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Bruchstücke von Psyche

einem unvollendet gebliebenen allegorischen Gedichte.

An Herrn Weise.

Sie haben, liebster Freund, die Gründe nicht ganz mißbilligen können, welche mich bewegen, diese Psyche, deren Ausführung Sie zu wünschen die Gütigkeit hatten, unter andern unvollendeten Versuchen in meiner poetischen Werkstatt liegen zu lassen. Gleichwohl wollten Sie nicht zugeben, daß auch dasjenige, was davon schon seit langer Zeit fertig war, ganz verlohren seyn sollte. Warum, mein Theuerster, mußten Sie dem väterlichen Triebe noch zu Hülfe kommen, der nur gar zu geneigt ist, uns für die Kinder unsers Geistes einzunehmen? Sehen Sie nun selbst, was Sie gethan haben! Ich sende Ihnen hier das einzige Fragment von Psyche, welches gewisser maßen ein kleines Ganzes ausmacht, und worinn mir einige Stellen fähig geschienen haben, den Grazien zum Opfer dargebracht zu werden. Hab’ ich mich geirret, so kann Ihnen dieses kleine Stück wenigstens zum Beweise dienen, wie gering der Verlust des Ganzen ist.

Vorbericht

Die bekannte Milesische Fabel von Amor und Psyche aus dem goldnen Esel des Apulejus, die schon in den frühesten Jahren unsers Dichters mit einem ganz eigenen Zauber auf seine Seele gewirkt hatte, bildete sich nach und nach in seiner Fantasie zu einem idealischen Traumgesicht einer Art von allegorischer Naturgeschichte der Seele, mit dessen Ausbildung er viele Jahre lang umging, ohne zu dieser besonderen feinen Stimmung des Gemüths und dieser äußeren Ruhe und Muße gelangen zu können, welche ihm zur Ausführung und wirklichen Darstellung des ihm vorschwebenden Ideals nothwendige zu seyn schienen. Die Idee dieser Psyche verfolgte ihn, so zu sagen, wie das Gespenst einer lieben Abgeschiedenen, das dem Geliebten mit offnen Armen entgegen schwebt, aber so bald er es zu erfassen glaubt, zwischen seinen Armen in Luft zerflossen ist. Vermuthlich lag es auch an den Hindernissen, welche die verschiedenen Lagen des Dichters in dem ganzen Zeitraume zwischen den Jahren 1758 und 75 der Ausarbeitung eines so zart gesponnenen psychologischen Feenmährchens entgegen setzten, daß er sogar über die Art der Einkleidung und den Hauptton, der durch das ganze Gemählde herrschen sollte, nie mit sich einig werden konnte.

Endlich brachte ihn ein zufälliges Zusammentreffen von Ideen auf den Einfall, diese Geschichte der Psyche einer liebenswürdigen und zur feinsten Art von Schwärmerey aufgelegten Priesterin, von einem - Platonischen Liebhaber in einer Reihe schöner Sommernächte erzählen zu lassen. Glücklicher Weise bot sich ihm hierzu die (aus dem Plutarch bekannte) zweyte Aspasia an, die aus einer Geliebten des jüngern Cyrus, nach dem tragischen Tode dieses Prinzen, Oberpriesterin der Diana zu Ekbatana geworden war. Zum Erzähler machte er nun einen schönen jungen Magier aus Zoroasters Schule; und, da ihm diese Form der Erzählung unter allen andern, die sich nach und nach dargestellt hatten, die schicklichste zu seyn däuchte, um alle Zwecke zu vereinigen, die er bey diesem poetischen Werke beabsichtigte: so beschloß er keine andre zu suchen, und machte sich an einigen heitern und geschäftfreyen Tagen, die ihm im Jahre 1767 zu Theil wurden, an die Ausführung.

Diese Spiele mit seiner Muse waren ihm in seiner damahligen Lage, im eigentlichen Verstande, curarum dulce lenimen; und wenn es allgemein wahr wäre, daß verstohlner Weise erzeugte Kinder schöner und geistreicher wären, als andre, so müßten seine in der Kanzley der Reichsstadt Biberach entstandenen Gedichte nicht geringe Vorzüge vor den übrigen haben.

