Skip to main contentSkip to page footer

Das System der Rechtslehre

von Johann Gottfried Fichte.

Zweiter Teil

Drittes Kapitel

Vom Kapital.

Hat denn nun das Metallgeld gar keinen Vorteil gehabt, und erheben es die entzückten Lobpreiser seiner Wirkungen ganz ohne allen Grund? Dieses wird sich zeigen, wenn wir vom Kapital reden.

Zuvörderst ist in unsrer ganzen Theorie immer vorausgesetzt, dass vom Anfange des Jahres an bis zur Ernte der Staatsbediente, der Landbauer, und der Fabrikant, indem die beiden Letzten den Acker bauen und die Fabrikate verfertigen, während der Arbeit werden leben können, anständig und gewiss, bis zum nächsten Austausche, der mit der neuen Ernte beginnt. Woher kommt ihnen dieser Lebensunterhalt bis zur Ernte? Offenbar von einer früheren Ernte, und da wieder von einer früheren, u.s.f. Wo nimmt dies ein Ende, da wir doch einen Anfang haben müssen? Setzen wir also das Beginnen eines Staates, und der beschriebenen Anordnung der Gewerbe; so setzt dieselbe schon voraus, dass Alle bis zur nächsten Einsammlung schon leben können, dass sie Vorrat an Allem für ein Jahr haben. Also Lebensmittel für Alle, nach deren Entstehen im Staate nicht gefragt werden kann, ist die absolute Bedingung einer Entstehung des Staats. Dies ist das Grundkapital, das absolute Kapital.

Aber weiter: Es soll ein Wohlstand der Nation, ein Übergewicht ihrer Arbeitsprodukte über die Arbeit errungen, und dieser fortdauernd vermehrt werden. Wie kann dieses geschehen? Nur also, indem durch Arbeiten, die unmittelbar gar nicht, sondern nur mittelbar zweckmäßig sind, die Natur den unmittelbaren Zwecken des Menschen erst unterworfen wird. Da geht für den nächsten Zweck der Erhaltung in der nächsten Zeit offenbar Kraft verloren, welche freilich in einer künftigen Zeit mit Gewinn sich ersetzen soll. Wenn Moräste ausgetrocknet, und urbar gemacht werden, so wird in der Zeit, da dies geschieht, durch diese Kraft nichts dem Menschen Nützliches gewonnen; wenn Maschinen ausgesonnen, und vielleicht mit vergeblichen Versuchen probiert, wonach die Aufgabe nicht gelöst wird, verfertigt werden, so ist nicht die Absicht, diese Maschinen zu verkaufen, auch würden sich keine Käufer für sie finden.

Wie ist nun dieser Abbruch an gegenwärtigem Erwerbe zu Gunsten eines künftigen und entfernteren denkbar, und möglich? Offenbar bedürfen jene vorbereitenden Arbeiter arbeitender Hände; diese aber vorrätige, und von dem unmittelbaren Erwerbe zu ersparende Lebensmittel. Sind die letzteren da, so werden sich die Arbeiter finden. Sie aber müssen sein. Sie sind der zweite Teil des für den Staatszweck vorauszusetzenden Kapitals, als eines Überschusses über die berechnete Zehrung.

Was aus diesem Teile des Staatszwecks für unsren gesamten Staatszweck folge, davon später. Jetzt nur noch, wie dieser Zweck bisher befördert worden, als eine Nebenfolgerung.

Das einzig bekannte sichere Mittel, die Menschen zur Arbeit für nicht gegenwärtige, von ihnen selbst auch gar nicht begriffene Zwecke zu gewinnen, war das Metallgeld; in ihm war eine Schöpferkraft niedergelegt, so weit über alle menschlichen Kräfte nur die Anwendung derselben zu verfügen, als die Summe Geldes reichen möchte; und dies in jedem Augenblicke. Nun sind allein dadurch solche Arbeiten im Vorrat, und alle Verbesserungen des menschlichen Zustandes errungen, und werden fernerhin auf dieselbe Weise errungen werden; hier ist der wahre endliche Gewinn des Geldes für das Menschengeschlecht. Ferner will ich auch noch dieses hinzusetzen: nur durch diesen Fortschritt gewinnt die menschliche Arbeit Würde und Anstand, und wird menschlich, ausdrückend die absolute Schöpferkraft des Begriffs. Wenn die Menschen nach einem Menschenalter noch eben so das Land bauen, noch eben so fabrizieren als vorher, so hat die eigentliche Menschlichkeit in diesem Geschäfte bei ihnen stille gestanden, und sie sind vielmehr mit Bibern oder Bienen zu vergleichen, denn als Menschen anzuerkennen. Als Triebfeder dieses höheren Glücks und dieser höheren Würde erschien nun das liegende Geld, dieses, als in sich enthaltend allen zu erringenden National-Wohlstand und National-Vermögen. (Daher auch sehr oft das in den Händen einer Nation befindliche bare Kapital an Geld National-Vermögen genannt worden ist). Wo ein Geldbeutel sich etwas reichlicher auftat, sah man Alles zuströmen, und sich beeilen, einen so großen Teil als möglich davon an sich zu bringen. Daher die Bewunderung und Vergötterung, die selbst verständige und denkende Menschen dem Gelde, als dem Stifter aller Industrie, und wenn man will, als derjenigen Macht, bewiesen, die den Menschen zuerst aus dem Prometheischen Leimgebilde zu diesem erfindungsreichen und raffinierten Wesen gemacht hat. Es ist ihnen eben die himmlische Flamme des Prometheus. - Sie haben in der Entzückung nur einen Umstand übersehen, der gleichwohl nahe liegt, und das ist dieser: das Geld tut gar nicht unmittelbar diese Wunder, und unbedingt, sondern mittelbar, und unter einer gewissen Bedingung. Wenn sie zulaufen, so ist es ihnen nicht ums Geld zu tun, das können sie nicht essen, sondern um die Waren und zu allernächst um die Lebensmittel, die sie dafür zu kaufen gedenken. Sind diese nicht da, so werden sie sicher zu Grunde gehen, trotz deines Geldes, und sie werden sich nicht die vergebliche Mühe machen, erst für dieses sie nicht nährende Geld zu arbeiten.

Also es bleibt dabei, nicht das Geld, sondern die dadurch zu erringende Lebenserhaltung, und was für Ware er für das Geld kauft, ist die Triebfeder der Tätigkeit und aller Verbesserungen der Gewerbe; und darum auch: nicht das Geld, das in den Händen der Nation ist, sondern die Lebensmittel, die auf ihrem Boden vorhanden sind, ist das Nationalkapital: das Geld ist lediglich das Mittel, die Erhaltung der Lebensmittel, die doch gleichwohl da sein müssen, an eine bestimmte Arbeit zu knüpfen. Ich setze, wenn ich der Einzige bin, der Geld ausgeben will, durch mein Geld mich in den Besitz der verkäuflichen Lebensmittel; wer kaufen muss, der muss z.B. an der Austrocknung von Morästen mitarbeiten, außerdem hat er Nichts zu leben, und wird darum wohl genötigt sein, daran mitzuarbeiten; so lächerlich und verkehrt ihm auch das ganze Unternehmen vorkommen möge.