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An mein Herz

[3. Fassung von An das Herz]

Kleines Ding, mit Müh' und Leiden
Hier in dieser Brust gepfleget,
Herz! wenn sich dein Sturm nicht leget,
Herz! wo sind denn deine Freuden?

Deine Schläge! wie so selten
Mischt sich Lust in sie hinein!
Und wie schnell sind sie, mit Pein
Jede Lust mir zu vergelten!

Phyllis! ach nur Augenblicke
Lacht, was jeden Unmut stillt,
Lächelt dein geliebtes Bild
Es von ew'gem Gram zurücke.

Ganz verwandelt, neu geboren
Fühl' ich dann mich, Göttern gleich:
Und die Welt ein Himmelreich,
Das du dir zum Sitz erkoren.

Ja, ein Blick von dir zerteilet
Der Verzweiflung Nacht in mir,
Dass mit Riesenschritt zu dir
Meine Hoffnung siegreich eilet.

Alles sind mir deine Augen
Was der Erde Sonnenschein,
Wo die Trauben ihren Wein,
Die Geschöpfe Leben saugen.

Könnt' ich dir zu fühlen geben
All die Wohltat deines Blicks!
Schöpfer meines ganzen Glücks,
Spricht er über Tod und Leben.

Aber Angst und Furcht und Schrecken
Überfallt im höchsten Wohl
Mich auf einmal: Phyllis! soll
Diesen Blick einst Nacht bedecken?

Sollen diese Zaubermienen,
Wo der Liebe ganze Macht
Mir das Herz hinweg gelacht,
Einst dem trüben Unmut dienen?

Dieser Busen, der mir Triebe
Banger Lust entgegen schwoll,
Soll er schwinden? Himmel! soll
Ihn kein Wunsch empören, Liebe?

Phyllis, soll sogar dein Feuer
Und dein schöner Witz dich fliehn?
Ungetreue – sieh mich knien,
Dennoch bleibst du, bleibst mir teuer.

Fährt dein Herz nun fort zu schlagen,
Für das Herz, das dich verehrt,
Dem du diese Glut gelehrt,
Sie bis in sein Grab zu tragen.

Ach ich will dich mit Entzücken,
Wenn dein Herz nur fühlbar ist,
Selbst wenn du es nicht mehr bist,
An des Greisen Schneebrust drücken.

Auf verwelkten Lippen schweben
Unsre Seelen noch vereint,
Wenn das Auge nicht mehr weint,
Soll es doch zu weinen streben.

Zitternd falten wir die Hände
Ineinander, halb vertaubt,
Stützen wir noch Haupt an Haupt
Und erwarten so das Ende.