Aber das angefangene Werk war von einem zu großen Umfange, - die günstigen Stunden, die er dazu stehlen mußte, zu selten - und, die Wahrheit zu sagen, das Gefühl der Geisteskraft, die zu seiner Ausführung erfordert wurde, nicht stark und anhaltend genug, als daß er die Lust fortzufahren nicht ziemlich bald verloren hätte. Er vertröstete sich selbst mehrere Jahre durch auf gelegnere Zeiten: aber sie kamen nicht; andere Plane, andere Arbeiten bemächtigten sich seiner Einbildungskraft; ein Theil des Stoffes, woraus jenes Werk hätte gewebt werden sollen, wurde nach und nach im Idris, im Neuen Amadis und in den Grazien verarbeitet; aus einem andern Theil entstand die Erzählung Aspasia, und von dem, was das erste, zweyte, dritte und vierte Buch von Psyche ausgemacht haben sollte, erhielten sich bloß die Bruchstücke, welche theils in der Vorrede zur ersten Ausgabe der Musarion, theils als Anhang zur ersten Ausgabe der Grazien (1770) theils im Deutschen Merkur (May 1774) bereits abgedruckt worden sind, und damahls eine so günstige Aufnahme gefunden haben, daß sie hoffentlich des wenigen Raums, den sie in gegenwärtiger Sammlung einnehmen, auch itzt nicht ganz unwürdig scheinen werden.

I.

Die folgenden Verse sind aus einer Art von Eingang übrig geblieben, der zu einer im Grunde sehr unnöthigen, aber damahls vielleicht nicht ganz unzeitigen Schutzrede für die Gattung von Gedichten unter welche diese Psyche gehören sollte, bestimmt war. 

*    *    *

Man weiß, daß Pilpai, Trismegist,
Und Plato selbst sich oft herab gelassen,
Was von der Geisterwelt zu wagen räthlich ist,
In eine Art von Mährchen zu verfassen,
Wobey, wie blau sie auch dem ersten Anblick sind,
Der beste Kopf zum Denken Stoff gewinnt.
Man pflegt’ in jenen Kindheitstagen
Der Welt die Weisheit stets in Bildern vorzutragen;
Und klüglich, wie uns däucht; denn ungebrochnes Licht
Taugt ganz gewiß für blöde Augen nicht.
Die Wahrheit läßt sich nur Adepten
Gewandlos sehn, und manches schwache Haupt,
Das ungestraft sie anzugaffen glaubt,
Erfährt das Loos der alten Nymfolepten,
Und läßt für einen Augenblick
Zweydeut’ger Lust sein Bißchen Witz zurück.
Ein Schleier, wie der Morgenländer
Um seine Dame zieht, nicht eben siebenfach,
Doch auch so gläsern und wie Koische Gewänder,
Verhütet sehr bequem dergleichen Ungemach.
Liebhaber die Geschmack mit Witz verbinden,
Gewinnen noch dabey. Sie finden
In einem Putz, der weder schwimmt noch preßt,
Viel Schönes sehn doch mehr errathen läßt,
Die Wahrheit, just wie andre Schönen,
Nur desto reitzender. Gemeinern Erdensöhnen
Gefällt doch wenigstens die feiner Stickerey,
Der reiche Stoff, der Farben Spiel und Leben;
Sie würden um den Putz die Dame selber geben;
Und was verlören sie dabey?  

II.

Alkahest, der junge Magier, der die schöne Oberpriesterin Aspasia mit dem Mährchen von Psyche unterhalten sollte, beginnt seine Erzählung mit einer Schilderung der goldnen Zeit, die in dem ersten Buche der Grazien einen schicklichen Platz gefunden hat. Und nun fährt die Erzählung des Dichters folgender Maßen fort: 

Hier kommt, mit Recht, ein unaufhaltbar’s Gähnen
Die aufmerksame Freundin an;
Sie weist dem jungen Mann die schönste Reih’ von Zähnen
Um schönsten Munde, der sich jemahls aufgethan:
»Und Psyche - gähnt sie aus - war damahls schon geboren?«

Sie zupfen mich zu rechter Zeit, Madam,
(Spricht Alkahest) ein wenig bey den Ohren;
Ich weiß nicht wie ich da ins Fantasieren kam;
Und Psyche - In der That, der Faden ist verloren -
Wir müssen schon zurück! - In dieser goldnen Zeit
Wovon die Rede war - Die Wendung, ich gestehe,
Ist etwas rasch, allein der Umweg war zu weit.
Das beste scheint mir itzt, ich gehe
Den nächsten Weg zurück in meine Bahn,
Und fange - bey dem Anfang an.

