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Das Abenteuer der Neujahrsnacht

14.

Philipp hätte beinahe an Hexerei glauben mögen, oder daß er träume. Denn so verworren und bunt es in dieser Nacht zuging, war's ihm in seinem Leben noch nicht ergangen. Er hatte sich eigentlich keine Vorwürfe zu machen, als daß er mit dem Prinzen die Kleider getauscht und dann wider seinen Willen dessen Rolle auf dem Ball gespielt hatte. Da aber der Prinz vermutlich die Nachtwächterrolle ebenfalls nicht in der Regel gespielt haben mochte – denn warum mußte er sich als Nachtwächter verhaften lassen? – hoffte er bei diesem Gnade zu finden.

Beim Palast schlug dem armen Philipp das Herz stärker. Man nahm ihm Mantel, Horn und Stange ab. Der Prinz sprach mit einem vornehmen Herrn einige Worte. Sogleich wurden die Polizeidiener weggeschickt; der Prinz ging die Stiegen hinauf, und Philipp mußte folgen. »Fürchte dich nicht!« sagte Julian und verließ ihn. Philipp wurde in ein kleines Vorzimmer geführt, wo er lange allein blieb.

Endlich kam ein königlicher Kammerdiener und sagte: »Kommt mit mir. Der König will Euch sehen.«

Philipp war fast außer sich vor Schrecken. Seine Knie wurden schwach. Er ward in ein schönes Zimmer geführt. Da saß der alte König lachend an einem kleinen Tisch. Neben ihm stand der Prinz Julian ohne Larve. Sonst war niemand im Zimmer.

Der König betrachtete den jungen Menschen eine Zeitlang und, wie es schien, mit einer Art Wohlgefallen.

»Erzähle mir alles genau«, sagte der König zu ihm, »was du in dieser Nacht getan hast.«

Philipp gewann durch die leutselige Anrede des ehrwürdigen Monarchen wieder Mut und beichtete haarklein, was er getan und erlebt hatte, von Anfang bis zu Ende. Doch war er klug und bescheiden genug, das zu verschweigen, was er in seiner Prinzenrolle von den Höflingen gehört hatte und wodurch Julian hätte in Verlegenheit gesetzt werden können. – Der König lachte bei der Erzählung einige Mal laut auf; dann tat er noch einige Fragen über Philipps Herkunft und Beschäftigung, nahm ein paar Goldstücke vom Tisch, gab sie ihm und sagte: »Nun geh du, mein Sohn, und warte deines Berufs. Es soll dir nichts Leides geschehen. Aber entdecke keinem Menschen, was du in dieser Nacht getrieben und erfahren hast. Das befehle ich dir. Nun geh!«

Philipp fiel dem König zu Füßen und küßte dessen Hand, indem er einige Worte des Dankes stammelte. Als er wieder aufstand, um fortzugehen, sagte Prinz Julian: »Ich bitte untertänigst, daß Ihre Majestät dem jungen Menschen erlauben wolle, draußen zu warten. Ich habe ihm für das Ungemach, das ich ihm diese Nacht verursachte, noch eine kleine Schuld abzutragen.«

Der König nickte lächelnd mit dem Kopfe, und Philipp entfernte sich.

»Prinz!« sagte der König und warnte drohend mit dem aufgehobenen Finger. »Ein Glück für Sie, daß Sie mir die Wahrheit sagten! Ich will auch diesmal noch Ihren wilden, albernen Possen Verzeihung widerfahren lassen. Sie hätten Strafe verdient. Noch einmal solch einen Pagenstreich, und ich werde unerbittlich sein. Nichts wird Sie dann entschuldigen. Die Geschichte mit Herzog Hermann muß ich noch näher kennen. Gut, wenn er fortgeht; ich mag ihn nicht. Von dem, was Sie über den Polizei- und Finanzminister sagten, erwarte ich ebenfalls Beweise. Gehen Sie jetzt und geben Sie dem jungen Gärtner ein Trinkgeld. Er hat in Ihrer Maske vernünftiger gehandelt als Sie in der seinigen.«

Der Prinz verließ den König. Er legte in einem Nebenzimmer den Ballanzug ab, den Überrock an, ließ Philipp rufen und befahl ihm, mit ihm in seinen Palast zu gehen. Hier mußte Philipp alles, was er als Stellvertreter Julians auf dem Ball vernommen und gesprochen, Wort für Wort erzählen. Philipp gehorchte.Julian klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Höre, Philipp, du bist ein gescheiter Kerl. Dich kann ich ge brauchen. Ich bin zufrieden mit dir. Was du in meinem Namen dem Kammerherrn Pilzow, der Gräfin Bonau, dem Marschall und seiner Frau, dem Oberst Kalt, dem Finanzminister und den übrigen gesagt, finde ich ganz vernünftig, und ich will es ansehen und halten, als hätte ich es selbst gesagt. Dagegen mußt du zu den Versen stehen, die ich in deinem Namen als Nachtwächter gesungen habe. Du wirst zur Strafe deines Nachtwächterdienstes entsetzt werden; das laß dir gefallen. Dafür mache ich dich zum Schloßgärtner bei mir. Ich übergebe dir meine Gärten von den beiden Schlössern Heimleben und Quellenthal. Das Geld, welches ich deiner Braut gegeben, soll ihre Aussteuer bleiben, und den Wechsel des Marschalls Blankenschwerd löse ich auf der Stelle bei dir mit fünftausend Gulden ein. Jetzt geh, diene mir treu und führe dich gut auf.«