Das Schicksal der Johanna Sebus
Die gerade 17jährige Johanna Sebus (1791-1809) rettete beim Bruch des Brienener Dammes zunächst ihre kranke Mutter vor dem drohenden Ertrinken. Danach stürzte sich das Mädchen erneut in die Fluten um eine weitere Frau und deren Kinder zu retten. Dabei ertrank sie und selbst.
Ihre Leiche konnte erst geborgen werden, als die Flut zurückgegangen ist. Man bettete sie auf dem Friedhof in Rindern zu ihrer letzten Ruhe. Ihr Grab wurde im Jahre 1872, als eine neue Kirche gebaut wurde, in den Kirchenbau integriert.
Auf Bitten von Klever Bürgern schrieb der Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) im Mai des Jahres 1809 bereits eine Ballade auf das Schicksal von Johanna Sebus. Im folgenden Jahr wurde der Text auf Goethes Wunsch durch seinen Freund Carl Friedrich Zelter vertont. Im April 1821 vertonte auch Franz Schubert das Lied, das jedoch erstmals in den Jahren 1894/95 veröffentlicht wurde.
Johanna Sebus
Zum Andenken der siebzehnjährigen Schönen, Guten aus dem Dorfe Brienen, die am 13. Januar 1809 bei dem Eisgang des Rheins und dem großen Bruche des Dammes von Cleverham, Hilfe reichend, unterging.
Der Damm zerreißt, das Feld erbraust,
Die Fluten spülen, die Fläche saust.
»Ich trage dich, Mutter, durch die Flut,
Noch reicht sie nicht hoch, ich wate gut.« –
»Auch uns bedenke, bedrängt wie wir sind,
Die Hausgenossin, drei arme Kind!
Die schwache Frau! . . . Du gehst davon!« –
Sie trägt die Mutter durch das Wasser schon.
»Zum Bühle da rettet euch! harret derweil;
Gleich kehr' ich zurück, uns allen ist Heil.
Zum Bühl' ist's noch trocken und wenige Schritt;
Doch nehmt auch mir meine Ziege mit!«
Der Damm zerschmilzt, das Feld erbraust,
Die Fluten wühlen, die Fläche saust.
Sie setzt die Mutter auf sichres Land,
Schön Suschen, gleich wieder zur Flut gewandt.
»Wohin? Wohin? die Breite schwoll;
Das Wasser ist hüben und drüben voll.
Verwegen ins Tiefe willst du hinein!« –
»Sie sollen und müssen gerettet sein!«
Der Damm verschwindet, die Welle braust,
Eine Meereswoge, sie schwankt und saust.
Schön Suschen schreitet gewohnten Steg,
Umströmt auch, gleitet sie nicht vom Weg,
Erreicht den Bühl und die Nachbarin;
Doch der und den Kindern kein Gewinn!
Der Damm verschwand, ein Meer erbraust's,
Den kleinen Hügel im Kreis umsaust's.
Da gähnet und wirbelt der schäumende Schlund
Und ziehet die Frau mit den Kindern zu Grund;
Das Horn der Ziege faßt das ein',
So sollten sie alle verloren sein!
Schön Suschen steht noch strack und gut:
Wer rettet das junge, das edelste Blut!
Schön Suschen steht noch wie ein Stern;
Doch alle Werber sind alle fern.
Rings um sie her ist Wasserbahn,
Kein Schifflein schwimmet zu ihr heran.
Noch einmal blickt sie zum Himmel hinauf,
Dann nehmen die schmeichelnden Fluten sie auf.
Kein Damm, kein Feld! Nur hier und dort
bezeichnet ein Baum, ein Turm den Ort.
Bedeckt ist alles mit Wasserschwall;
Doch Suschens Bild schwebt überall. –
Das Wasser sinkt, das Land erscheint,
Und überall wird schön Suschen beweint. –
Und dem sei, wer's nicht singt und sagt,
Im Leben und Tod nicht nachgefragt!
Im Jahre 1811 wurde in Rindern Wandhausen ein Denkmal errichtet. Auf der Vorderseite des Denkmals befindet sich eine französische Inschrift. Oberhalb der Inschrift befindet sich eine auf dem Wasser schwimmende Rose aus weißen Marmor. Die Rose ist von zwölf Sternen umgeben. Erst im Jahre 1953 wurde auf der Rückseite des Steines auch eine deutsche Übersetzung der französischen Inschrift angebracht.
Vom französischen Staat, zu dem Kleve in jener Zeit gehörte, erhielt Johanna Sebus die Weiße Rose verliehen. Hierbei handelte es sich um eine Auszeichnung die Kaiser Napoléon anlässlich seiner Thronbesteigung im Jahre 1804 geschaffen hatte. Diese Ehrung ging auf eine nordfranzösische Ehrung zurück und sollte in allen Arrondissements des Französischen Kaiserreichs etabliert werden. Hierbei sollte diese Ehrung an ein besonders tugendhaftes Mädchen übergeben werden. Die Auserwählte erhielt zum einen eine goldene Rose und einen goldenen Ring sowie eine Aussteuer.
Das Haus der Mutter von Johanna Sebus wurde im Auftrag der französischen Regierung neu aufgebaut. Hieran erinnert eine Tafel mit lateinischer Inschrift im Gasthof.
Heute erinnern noch zwei Schulen - das Johanna-Sebus-Gymnasium in Kleve, die bis 1978 eine reine Mädchenschule war, und die katholische Grundschule an das wagemutige Mädchen. Bis in die 1970er Jahre gab es auch in Duisburg noch ein Mädchengymnasium, dass den Namen Johanna Sebus trug. In Kleve, Xanten und Emmerich erinnern auch noch Straßennamen an sie.