In jenen goldnen Tagen dann,
Wo? gilt uns gleich, lebt’ eine junge Dirne,
Das angenehmste Ding, das man
Mit einem Schäferstab und Rosen um die Stirne
Sich denken mag. Ihr Ursprung, unbekannt;
Es ward davon verschiedentlich gesprochen;
Doch weil man sie an einer Hecke fand,
Gab der gemeine Wahn, von ihrem Reitz bestochen,
Ihr Dschinnistan zum Vaterland;
Denn ihre Wärterin gestand,
Die Windeln hätten nach Ambrosia gerochen.
Wie dem auch sey, genug aus Leda’s Ey
War nichts so liebliches wie Psyche ausgekrochen.
Sie schien beym ersten Blick die reitzendste Kopey
Von einem Urbild aus dem Lande der Ideen;
Ganz Seele, ganz Gefühl, oft bis zur Schwärmerey,
Und dann, die Wahrheit zu gestehen,
Geneigt im Rausch der süßen Raserey
Den ersten jungen Faun für Amorn anzusehen,
Auch ihren Neigungen nicht immer sehr getreu;
Gefällig sonst und bildsam, leicht zu leiten,
Oft gar zu leicht, wiewohl zu andern Zeiten
Voll Eigensinn, von Launen selten frey,
Und sinnreich, sich aus einer Kinderey
Bald Stoff zur Lust und bald zur Unlust zu bereiten;
Der Ruhe hold, und doch nie ruhig; arbeitscheu,
Doch unermüdet zum Vergnügen;
Leichtgläubig allem was ihr neu
Und unbegreiflich schien, und, wenn ihr Herz dabey
Gewann, ein wenig rasch sich selber zu betrügen;
Doch ohne daß das gute Herz dabey
An Arges dachte; frank und frey
Von Arglist und von Schadenfreude,
Der Schwermuth herzlich gram so wie der Gleißnerey;
Kurz, gar ein gutes Kind, das seine Augenweide
An Andrer Wonne sag, und, wenn sie selbst der Freude
Sich überließ, in ihrer Fantasey
Rings um sich her gleich alles glücklich machte,
Fest überzeugt, und sehr vergnügt dabey,
Daß eine Welt, worin ihr alles lachte,
Die beste aller Welten sey.

So war sie, da sie aus den Händen
Der Mutter Isis kam; noch ungebildet zwar,
Doch voller Stoff. Sie auszubilden war
Der Musen Amt, sie zu vollenden
Der Grazien - Was fehlt zur Göttin ihr?
Der Götter Glück. Auch dieß ihr zuzuwenden,
Gebührt allein, o Gott der Liebe, Dir!

III. 

Psyche befand sich, unmittelbar vor dem Augenblicke, da dieses Fragment anfängt, in der Gemüthsstimmung, für einen jungen Hirten, mit welchem sie erzogen worden war, etwas zu empfinden, das mehr den Nahmen einer Anlage zur Zärtlichkeit als einer leidenschaftlichen Liebe verdiente. 

So zärtlich fühlte sich ihr junges Herz noch nie.
Aus Neugier halb und halb aus Sympathie
Zieht sie die Hand, die er ergreift, zurücke,
So reitzend ungewiß, daß Er an seinem Glücke
Nicht zweifeln kann. Doch, wie er, hoch entzückt,
Die schöne Hand - noch nicht an seine Lippen drückt,
Nur eben drücken will - in diesem Augenblicke
Wird Psyche schnell empor gerückt,
Und durch die Luft, verfolgt von seinen Klagen,
Wie leichter Flaum vom Zefyr fortgetragen.  

Mit diesen Versen schloß das zweyte Buch, und was nun folget, machte einen Theil des dritten aus.

