Skip to main contentSkip to page footer

Das System der Rechtslehre

von Johann Gottfried Fichte.

Zweiter Teil

Drittes Kapitel

Erster Abschnitt

Vom Haus

Der Staat ist zufolge des Bürgervertrags schuldig, das absolute Eigentum zu schützen, und Jedem die Sicherheit desselben zu garantieren. Nun sind aber alle diese Dinge, die wir als absolutes Eigentum bezeichnet haben, und besonders das Geld von der Art, dass das Eigentum davon in Beziehung auf einzelne Personen gar nicht bestimmt werden kann. Wie dieser bestimmte Taler mein gehöre und keinem Andern, lässt sich nicht entscheiden; denn alle Taler sehen einander gleich, und sollen es, weil sie bestimmt sind, ihre Eigentümer ohne weitere Formalität zu wechseln.

Auch kann der Staat gar nicht Notiz davon nehmen, wie viel bares Geld u. dergl. Jeder besitze, und wenn er könnte, darf er nicht, der Staatsbürger braucht dieses nicht zu dulden; denn er ist in dieser Rücksicht über alle Aufsicht des Staates hinaus. Wie soll nun der Staat schützen, was er nicht kennt, noch kennen soll, und was seiner Natur nach ganz unbestimmbar ist? Er müsste es unbestimmt, d.i. überhaupt schützen. Zu diesem Behuf aber müsste es an etwas Bestimmtes angeknüpft und damit unzertrennlich verbunden werden, welches, da diese Gegenstände ihr ganz eignes, und ihnen allein zukommendes Recht haben, ausdrücklich als Inbegriff alles absoluten, dem Staate selbst unverletzlichen und seiner Aufsicht gänzlich entzogenen Eigentums wäre. Dieses Bestimmte müsste ein solches sein, das sichtbar, bekannt, und durch die Person des Eigentümers bestimmbar wäre.

Dieses Bestimmte, an welches das Unbestimmte angeknüpft wird, kann Zweierlei sein. Nämlich, der Staat hat Jedem, nachdem er die Staatslasten getragen, den Gebrauch der selbst erbauten, fabrizierten oder erkauften Güter zugestanden. Durch den unmittelbaren, vom Staate zugestandenen Gebrauch wird sonach ein Eigentum im Staate bezeichnet und bestimmt. Was Jemand unmittelbar gebraucht, davon ist vorauszusetzen, dass es ihm gehöre, bis das Gegenteil erwiesen ist; denn es ist in einem wohl verwalteten Staate anzunehmen, dass er gegen den Willen des Gesetzes gar nicht zum Gebrauch gekommen wäre. Aber durch den unmittelbaren Gebrauch wird Etwas mit dem Körper verknüpft. Was also Jemand in den Händen, auf und am Leibe hat, ist sein Eigentum, und ist dadurch als solches bezeichnet. Nun ist aber nicht nur das, was ich unmittelbar gebrauche, sondern auch was ich für den künftigen Gebrauch bestimme, mein absolutes Eigentum. Es ist aber mir nicht zuzumuten, dass ich das Alles stets auf dem Leibe trage. Es muss daher ein Surrogat des Leibes geben, durch welches das, was damit verknüpft ist, als mein Eigentum bezeichnet werde. So Etwas nennen wir das Haus. (Gehäuse im weitesten Sinne, Zimmer, Kasten, Koffer u. dergl.). Mein Haus überhaupt steht unmittelbar unter dem Schutze und der Garantie des Staates, und dadurch denn auch unmittelbar Alles, was darin ist. Gegen gewaltsamen Einbruch bürgt der Staat.

Aber der Staat weiß nicht, und soll nicht wissen, was darin ist. Die einzelnen Gegenstände als solche stehen also unter meinem eignen Schutze und unter meiner eignen absoluten Herrschaft, so wie alles, was ich in meinem Hause tue. Die Aufsicht des Staats geht bis zum Schlosse, und von da geht die meinige an. Das Schloss ist die Grenzscheidung der Staatsgewalt und der Privatgewalt. Dafür sind Schlösser, um die Selbstbeschützung möglich zu machen. In meinem Hause bin ich selbst dem Staate heilig und unverletzlich. Er hat dort keine Inspektion, kein Recht, Rechenschaft zu fordern; denn gänzliche Freiheit vom Staate heißt eben absolutes Eigentum. Er darf mich darin in Zivilsachen nicht angreifen, sondern muss warten, bis er mich auf öffentlichem Boden findet. Wodurch jedoch dieses Hausrecht verloren wird, wird sich in der Lehre der Kriminalgesetzgebung zeigen.