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4. Geheimes Zusatzprotokoll zum Allianztraktat zwischen Preußen und Frankreich

vom 24.02.1812.

  1. Im Falle, daß der Krieg zwischen Frankreich und Russland zum Ausbruche kommen sollte, wird Se. Majestät der Köig von Preussen gemeinschaftliche Sache mit Sr. Majestät dem Kaiser und Könige machen.
  2. Se. Majestät der König von Preußen wird ein Kontingent von 20.000 Mann stellen, bestehend aus 14.000 Mann Infanterie, 4.000 Mann Kavallerie und 2.000  Mann Artillerie mit 60 Stück Kanonen, ein doppeltes Approvisionement und Militair-Equipagen habend, um an Mehl, auf 10 bis 20 Tage Lebensmittel fortzubringen. Besagtes Kontingent soll beständig in bemeldeter Zahl komplett und unter den Waffen gegenwärtig gehalten werden.
  3. Das Kontingent wird, so viel nur immer möglich, in ein und demselben Armeekorps vereint, und vorzugsweise zur Vertheidigung der preussischen Provinzen angewandt werden, ohne dass Se. Majestät der König von Preussen gemeint ist, dadurch die militairischen Dispositionen der Armee, bei welcher Seine Truppen stehen, auf irgend eine Weise zu beschränken. Die Truppen, welche besagtes Kontingent bilden sollen, werden sich vereinigen: die in Schlesien bestehenden, zu Breslau; die, welche sich diesseits der Oder befinden, zu Berlin; und die, welche sich in den östlichen Provinzen befinden, zu Königsberg. Sie werden am 15. März bereit seyn, sich von diesen verschiedenen Punkten aus in Marsch zu setzen.
  4. Unabhängig von diesem Korps, wird ein aus 400 Mann gebildetes preussisches Korps die Garnision zu Kolberg ausmachen, und, wenn es nöthig ist, Detachements zur Vertheidigung der Küste aussenden. Ein Korps von 1.200 Mann wird zu Potsdam in Garnision liegen. In dem Falle, dass Se. Majetsät der König es angemessen finden sollte, sich in besagter Residenz zu etabliren, kann die Zahl der dort garnisonirenden Truppen auf 3.000 Mann gebracht werden. Ein Korps von 10.000 Mann wird die Garnisionen der festen Plätze Schlesiens ausmachen. Die Kommandanten von Kolberg und Graudenz werden regelmäßig die Stituations-Etats ihrer Festungen und Garnisionen an den allgemeinen Generalstab einsenden. Sie sollen gehalten seyn, den Befehlen zu gehorchen, welche dieser ihnen für den Dienst der Armee geben wird. Neue Werkewerden in besagten Festungen nur in Uebereinkunft mit den französischen Generalen gemacht werden.
  5. Se. Majestät der Kaiser verspricht und verpflichtet sich Seiner Seites an dem Krieg mit seiner ganzen dispoviblen Macht Theil zu nehmen.
  6. Die französischen und alliierten Truppen können die preussischen Provinzen durchziehen und atkupiren, mit Ausnahme von Oberschlesien, der Grafschaft Glatz und der Fürstenthümer Breslau, Oels und Brieg. Die Stadt Potsdam soll von dem Durchmarsche der Truppen, und von französischer und alliierter Garnision ausgenommen seyn. Es kann von der Garnision Potsdams eine Kompagnie zur Wache in den Schlosse zu Charlottenburg, und eine Kompagnie zur Wache in dem Palais des Königs zu Berlin abgeordnet werden. Kein Offizier oder Angestellter kann, unter welchem Vorwande es auch seyn möge, in besagtes Palais und Schloss und des Dependenzen gehen oder logiren, ohne Erlaubnis des Gouverneurs, welcher von Sr. Majestät dem Könige von Preussen darin bestellt seyn wird.
  7. Die Operationslinien werden in den Lndern zwischen dr Elbe und der Oder, zwischen der Oder und der Weichsel, und zwischen der Weichsel und dem Niemen seyn. Auf besagten Operationslinien sollen keine andere preussische Truppen seyn, als die Bürgermiliz, die Gendarmerie und die Zahl von Mannschaft, welche zur Erhaltung der Ordnung durchaus nothwendig ist, und worüber man übereinkommen wird.
