Der Hof Ludwig XVIII. im westfälischen Hamm
Nach den Ausbruch der Revolution in Frankreich flohen viele Adelige und Geistliche vor den Massen und beginnenden Terror in die Nachbarländer. So bildete sich eine große Kolonie von Emigranten im Jahre 1791/92 in Koblenz. Nach der Kanonade von Valny am 20.09.1792 zogen sich die verbündeten Truppen Preußens und Österreichs bis über den Rhein zurück. Um nicht zu Nahe an den französischen Machtbereich zu gelangen, flohen auch die Emigranten über den Rhein. Man flüchtete sich weiter rheinwärts Richtung Düsseldorf.
Aber ein Teil nahm auch das Angebot König Friedrich-Wilhelm II. an, sich in den preussischen Besitzungen in Kleve - Berg niederzulassen. So siedelte sich eine kleine Gruppe von Emigranten in der kleinen westfälischen Stadt Hamm an. In der kleinen ländlichen Stadt, die zu diesem Zeitpunkt nicht einmal 3.000 Einwohner und 695 Häuser zählte, ließen sich die königlichen Prinzen von Frankreich nieder. Am 27.11.1792 erreichte der französische Feldmarschall de Montillet mit seiner Familie Hamm. Er bat freundlichst beim Rat der Stadt Hamm um eine 8tägige Aufenthaltsgenehmigung, die ihm auch erteilt wurde. Bereits am 04.12.1792 informierte die preussische Regierung den Hammer Rat, über die bevorstehende Ankunft der französischen Prinzen, die bereits 3 Tage später eintrafen.Es handelte sich dabei um die Brüder des französischen Königs, die Grafen Louis de Provonce und Charles de Artois. Beide sollten nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft noch den französischen Thron als Louis XVIII. (1814 - 1824). und Charles X. (1824 - 1830) besteigen.
Die königlichen Prinzen kamen neben ihren Familien mit großem Gefolge. So wurde Louis von 36 Personen begleitet, die sich um sein Wohl kümmerten und seinen Bruder begleiteten nicht weniger Bedienstete. Hinzu kamen noch persönliche Räte und Abenteurer, Ärzte und Apotheker. Den Prinzen schlossen sich weitere Adelige an, die nicht zu ihrem Gefolge gehörten.
In Hamm wurde es eng, aber es gelang dem Magistrat die hohen Herrschaften einigermaßen standesgemäß unterzubringen. So beschied die Raumknappheit so manchen Adeligen eine etwas weniger angemessene Unterkunft. Doch schnell änderte sich die Einstellung der Hammer Bevölkerung gegenüber den Gästen. Dies lag zum einen an einer explosiven Teuerung, z.B. vervierfachte sich der Preis für eine Kanne von 2 auf 8 Silber. Aber auch eine Gefahr durch französische Revolutionstruppen, die der königlichen Prinzen habhaft werden wollte, sah man in Hamm und erwartete ein schweres Los. So fand man eines Morgens einen Anschlag:
Wenn sich die hier aufhaltenden Franzosen nicht innerhalb von 24 Stunden fortpacken, so werden die Bürger solche mit Gewalt vertreiben und dem Nationalkonvent den Grafen von Artois lebendig oder tot ausliefern, damit diese Kanaille ihren verdienten Lohn empfängt und wir für die uns drohenden Gefahren gesichert seien. Wenn es dazu kommen sollte, so können sich alle hier befindlichen und uns bekannten auf der Liste befindlichen Franzosen nur in Acht nehmen..
Doch kam es nicht so weit, da der preussische König Friedrich-Wilhelm II. dem Magistrat auf seine Bitte, die französischen Gäste auszuweisen, harsch ablehnte und mit Truppenentsendungen drohte. Nachdem die Kunde vom Tod des französischen Königs Louis XVI. aus Paris auch Hamm erreichte, ließ sich Louis de Provonce öffentlich von seinen Anhängern zum französischen König ausrufen. Die vorsichtigen Hammer sprachen jedoch vom Regenten von Frankreich.
Trotz der Emigration floss das Geld in Hamm in waren Strömen. Man hielt Hof wie zu Zeiten Ludwig XVI. in Paris. Die Mittel stammten zum Teil aus dem geretteten Barvermögen der Emigranten und zum anderen Teil aus Unterstützungszahlungen Friedrich-Wilhelm II. von Preußen.
Ende des Jahres 1793 machten Gerüchte die Runde, das die französische Nationalversammlung Maßnahmen in die Wege geleitet habe, um den Grafen de Artois im ausländischen Exil ermorden zu lassen. Aus Berlin kam die Anweisung, den königlichen Prinzen unter besonderen Schutz zu stellen. So wurden Bürgerwachen vor dem Hause des Grafen aufgestellt, die aus vertrauensvollen Bürgern bestanden. Personenkontrollen waren an der Tagesordnung und nachts durfte man nicht mehr in die Nähe des Prinzen. Indessen hat der »Regent« Louis de Provonce Ende Dezember beschlossen seinen Aufenthaltsort nach Italien zu verlegen. Er verließ Hamm während sein Bruder Charles de Artois erst im August des Folgejahres die kleine Stadt verließ.
Damit endete der fast 2järhige Aufenthalt des französisches Hofes in der kleinen westfälischen Stadt, die sich zu einem Zentrum französischer Emigranten in der Anfangszeit Louis XVIII. entwickelte.