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Wiedereroeffnung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek jaehrt sich zum ersten Mal

Erstellt von Michael Gnessner | | Thüringen

Am 24.10.2008 jährt sich zum ersten Mal die Wiedereröffnung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar nach dem großen Brand von 2004. Die Klassik Stiftung Weimar zieht eine Zwischenbilanz.

Am Freitag, 24.10.2008, jährt sich die Wiedereröffnung des Historischen Gebäudes der Herzogin Anna Amalia Bibliothek zum ersten Mal. Mit Abschluss der baulichen Sanierung ist sie in den Kreis der bedeutenden Forschungsbibliotheken zurückgekehrt. Nach der Öffnung des Gebäudes setzte ein Besucheransturm auf das Haus ein. Bereits in den ersten beiden Monaten besuchten etwa 20.000 Gäste das Haus. Bis heute haben rund 90.000 Besucher den Rokokosaal besichtigt. Diese Zahl wäre fünfmal so hoch, wenn nicht denkmalpflegerische Gründe eine Begrenzung der Besucherzahl erzwängen. Die Termine sind bis ins nächste Jahr hinein ausgebucht.

Erstmals kann durch wechselnde Buchausstellungen im festlichen Renaissancesaal im Erdgeschoss auch Einblick in ausgewähltes wertvolles Bibliotheksmaterial gegeben werden. Vom 24. Oktober bis 18. November 2007 haben 23.000 Besucher die Ausstellung »Es nimmt der Augenblick, was Jahre geben« besichtigt. Mehr als siebzig herausragende Bücher aus dem 16. bis 19. Jahrhundert veranschaulichten die Erfolge bei der Wiederbeschaffung nach dem Bibliotheksbrand. Vom 02. Dezember bis 03. August 2008 standen unter dem Titel »Welt der Wiegendrucke« die frühesten gedruckten, besonders kostbaren Bücher der Herzogin Anna Amalia Bibliothek im Fokus. Seit dem 02. September 2008 läuft noch bis zum 02. August 2009 die Ausstellung »Kunst des Bucheinbands«. Anhand von 54 künstlerisch hochwertigen Exponaten wird ein Einblick in die Entwicklung der Einbandkunst von der Gotik bis zur Gegenwart geboten.

Auf der verbrannten zweiten Galerie des Rokokosaals hat am 01. Dezember 2007 ein Sonderlesesaal für die Benutzung der wertvollsten Sammlungen seinen Betrieb aufgenommen, der ideale Bedingungen für die Erforschung des historischen Buchbestandes bietet. Im Vorraum zum Rokokosaal – dem „Kunstkabinett" im ersten Stock – erinnern jetzt einzelne Kunstkam­merstücke an die Anfangszeit der Bibliothek, als sie noch im Residenzschloss untergebracht war und in engem Zusammenhang mit den anderen fürstlichen Sammlungen zu Kunst, Natur und Geschichte stand. Ein besonderes Prunkstück in diesem Raum ist die Lebensuhr von Wilhelm Ernst (1706), die nach mehr als 80 Jahren aus den Kunstsammlungen in die Bibliothek zurückgekehrt ist.

Im Rahmen von Sonderführungen ist der Bibliotheksturm mit seinem originalen Bücherbestand zugänglich. Ein großer Gewinn ist die dortige Einrichtung eines Globenkabinetts, denn die Herzogin Anna Amalia Bibliothek verfügt mit 27 historischen Globen über eine herausragende Sammlung. Der älteste Globus im Bestand ist ein von Johannes Schöner im Jahre 1515 gefertigter Erdglobus.

Im Jahr 2007 hat die Herzogin Anna Amalia Bibliothek so viel Geld in den Erwerb von Büchern investiert wie nie zuvor in ihrer über dreihundertjährigen Geschichte: mehr als 1,6 Millionen Euro. Die Summe setzt sich zu mehr als 80 Prozent aus Spenden und Sondermitteln zusammen. Zu den 15.000 neu erworbenen Einheiten gehören sowohl aktuelle wissenschaftliche Bücher und Zeitschriften zur Literatur- und Kulturgeschichte als auch 3.000 ältere Bücher, die als Ersatzexemplare für die Verluste durch den Bibliotheksbrand angeschafft wurden. Für 2008 wurde der reguläre Erwerbungsetat nach vielen Jahren äußerster Mittelknappheit auf 570.000 Euro angehoben, so dass zusammen mit den Spenden und Sondermitteln im laufenden Jahr ausreichende Mittel vorhanden sind.


Zum Wiederaufbau des beschädigten Buchbestandes

Seit dem Unglück im Jahr 2004 sind insgesamt 18.000 alte Bücher als Ersatzexemplare für verbrannte Titel erworben und in den Bestand integriert worden. Das wichtigste Instrument für die Wiederbeschaffung ist die im Netz öffentlich zugängliche Verlustdatenbank. Fast die Hälfte der Bücher kam als Geschenk durch Privatpersonen und befreundete Institutionen ins Haus. Die meisten Titel stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Die 62.000 in der Brandnacht beschädigten Bände sind aus der Gefriertrocknung aus dem Zentrum für Bucherhaltung, Leipzig, zurückgekehrt. Damit ist die Erstversorgung abgeschlossen, die Einzelrestaurierung hat begonnen. Inzwischen sind fast 19.000 Bände bearbeitet und stehen der Benutzung wieder zur Verfügung, darunter 13.000 Bände, die nur leicht beschädigt waren, und 6000 aufwändig restaurierte Bände.