  8. Die französischen Kommandanten, welche auf den Operationslinien angestellt seyn werden, können sich weder direct noch indirect in dasjenige mischen, was die Regierung und Civil-Administration anbetrifft. In ihren Funktionen wird alles gehören, was die Requisitionen, die Lieferungen an die Truppen, den Dienst der Militair-Hospitäler, die Polizei, und die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Rücken der Armee, insofern es auf diese Beziehung hat, anbetrifft.
  9. Es werden nach Nothdurft von den französischen Administratoren oder Kommandanten an die preussischen Lokal-Administratoren oder Kommissairs, wegen Lebensmittel und Fuhren, Requisitionen erlassen werden. Die Abrechnung deshalb wird alle drei Monate von dem Genral-Intendanten der Armee gemacht; die besondern Empfangsscheine werden dann gegen einen Haupt-Empfangsschein ausgewechselt, und der Werth derselben entweder durch Abrechnung auf die von Preussen schuldigen Kontributionen, oder am Ende des Feldzugs vergütet werden.
  10. Wenn es nöthig werden sollte, Artillerie, Pulve, Kriegs-Munition u.s.f. aus dem festen Plätzen der preussischen Staaten zu ziehen, so macht Se. Majestät der König von Preussen sich verbindlich, alle besagte Gegenstände, insofern Se. Majestät sie nicht zur Vertheidigung jener Plätze nöthig erachtet, zur Disposition der französischen und alliierten Armee zu stellen, gegen Abrechnung auf die Kontribution oder Bezahlung am Ende des Feldzugs.
  11. Preußen wird keine Truppen-Aushebungen, keine Zusammenziehung, kein Militairbewegung vornehmen, während die französische Armee sein Territor okkupirt oder auf dem feindlichen Territor ist, es sey denn zum Vortheile der Allianz und im Einverständnis der beiden Mächte.
  12. Die Verbrechen, welche an Indiduen der alliirten Armee begangen werden, sollen durch Militair-Kommissionen gerichtet werden, welche von den Generalen der besagten Armee gebildet sind. Der Angeklagte wird einen Vertheidiger von seiner Nation haben.
  13. Im Falle einer glücklichen Beendigung des Kriegs gegen Russland macht sich Se. Kaiserliche Majestät verbindlich, Sr. Majestät dem Könige von Preußen eine Entschädigung an Gebiet zu verschaffen, um die Opfer und Kosten zu vergüten, welche Se. Majestät während des Kriegs zu tragen haben wird.
  14. Anlangend die Festungen Glogau, Küstrin und Stettin, die jetzt von französischen Truppen okkupirt sind, so sollen die Kosten des Unterhalts ihrer Besatzungen und der Belagerungs-Verproviantirung, vom Tage der Unterzeichnung gegenwärtiger Konvention an, für die Festung Glogau, und von dem Tage an, wo Se. Majestät der König von Preußen seine durch die Konvention wegen Abtragung der Konvention eingegangenen Verbindlichkeiten erfüllt haben wird, auch für die Festungen Küstrin und Stettin zu Lasten Sr. Majestät des Kaisers fallen. Es wird zwischen den beiden Souverains, wegen der Dauer der Okkupation benannter Festungen durch die französischen Truppen, eine besondere Uebereinkunft Statt finden.
  15. Die gegenwärtige Konvention soll geheim gehalten, und kann in keinem Falle publik gemacht, oder einer fremden Regierung von einem oder dem andern der hohen kontrahirenden Mächte mitgetheilt werden. Sie soll ratifiziert und die Ratifikationen binnen zehn Tagen, oder noch eher, wenn es esyn kann, ausgewechselt werden.

Herzog von Bassano
von Krusenmarck

Quelle:
Liebenstein, Ludwig August Friedrich: Der Krieg Napoleons gegen Russland in den Jahren 1812 und 1813, Frankfurt am Main 1819