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Liebchen an W.

Geliebter, wirst du mir, nicht schreiben?
Nein, sagt die Trägheit, laß es bleiben,
Dein Liebchen macht sich nichts daraus.
Sie hat zu thun in ihrem Haus,
Und hoffet morgen mit Entzücken
Dich selbst an ihre Brust zu drücken,
Und morgen ist nicht weit entfernt!
Doch nein! du musst ihr heute schreiben,
Denn Liebchen hat noch nicht gelernt,
Zwölf Stunden ohne Brief zu bleiben.
O! wenn du wüsstest, wie sie izt
Verlassen auf dem Sopha sitzt,
Bald ungeduldig nach dem Fenster blicket,
Bald aufwärts, und bald abwärts rücket,
Die Mägde ruft, und wieder von sich jagt,
Nach diesem und nach jenem fragt,
Und doch auf keine Antwort achtet:
Wie sie nach dir, nach Allem schmachtet,
Was nur aus deiner Feder fließt:
Wie jedes Wort, von dir geschrieben,
Ihr Wonne in die Seele gießt;
Du würdest schreiben, oder gar nicht lieben.