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Das neue Jahrhundert

von Klopstock.

Weht sanft auf ihren Grüften, ihr Winde!
und hat ein unwissender Arm
ausgegraben den Staub der Patrioten
beweht ihn nicht!

Veracht’ ihn, Leyer, wer sie nicht ehrt!
und stammt’ er auch aus altem Heldenstamme, veracht ihn!
Sie entrissen uns der hundertköpfigen Herrsch-Sucht,
und gaben uns Einen König!

O Freiheit
Silber-Ton dem Ohre!
Licht dem Verstand’, und hoher Flug zu denken!
Dem Herzen groß Gefühl

O Freiheit, Freiheit! nicht nur der Demokrat
weiß, was du bist,
des guten Königs glücklicher Sohn
der weiß es auch.</p>

Nicht allein für ein Vaterland,
wo das Gesetz und Hunderte herrschen,
auch für ein Vaterland,
wo ein Gesetz und Einer herrscht,

ersteiget, wenn diesen Tod sein großes Herz verdient,
ein hohes Thermpylä,[1]
oder einen andern Altar des Ruhms,
und locket sein Haar,[2] und stirbt!</p>

Unsterblichkeit dir!
Mit Blumen-Kränzen umwindet
die Muse dein heiliges blutiges Haar!
und weinet Mutter-Thränen dir nach!</p>

Süß und ehrenvoll ist es, sterben für’s Vaterland!
für Friedrich!
und für des edlen Vaters
glückliche Kinder, sein Volk!</p>

Ich seh’, ich seh’, ein Geist der Patrioten
entstammet der Krieger Schaar!
Du fließest, fließest,
Blut für das Vaterland![3]</p>

Namen jetzt nicht bekannter, als andre Namen sind,
Fliegen wie Adler empor! [4]
Die Mutter, die Braut trocknen die bebenden Thärne schnell;
denn des Todten Verdienst entweihen Thränen!</p>

Allein mit Weisheit, die männlicher,
mit Vater-Liebe, die edler, als Muth zu kriegen, ist,
hält Friedrich sein Schwert zurück;
Europa donnert! — er schweigt.</p>

Dank dir, unser Vater
daß wir dein Fest, und unser Fest,[5]
unter des segentriefenden Friedens
beschattendem Fittige feiern!</p>

Nicht mit der lärmenden Pracht
der Freude, welche nur schimmert, und tönt,
nein, deiner würdiger, Friedrich,
mit tiefanbetenden Preiße des Welt-Beherrschers,</p>

der uns dich, und deine Väter gab,
mit stiller Ruhe feiern wir,
mit Freude tief im Herzen,
und ihrer entzückenden Thräne!</p>

Entschlafnes Jahrhudert!
hebe dein niedergesunkenes Haupt noch Einmal empor,
und gieb dem neuen Jahrhundert
den Segen, welchen du hattest![6]</p>

Es hebt aus seinem Grabe sich auf,
und segnet:[7]
Nur Friedrich und Christian
sollen das neue Jahrhundert beglücken!<p>

Das flehen wir, und unsre Kinder,
Vorsehung, dich an!
dich an, die jetzo die Völker
mächtig erinnert, sie herrsche!<p>

<=#=#=>

Hört ihr der Herrscherin donnernde Woge nicht klingen?
in ihren furchtbaren Klang
schreien Blut und Elend!
Nur wenige singen von Frieden darin!</p>

Die donnernde Woge tönet fort, und wägt!
Ein Sandkorn mehr jetzt in die Eine,
dann in die andre Schale,
ist Sieg voll Blut und Elend!

Noch werden der Krieger Stolzeste sagen: Nicht deine brüllenden Tode
schrecken mich, nicht deine Wetter, Schlacht!
Aber das Sinken und Steigen der göttlichen Wag-Schal,
und ihr Todes-Ton schrecket mich!</p>

O Vorsehung, beschleuß doch endlich,
endlich die blutigen
wieder besiegten Siege,
mit Einem, der Frieden gebeut![8]</p>

So wollen unser Vater, und wir,
Er, daß er uns liebet!
wir, daß wir Ihn lieben!
ohne Wehmuth uns freun!</p>

Wie glücklich sind wir!
Weht über der Patrioten Gebein, ihr Winde, sanft!
Auch an Friedrich’s ungehinderter Liebe
haben sie Theil!</p>

<p>O du, das uns mit jeder fröhlichen Hoffnung umlächelt, festliches erstes Jahr! Mit dem Flügel der Sommer-Morgen-Röthe schwebst du dem Tage voran!</p>


[1] Vergl. Möller’s Leonidas im 1. Bande.

[2] Anspielung auf die alterthümliche Sitte, sich, bsonders für den Todesfall, zu reinigen und namentlich das  Haupt zu schmücken.

[3] Und für diese, leider nur nur zu wahr gewordene Verkündung zeugen zunächst die weiterhin folgenden Gesänge zur Feier des grünnen Donnerstages 1801

[4] Siehe vorhergehende Fußnote

[5] Den Geburtstag des königlichen Wohlthäters.

[6] Für des friedenreiche Dänemark freilich mehr, als für die meisten andern Staaten.

[7] Eine erhabne des großen Dichters und seines Gegenstandes würdige Darstellung.

[8] Vorstehende vier Strophen hat man sich besonders beim Jahrhundert-Wechsel erinnert.