*    *    * 

Wo bin ich? Welch ein Ort? Wer brachte mich hierher?
Rief Psyche, da sie sich, als wie von ungefähr,
Auf weichem Moos, beschneyt von Rosenblättern
Und mit Schasmin, an eine Myrtenwand
Gelehnt, an einem Ort, der würdig schien von Göttern
Bewohnt zu seyn, auf einmahl wieder fand.

Sie dreht mit zweifelhaften Blicken
Sich schüchtern um, und fragt sich ob sie wacht?
»Träumt’ ich bisher? - Vor wenig Augenblicken,
Wo war ich da? - Nicht hier! - In Hirtentracht
Schien mir die Hand ein Liebesgott zu drücken.
Es war ein Traum! - Und doch - Nein, nein,
Es kann kein Traum gewesen seyn!
Er lauscht gewiß in diesen Myrten.«

Sie sucht, und findet wieder Hirten
Noch Liebesgott; ganz einsam ist der Hain,
Nur zärtlich girrende verliebte Turteltauben
Bewohnen ihn, und fliehen nicht vor ihr.

Ihr Wunder steigt und ihr Neubegier
Mit jedem Blick. Was soll sie glauben?
»Wie? ruft sie, war ich nicht kaum eine Schäferin?
War’s nur ein Traum aus dem ich itzt erwachte?
Das fühl’ ich doch, je mehr ich mich betrachte,
Daß ich noch stets die kleine Psyche bin!«

Und dennoch eilet sie zu einer Quelle hin,
Die im Gebüsch ihr Murmeln sichtbar machte.
Ihr erster Blick erkennt die reitzende Gestalt,
Mit welchem innigen Entzücken!
Sie streckt die Arme aus, mit liebevollen Blicken
Die schöne Brust, die ihr entgegen wallt,
An ihr aufwallend Herz zu drücken.
So zärtlich liebten sich zwey schöne Schwestern nie.
Sey immerhin der junge Hirt verschwunden!
Verschwunden war er flugs aus ihrer Fantasie
Und alle Welt mit ihm, so bald sie - sich gefunden.

Noch schwebt sie über dem bezaubernden Gesicht,
Als eine Stimme sie in dieser Wonne störet;
Musik war jeder Ton; sie schaut empor und höret,
Doch wen sie höre, sieht sie nicht.

»Kann Psyche noch mit ihrem Schatten spielen,
Sie, die der schönste Gott zum Lieblich sich erkiest?
O wüßte sie wie schön er ist,
Wie würde sie zu ihm sich hingerissen fühlen!
Sie, die der schönste Gott zu seiner Braut erkiest,
Sie fühlte sich zu groß mit Puppen noch zu spielen.«

So sang die Stimm’ und schwieg. Das Mädchen schaut empor
Und um sich her, sieht niemand, lauscht betroffen
Dem Wohlklang nach, der im entzückten Ohr
Noch wiedertönt. - »Wer heißt so stolz mich hoffen?
Hört’ ich auch recht? Ein Gott, der liebte mich?
Der schönste Gott? - Warum verbärg’ er sich?«

»Dein Aug’ ist noch zu schwach sein Anschaun zu ertragen,
(Versetzt die Stimm’) obschon gewohnt doch selbst zu sehn;
Du würdest, Psyche, vor Behagen
Und Wonne, sollt’ er dir erscheinen, gleich vergehn.«

Auf die Gefahr, denkt Psyche, wollt’ ichs wagen,
Und lächelt mädchenhaft ihr Bild im Wasser an.
Sie möchte gern noch dieß und jenes fragen,
Allein die Stimme schweigt. Auch Sie verstummt’ und sann
Der Wunderstimme nach und dieser neuen Liebe.

»Mich liebt ein Gott! So war es seine Macht
Was mich hieher in einem Wink gebracht?
Der schönste Gott? - Gewiß der Gott der Liebe!
Gewiß er selbst! Noch nie gefühlte Triebe
Und süße Schauer sagen mir,
Sein Hain sey dieß! Wer anders herrschte hier?
O, die ihr euch in diesen Myrten gattet,
Ihr Täubchen, leitet meinen Fuß
Zur Laube hin, die ihn umschattet,
O zeigt ihn mir, und Psychens erster Kuß
Sey euer Lohn!«

Dionens Vögel rühret
Der süße Lohn. Sie wird auf einem Blumenpfad
In lieblich irrenden Gebüschen fortgeführet,
Und nahet unvermerkt dem angenehmsten Bad.

