenden Geschlechtern ein freies deutsches Wesen zu hinterlassen. Sie hatten nur einen Ehrgeiz – zu kämpfen, und nur einen Schmerz – ihrer Kampfgier nicht genug thun zu können. Hierin leuchtete den lützower Jägern ihr Sänger Körner voran. Möge auch künftig die deutsche Jugend also denken, wenn es die Ehre und Selbständigkeit des Vaterlandes gilt. Möge jeder Einzelne auch dazu wieder in den Kampf gehen auf Leben und Tod, und auch dann wieder bedenken, daß in der Stärke des gemeinsamen Vaterlandes die Stärke des besondern ruht! Dann wird es nicht fehlen, daß jeder Deutsche dem andern die Hand zum gemeinsamen Werke bietet, und daß sich im Großen das Bild erneuert, welche uns das lützowsche Corps im Kleinen darbot.