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Das System der Rechtslehre

von Johann Gottfried Fichte.

Dritter Teil.

Erster Abschnitt

[Der Wille und die Macht des Gesetzes]

8) Wodurch zeigt sich nun ein durch die hier gedachten Motive nicht zu bestimmender Wille?

a) Wenn ein nach dem Gesetze des gleichen Verlustes Bestrafter dasselbe Vergehen wiederholt. Das Strafgesetz wirkt nicht; in einem solchen herrscht daher wenigstens Willenlosigkeit, er ist in dem Zustande eines Affekts, der nicht zu bewegen ist. Man dürfte sagen, die Strafe müsse gegen ihn geschärft werden. Dies wäre nur nützlich in dem Falle, wenn Wahrscheinlichkeit ist, der Entdeckung zu entgehen. Diese soll im Voraus nicht sein, und von einem solchen Staate rede ich nicht. Das Gesetz ist so berechnet: was du dem Andren nehmen willst, das nimmst du dir; so dass Wirkung zu hoffen ist. Nun ist es noch dazu vollzogen, er kann darum weiter kein Zutrauen einflößen.

b) Bei formal bösem Willen: Beschädigung um der Beschädigung willen: teils Beschädigung des Eigentums. (Dieser Fall hat Ähnlichkeit mit einer unvorsichtigen Verletzung, wie sich auch oben in der Beweisführung gezeigt hat; wie beide Fälle zu unterscheiden und auszumitteln, davon an einer andern schicklichen Stelle. (Vgl. a.a.O. S.103.).) Teils Beschädigung der Person; jeder persönliche Angriff; Menschenperson ist heilig und unverletzlich, wer diese nicht ehrt, ehrt überhaupt kein Recht.

c) Wenn ein Wille mittelbar gegen das Gesetz und die Macht desselben sich auflehnt. Das Höchste, was geschehen kann und geschehen soll, ist, dass das Gesetz nur seine Autorität behaupte, wie es festgesetzt ist; aber es kann nicht etwa, als Gegenteil dessen, was der Staat beabsichtigte, eine doppelte Strenge gegen Alle, eine doppelte Macht durch den Beitrag Aller annehmen, Alle würden dann gestraft für das Vergehen eines Einzigen. Hier sonach findet die Strafe des gleichen Verlustes der Natur der Sache nach nicht Statt, und die Strafe der Rechtslosigkeit ist nicht abzubüßen.

Unmittelbar an dem Staate vergeht man sich durch Rebellion und Hochverrat. Rebellion ist es, wenn man gegen die Gewalt des Staates sich eine Macht zu verschaffen sucht, und mit derselben sich der Staatsgewalt widersetzt. Hochverrat, wenn man sich der vom Staate selbst verliehenen Macht bedient, um die Zwecke desselben zu stören oder zu vernichten; oder auch, wenn man sich der anvertrauten Macht absichtlich nicht bedient, um diese Zwecke zu befördern; sonach des Vertrauens der Nation sich bedient, um ihre Absichten zu vereiteln. Rebellieren können nur Privatpersonen; des Hochverrats sind nur die Teilhaber der öffentlichen Gewalt fähig.

9) Alle die bisher aufgestellten Arten der Vergehungen qualifizieren sich zur absoluten Ausschließung vom Staate, dem Verluste des Bürgerrechts; darum, weil die einzige Art der Abbüßung, die wir bis jetzt kennen, die des gleichen Verlustes hier nicht Statt finden kann. Mit dieser Ausschließung kann noch die Strafe des Ersatzes, des gleichen Verlustes, und die Behandlung nach den Gesetzen, die man aufgestellt hat, inwiefern es die Aufrechthaltung des Rechts erfordert, verknüpft sein.

a) Aus der Ausschließung vom Staate folgt die Einziehung des Vermögens ohnedies. Der Verbrecher hat es im Staate erworben, zu dem er, wie sich jetzt zeigt, mit Unrecht gehörte. Aus diesem Vermögen kann der Ersatz bestritten werden. Welchen Modifikationen diese Einziehung unterworfen sein könne, davon tiefer unten.

b) Körperliche Misshandlungen Andrer sollten öffentlich vor den Augen Aller mit der gleichen Misshandlung bestraft werden. Nicht als absolut zufolge jenes Gesetzes der gleichen Behandlung, als eines kategorischen, sondern weil dies in der Hand des Gesetzes ein Mittel werden soll, dieses Vergehen ganz auszurotten, die größte Unbesonnenheit zu zügeln, dem bösesten Willen ein Gegengewicht zu setzen, dass er wenigstens sich so weit nicht vergehe. Menschengestalt soll dem Menschen heilig und unverletzlich werden. Von ihr geht alle Anschauung und aller Begriff des Rechtes aus. Jeder soll darum wissen, dass, so wert ihm diese Unverletzlichkeit in seiner eigenen Person sei, so wert in jeder andren Person sein solle, denn es ist nicht die Person, sondern die Menschheit überhaupt, die sie heiligt. Dass man körperliche Misshandlungen durch ein Strafgeld, oder durch einige Zeit Gefängnis abbüßen kann, scheint mir eine barbarische Verachtung der Menschheit überhaupt auszudrücken. Mord gehört wenigstens unter die körperlichen Misshandlungen, als die höchste Stufe derselben, und darum zunächst unter dieses Gesetz. Ob auf ihn Todesstrafe gesetzt werden könne, wird sich erst tiefer unten ermitteln lassen. Die Beantwortung dieser Frage hängt ab von der: [Ist das Bürgerrecht schlechthin alles Recht, oder gibt es jenseits desselben noch ein Recht, und auf welche Weise?]