Ah! welche ein Anblick! - Rosenhecken,
Mit Efeu unterwebt, verhüllen und entdecken
Zugleich das Lieblichste, was Augen jemahls sahn.
Darf sie der Götterscene nahn?
Sie darf. Ein Zefyr schwebt voran
Und zieht den Vorhang weg. O göttliches Vergnügen!
Auf Blumen, welche, leicht wie Geist
Und hell wie Luft, ein sanfter Quell befleußt,
Sieht sie die Huldgöttinnen liegen.
Wie schön gruppiert! Wie reitzend schwesterlich!
Zum Spiel beschäftigt, Blumenketten
Um lose kleine Amoretten
Zu winden, welche schmeichelnd sich
Um jeden runden Arm und weißen Nacken schmiegen,
Hier schlau versteckt aus schwarzen Locken lächeln,
Dort sich auf Lilienbusen wiegen,
Und ihre rege Gluth mit goldnen Schwingen fächeln.

Ein Mahler möcht’ ich seyn, wie dieser Augenblick
Auf Psychen wirkte, auszudrücken!
Dieß süße Schaudern, dieß Entzücken
Gemahlt von Guido - welch ein Stück
Die Dresdner Galerie zu schmücken!
Doch dazu wählt’ ich mir den schönern Augenblick,
Da sie, entdeckt vom ganzen kleinen Schwarme
Der Götterchen, den Grazien in die Arme
Getragen wird, und (was ihr süßes Staunen mehrt)
Sich Schwesterchen, sich Psyche nennen hört,
An jeden holden Mund, an jede Brust gedrückt,
Der Zärtlichkeit, wovon ihr Herz erstickt,
Sich überlassen darf, und küssend und geküßt
Vernimmt, daß alles hier um ihrentwillen ist.

Indem sie unter so viel Freuden
Sich selbst vergißt, erhascht die kleine Schaar
Den Augenblick, der ihnen günstig war
Zur Grazie sie umzukleiden.
In einem Wink steht sie gewandlos da,
Beschämt den losen Blick der Götterchen zu weiden,
Zu denen sie des Streichs sich nicht versah,
Sie schmiegt, um ihnen zu entrinnen,
In Pasitheens Brust ihr glühendes Gesicht;
Die kleine Blöde wußte nicht
Wie viel die Grazien selbst bey dieser Tracht gewinnen.
Ein lieblich Mittelding von Ideal
Und von Natur, auch zwischen Huldgöttinnen
Noch reitzend, steht sie da, der Wahl
Des schönsten Gottes werth, der, hoch aus Rosenlüften
Auf einen Zefyr hingebückt
Im Geiste sie an seinen Busen drückt.

Und nun, da Amfitritens Grüften
Apollons goldner Wagen naht,
Entsteigen sie dem kühlen Bad.
Schon wallet von den weißen Hüften,
Wie Silberduft, Sokratisches Gewand
Zum schönen Knöchel reitzend nieder,
Und Psychen flicht Aglaiens eigne Hand
Die Rosen ein, die Amors kleine Brüder
Für sie gepflückt. In einem Myrtensahl
Folgt itzt dem Bad ein leichtes Göttermahl
Von Fröhlichkeit und süßem Schmerz gewürzet,
Dem Mahl ein Lied, dem Lied ein Grazientanz;
Sie tanzen nymfenhaft geschürzet
Auf kurzem Gras, bey Lunens Silberglanz,
Indeß geschäft’ge Amoretten
Für Amors Braut ein sanftes Lager betten.

