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Die Wissenschaftslehre, in ihrem allgemeinen Umrisse

von Johann Gottlieb Fichte

§ 9

Da in der Anschauung weder das Vermögen schlechtweg als solches, noch auch das göttliche Leben, schematisirt wird, indem die Anschauung erst die factische Möglichkeit eines solchen Schematisirens herbeiführt, so ist klar, dass derselben nichts übrigbleibe, denn die blosse Gestillt des Vermögens in seiner Gegebenheit. Es ist (§. 5.) ein Vermögen des Hinschauens, und zwar ohne die Richtung auf das Eine göttliche Leben, die auf diesem Standpuncte verborgen bleibt, ein unbestimmtes und durchaus ungebundenes, jedoch absolutes Vermögen, also ein unendliches. Es schematisirt sich darum als hinschauend ein Unendliches in einem Blicke (den Raum); sich schematisirt es also, demnach als in derselben ungetheilten Anschauung sich zusammennehmend und zusammenziehend auf ein in der ersten Unendlichkeit Begrenztes, in sich selber gleichfalls unendlich Theilbares, einen verdichteten unendlichen Raum, in einem anderen einfachen unendlichen Raume, oder Materie; – auch hier als ein unendliches Vermögen, sich zusammenzuziehen, und so eine unbegrenzte materielle Welt im Raume: welches Alles nun zufolge des angeführten Grundgesetzes des Wissens (§. 5.) ihm als ein wirklich und an sich daseyendes Seyn erscheinen muss.

Ferner, es ist eben durch sein blosses formales Seyn Vermögen, absolut anfangendes Princip. Um sich als solches zu schematisiren für die Anschauung, muss es, vor seiner Wirksamkeit voraus, ein mögliches Wirken erblicken, das es, – so nemlich müsste es ihm erscheinen, – vollziehen könnte, oder auch nicht. Dieses mögliche Wirken kann es nicht erblicken an dem absoluten Soll, das in diesem Standpuncte unsichtbar ist: sonach nur an einer gleichfalls blind schematisirten Causalität, die doch nicht unmittelbar Causalität ist, die aber schlechtweg durch die erscheinende Vollziehung des Vermögens es zu werden erscheine. Eine solche Causalität aber ist ein Trieb. Es müsste sich Fühlen getrieben zu diesem oder jenem Wirken; ohne dass jedoch die Wirksamkeit dadurch unmittelbar gegeben sey, indem eine solche Unmitlelbarkeit ihm die Erscheinung seiner Freiheit, auf die es ja hier ankommt, verdecken würde.

Diese durch den Trieb geforderte Wirksamkeit kann nur eine Wirksamkeit auf die Körperwelt seyn. Der Trieb zur Wirksamkeit wird daher angeschaut in einer unmittelbaren Beziehung auf die Körper; diese werden demzufolge in dieser unmittelbaren Beziehung gefühlt, und erhalten, durch diese Beziehung, ihre innere, mehr als raumfüllende Qualität; und es wird durch diese Bemerkung die oben unvollendet geblichene Bestimmung der Körper vollendet.

Sollte zufolge dieses Triebes, und der Erscheinung der Selbstbestimmung, das Vermögen sich als in der That wirkend erblicken, so würde es in dem Erblicken dieser Wirksamkeit mit der Körperwelt in dieselbige Eine Form der Anschauung zusammenfallen: es würde darum in dieser mit der Körperwelt vermittelnden Anschauung sich selbst als einen Körper erblicken; in seiner doppelten Beziehung zur Körperwelt, theils als Sinn, um die Beziehung derselben auf seinen Trieb zu fühlen, theils als Organ, um seine Wirksamkeit darauf anzuschauen.

In dieser Wirksamkeit ist es sich nun gegeben als das Eine und selbige Vermögen in der Selbstbestimmung aber durch kein Wirken zu erschöpfen, und so Vermögen bleibend ins Unendliche. Es entsteht ihm in dieser Anschauung seines Einen unendlichen Vermögens eine Unendlichkeit, nicht wie die ersterwähnte, in Einem Blicke, sondern eine solche, in der es sein unendliches Wirken anschauen könne; eine unendliche Reihe aufeinanderfolgender Glieder: die Zeit. Da ins Unendliche fort diese Wirksamkeit nur auf die Körperwelt gehen kann, so wird in der Einheit der Anschauung auch auf diese die Zeit übertragen, ohnerachtet diese Welt ihren eigenthümlichen Unendlichkeitsausdruck schon hat an der unendlichen Theilbarkeit des Raumes und aller seiner Theile.

Es ist klar, dass der Zustand, da das Vermögen sich lediglich der Anschauung der Körperwelt hingiebt, und in derselben aufgebt, mit demjenigen, da es auf seinen Trieb auf die schon erkannte zu wirken aufmerkt, auseinanderfällt; dass jedoch auch in dem letzten Zustande ein Schema der vorbanden seynsollenden Dinge bleibt, damit der Trieb auf sie bezogen werden könne: und dies bildet den Zusammenhang zwischen diesen beiden auseinanderfallenden Zuständen der Anschauung.

Dieses ganze Gebiet der Anschauung ist, wie gesagt, Ausdruck und Schema des blossen Vermögens. Da das Vermögen, ohne Schema des götttlichen Lebens, nichts ist, hier aber dasselbe in dieser seiner Nichtigkeit schematisirt wird, so ist dieses ganze Gebiet nichts, und nur in seiner Beziehung auf das wirkliche Seyn, indem dessen factische Möglichkeit dadurch bedingt ist, erhält es eine Bedeutung.