Am 9. Mai 2008 hat die Herzogin Anna Amalia Bibliothek eine neue Werkstatt für brandgeschädigtes Schriftgut eröffnet, um auch Druckwerke und Handschriften aus der Gruppe der 28.000 Bände mit schweren Brand- und Ascheschäden vor Ort zu restaurieren. Häufig hat das Feuer die Bücher in ihrem Äußeren stark angesengt, aber die Texte im Inneren nicht zerstört. Die Vodafone Stiftung Deutschland finanziert die Werkstatt bis 2010 mit insgesamt 1,2 Millionen Euro aus ihrer Gesamtspende für die Bibliothek in Höhe von 5 Millionen Euro. Eingesetzt wird eine neu entwickelte Technologie für die brandgeschädigte Papiersubstanz, die in der Regel äußerst fragil ist. Das Restaurierungsverfahren gewährleistet die uneingeschränkte Bewahrung der Originalsubstanz, der Tinten und Farben. Die Werkstatt besitzt aufgrund der eingesetzten innovativen Methoden Modellcharakter.

Von den verbrannten Musikalien stehen seit kurzem mehr als 600 Einheiten, etwas mehr als 20 Prozent der ursprünglichen Sammlung, auf der Internet-Seite der Klassik Stiftung Weimar wieder zur Verfügung (http://ora-web.klassik-stiftung.de/digimo online/digimo.entry). Grundlage für die Präsentation im Netz sind die Mikrofilme, die in den Jahrzehnten vor dem Brand bei der Bibliothek in Auftrag gegeben worden waren. Auf Grund dieser Bestellungen sind die für die Forschung besonders interessanten Stücke jetzt wieder zugänglich, darunter zum Beispiel Anna Amalias eigenhändige Sonatina per il Cembalo in G-Dur oder Johann Nepomuk Hummels, des Weimarer Hofkapellmeisters, Handschrift der Grande Sonate für Klavier zu vier Händen As-Dur op. 92. Die Filmaufnahmen wurden auf Papier ausgedruckt und zugleich digitalisiert.


VolkswagenStiftung unterstützt Wiederaufbau des Buchbestandes mit insgesamt 950.000 Euro

Die VolkswagenStiftung unterstützt den Wiederaufbau des Buchbestandes mit insgesamt 950.000 Euro, von denen für die Pilotphase ab 2008 bereits 150.000 Euro freigegeben sind. Mit diesen Mitteln kann die Bibliothek Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Restaurierung von brandgeschädigten Ledereinbänden sowie die Digitalisierung von 4000 „Aschebüchern" finanzieren. Diese Digitalisate sollen über das Internet zugänglich gemacht werden. Da diese Bücher und Handschriften (darunter beträchtliche Reste der Musikaliensammlung) oftmals Einbände und Titelblätter eingebüßt haben, sollen interessierte Wissenschaftler über ein interaktives Element an der Identifizierung der Werke beteiligt werden. Basis ist das bereits verfügbare Dokumentenmanagementsystem »Monographien Digital« (http://ora-web.klassik-stiftung.de/digimo_online/digimo.entry).

Ein weiterer wichtiger Förderer ist die Gesellschaft Anna Amalia Bibliothek e.V. Sie unterstützte die Bibliothek sehr wirkungsvoll bei der Öffentlichkeitsarbeit und Spendenwerbung. Der Freundeskreis veranstaltete 2008 eine eigene Vortragsreihe zu den Inkunabeln (»Welt der Wiegendrucke«). Mit seiner Hilfe wurden vor allem die Schülerseminare weiter ausgebaut. Sie bilden nun ein Angebot, dessen Nachfrage die Möglichkeiten weit übersteigt.

Der Brand und seine Folgen

Beim Großbrand am 02./03. September 2004 sind rund 40 Prozent des historischen Buchbestandes der Bibliothek entweder verbrannt oder durch Löschwasser, Hitze, Ruß und Feuer beschädigt worden. Unter den Büchern sind große Mengen der Literatur aus dem 16. bis 19. Jahrhundert und die Herzogliche Musikaliensammlung mit allein 800 Notenhandschriften und 2.100 Notendrucken. Auch 37 Kunstwerke wurden zerstört.

Während 50.000 Bücher als verloren gelten müssen, konnten dank der sofort einsetzenden Bergungsmaßnahmen 120.000 Bücher, Handschriften und Grafiken mit Wasser-, Hitze-, Ruß- und Brandschäden gerettet werden. Im Zuge der Erstversorgung wurden diese Materialien durch Reinigung, Tiefkühlung und Gefriertrocknung vorläufig gesichert und für nachfolgende konservatorische und restauratorische Maßnahmen vorbereitet. Diese Menge an Büchern, nebeneinander ins Regal gestellt, entspricht einer Länge von mehr als drei Kilometern. Bis 2015 soll die Buchrestaurierung abgeschlossen sein.

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Logo der »Klassik Stiftung Weimar« (KSW)
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