Den Grazien und den Amoretten
Schließt itzt auf ihren Rosenbetten
Der weiche Schlaf die Augen zu:
Nur Psychen läßt die Freude keine Ruh’
Sich an dem schönen Ort zu sehen.
Noch faßt sie nicht wie ihr geschehen;
Nur dieses einz’ge fühlet sie,
Der Ort und was sie da gehöret und gesehen,
Sey nicht ein Spiel der Fantasie.
Was läßt nicht solch ein Anfang hoffen?
Geliebt vom schönsten Gott, und wo sie geht ein Schwarm
Von Zefyrn und von Amorinen
Und Charitinnen Arm an Arm,
Die neue Venus zu bedienen!
Wem würde nicht der Kopf von solchen Bildern warm!
Auch sieht sie schon den hellen Himmel offen,
Sieht jeden Gott verliebt in Amors Glück
Und Eifersucht in jeder Göttin Blick,
Schwimmt um und um in Glanz und Wohlgerüchen,
In Harmonie und nahmenloser Lust,
Und wird zuletzt - an Amors Brust
Vom Schlummer unvermerkt beschlichen.

Vermuthlich denken Sie - »Ich? spricht die Priesterin:
Sie selbst, wo denken Sie wohl hin,
Zu glauben, daß bey dieser Stelle
Sich was besondres denken läßt?«

Ich meinte nur, erwiedert Alkahest,
Die Ursach’ wäre ziemlich helle.
Von Amorn ließe sich, schon seinem Rufe nach,
Ein wenig Hinterlist vermuthen.
Dient ihm sein Pfeil statt aller Zauberruthen,
Wer dächte, daß es ihm an Willen nur gebrach?
Auch öffnet er sich Psychens Schlafgemach
Und schleicht hinzu und - schaut. - Kann Venus schöner liegen?
Wie sanft sie ruht! Wie schmeichelhaft
Die leichten Träume sich auf ihrem Busen wiegen!
Und was aus eifersücht’gem Taft
Sein irrend Auge niederziehet,
Ein Tithon hätte sich zum Jüngling dran vergafft!
Wie hätte Vater Zevs vor diesem Fuß geknieet,
Der halb versteckt nur desto mehr verführt!
Und Amor, der aus Liebe sie entführt,
Er sah noch mehr und - wurde nicht gerührt?
Nichts scheint vom Glaublichen sich weiter zu entfernen,
Ich geb’ es zu. Allein, wir werden bald
Zwey Amorn unterscheiden lernen,
Halbbrüder zwar, allein an Herkunft und Gestalt
Und Neigung wahre Gegenfüßer.
Der eine findt den Mund unendlich süßer
Der reitzend küßt, als den der göttlich spricht,
Und ihn versucht die weiseste der Musen
Vielleicht durch einen schönen Busen,
Doch sicherlich durch ihre Weisheit nicht.
Der andre sieht im schönsten aller Busen
Nichts als - der Unschuld Wiederschein;
Ihm sind nur Seelen schön, und fänd’ er an Medusen
Das Innre liebenswerth, sie würd’ ihm Venus seyn.
Der Rest ist nichts warum er sich bekümmert;
Die Tugend, die durch Psychens offne Brust,
Wie durch Krystall, ihm in die Seele schimmert,
Läßt für gemeine Augenlust
Ihm keinen Sinn. - Sie lächeln einer Tugend
Die kaum mit Puppen noch gespielt?
Doch unser Amor sieht in Psychens grüner Jugend
Den Herbst bereits, den noch die Knosp’ enthielt,
Und das Vergnügen selbst sein Knöspchen zu entfalten
Ist ihm, der bloß Platonisch fühlt,
Mehr als genug sein Herz zu unterhalten.

Indessen, ob er gleich das liebe Kind bey Nacht
Nicht in der Ruhe stören wollte,
So war er doch nicht minder drauf bedacht,
Daß sie so schön erwachen sollte
Wie noch kein Erdenkind erwacht.
Neun Musen, rings um Psychens Bette
Gelagert, wirbelten so reitzend in die Wette,
Daß Psyche, die davon erwacht,
Schon im Olymp zu seyn sich gänzlich überredet.

Sie sangen, wie der Krieg, der in der alten Nacht
Das ungestalte Heer der Atomen befehdet,
Auf Amors Wink der Ordnung Platz gemacht,
Wie neue Formen sich zu bilden angefangen,
Und, von der Liebe Geist geschwellt,
Voll sympathetischem Verlangen
Die Keime gleicher Art einander angehangen,
Bis durch den Ocean des Äthers Welt an Welt
Gleich Frühlingstagen aufgegangen.  u. s. w.