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An Therese Forster

vom 28.12.1793

Den 28. Dezember

Ich hatte vergessen, daß heute noch nicht Posttag ist. Der Brief muß noch bleiben. Ich bin, wie ich war. Die Gicht ist nun einmal eine langsame Schmerzenskrankheit. Also nur Geduld und Mut, spricht der Arzt! Gestern abend, meine geliebteste Therese, erhielt ich Deine nr. 7 vom 12. Dezember. Ich bin sehr dadurch erfreut und aufgerichtet; es ist mir lieb, daß Ihr Euch entschlossen habt zu bleiben, wo Ihr seid. Was kommt auf etliche Monate mit den Hin- und herreisen heraus? Und dort seid ihr nun einmal auf einem Fuß, dessen Verdrießliches und Linderndes Ihr kennt. Wenn ich um Euer Hiersein bisweilen zweifelnd und verlegen scheine, meine inniggeliebten Kinder! so glaubt nur nie, daß die aus irgendeiner Besorgnis über unser künftiges Verhältnis fließe. Ich bin meiner gewiß und weiß, daß uns nichts stören kann und wird. Ich möchte nur gern in der Fülle meiner Sorge für Euch, daß Ihr, wenn Ihr einst hier seid, nicht das geringste Ungemach empfändet. Unser Beisammenleben kann zwar immer nur auf die äußerste reinlichste Simplizität berechnet sein, und daher kann ich mir´s kaum vorstellen, daß, wenn wir einmal so weit sind, hier an einem Orte eingerichtet zu sein, wir je durch Nahrungssorgen in wahre, drückende Verlegenheit geraten könnten; denn wir setzen dabei doch immer voraus, daß auf eine oder die andere Art treues fleißiges Arbeiten uns unsern Unterhalt geben müsse. Allein Ihr wißt, wohl, wie man zuweilen, und zumal wenn man älter wird, den Gedanken, das hättest du besser überlegen müssen, als eine Qual im voraus ansieht. Es ist nun einmal der jetzige Zeitpunkt, wie es scheint, dazu gemacht, daß man die Unzuverlässigkeit menschlicher Pläne darin erkennen und etwas wagen oder dem Schicksal vertrauen lernen soll. Der Grund den Du anführst, daß Dein Verhältnis in D immer unangenehm wegen der Vorurteile bleiben müsse, leuchtet mir vollkommen ein. Hier müßten wir unsern Kreis sehr langsam bilden, aber solange wir allein sein wollten, oder wie es immer wäre, stünde uns wenigstens Vorurteil, Kleinstädterei und Engherzigkeit nicht im Wege. Also Hoffnung und Geduld!

Was Du von meinen süßen, lieben Kleinen schreibst, empfange ich mit herzlichen Dank. die Lyoner Nachrichten mögen leider wahr sein! Die Revolution ist ein Orkan, wer kann ihn hemmen? Ein Mensch, durch sie in Tätigkeit gesetzt, kann DInge tun, die man in der Nachelt nicht vor Entsetzlichkeit begreift. Aber der Gesichtspunkt der Gerechtigkeit ist hier für Sterbliche zu hoch. Was geschieht, muß geschehen. Ist der Sturm vorbei, so mögen sich die Überlebenden erholen und der Stille freuen, die darauf folgt. Meine Lieben, ich kann jetzt nicht weiter vor Erschöpfung. Seid nicht besorgt, denn ich sage es Euch ja genau, wie es ist. Noch aht Tage so hingeleiert, danach hoff`ich allmähligwieder ein bißchen Kraft zu bekommen. Gott erhalte Euch, meine Einzigen.