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Der verdorrte Baum

Ein Gärtner, der mit strenger Hand
An seinen Bäumen schnitt und band,
Und wenn er wilde Zweige fand,
Sogleich von innerm Zorn entbrannt,
Den Bäumchen drohete, den Übermuth zu zwingen,
In eine Hecke sie zu bringen.
Der Gärtner, als er putzt und hieb,
Fand auch ein Bäumchen schlank und zart,
Von schönem Wuchs, und seltner Art,
Das aller Kenner Urtheil nach,
Ihm Frucht und Schatten früh versprach,
Das aber ihm zu hitzig trieb.
Da holt' er Binsen sich, und bald
Band er mit grausamer Gewalt
Den wilden Zögling fest an eine Stange.

Das arme Bäumchen, ach! es stand
Betrübt, und schmachtete so lange,
Bis es verdorrt an seiner Stange
Der »weise« Gärtner fand.

Muß man, der Wildheit vorzubaun,
Die Lebensgeister dann ersticken? - -
So sah ich manch Genie erdrücken,
Das (Gott verzeih's dem Pädagogen,
Der es zu einem Nichts erzogen!)
Geschaffen ward, mit Schatten zu erfreun,
Mit Früchten süß und rein,
Den müden Wandrer zu erquicken.