Die Erschießung des Johann Philipp Palm anno 1806.
Johann Philipp Palm (1766 - 1806) war Inhaber einer Buchhandlung in Nürnberg und verkaufte mehrere Exemplare einer anonym herausgegebenen Druckschrift mit dem Titel »Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung«.
Die Nürnberger Polizei unternahm überraschend eine Durchsuchung im Laden Palms vor und fand mehrere Exemplare dieser anti-napoleonischen Broschüre. Wenige Tage nach der Durchsuchung ergriffen französische Gendarmen den Buchhändler, obwohl er als bayrischer Staatsangehöriger und Zivilperson unter die bayrische Gesetzgebung fiel. Sie brachten ihn auf die Festung Braunau am Inn. In der Festung Braunau hatten die französischen Verbündeten Bayerns das alleinige Sagen, seit die österreichischen Truppen diese aufgaben.
Am 23.08.1806 kam der Buchhändler in Braunau an und wurde tags drauf in einem Zimmer des Amtshauses zum ersten Mal verhört. Bei diesem Verhör ergaben sich dem Vernehmungsbeamten Binot, der auf ausdrücklichen Befehl Marschall Berthiers zum Referenten bei der außerordentlichen Militärkommission in Braunau ernannt. Der Prozesstermin stand bereits vor dem ersten Verhör in Braunau fest und wurde auf den 24.08. gelegt. Jedoch verzögerte sich der Verhandlungstermin und es wurde erst am Montag, den 25.08. 10 Uhr morgens eröffnet.
Das Kriegsgericht setzte sich aus 7 Obersten der Armeekorps der Marschälle Soult, Bernadotte, Ney, Mortier und Davout zusammen. Weitere Angehörige der Besatzung fanden sich als Zuschauer ein, während die Bevölkerung von Braunau der öffentlichen Verhandlung überwiegend fernblieb.
Zunächst wurde der Kaufmann Schoderer aus Donauwörth verhört, der durch den Advokaten Tadähäus verteidigt wurde. Ihm folgte Johann Philipp Palm, der vor Angst erstarrt war. Seiner Bitte um Aufschub für die Berufung eines Münchener Verteidigers wurde abgelehnt. Er äußerte sich ganz freimütig, wenn man ihm das, was er selbst bereits erklärte auf Ehre, Gewissen und hundert abgelegte Eide behauptete in Stande wäre, nicht glauben wollte, so könnten ihm auch Dutzende von Verteidigern nicht helfen. Er sei unschuldig, egal was man sagte. Das Kriegsgericht sah in dieser Haltung Palms einen Verzicht auf seine Verteidigung.
Binot beantragte das sämtliche Angeklagte - insgesamt waren es sechs Personen - als gleich schuldig anzusehen seien. Die Verhafteten wurden in das Gefängnis zurückgeführt, die Wachen entfernten sich und auch die anwesenden Zuschauer mussten den Saal räumen. Neben Palm und Schoderer waren noch der Weinwirt Peter Merkle aus Neckarsulm, die Buchhändler Jenisch aus Augsburg, Kupfer aus Wien und Eurich aus Linz - wobei nur Schoderer und Palm persönlich vorgeführt werden konnten.
Die Beratungen über das Urteil dauerten bis etwa 12:30 Uhr Die herausgetretenen Obristen sagten nichts über die Ergebnisse ihrer Beratungen. Es sprach sich aber am Abend herum, das Johann Philipp Palm und Schoderer zum Tode verurteilt werden sollten. Am Abend wurden die Festungstüren eine Stunde früher als sonst üblich geschlossen und Kavallerie-Patrouillen durchstreiften die Straßen Braunaus. Die Gasthäuser waren bereits um 9 Uhr abends alle geleert und Piquets wurden um die Stadt her aufgestellt und die Übergänge über den Inn bei Schärding und Obernberg komplett gesperrt.
Am folgenden Morgen gegen 10:30 trat der Generalstabschef Binot in Begleitung mehrerer Offiziere in den Hof der Festung. Dort wurde Johann Philipp Palm vorgeführt und ein Kanzlist des Stadtsyndikus sollte das Urteil verlesen. Beim Wort »Urteil« geriet dieser so in Verwirrung, das er sich nur noch die Worte zusammenstotterte und die Umstehenden keinen Sinn mehr verstanden. Allen Angeklagten wurde die Todesstrafe zugesprochen. Palm brach in Tränen aus und beteuerte erneut seine Unschuld und bat um Schonung. Nachdem er sich beruhigt hatte, erhielt er Schreibmaterial in sein Gefängnis gebracht und auch geistlicher Zuspruch gestattet.
Um das Urteil abzumildern zogen 6 Frauen der Stadt Braunau in Trauerkleidern und kleinen Kindern zur Seite zur Wohnung des Gouverneurs, dem General Hilaire und zum Generalstabschef Binot. Dieser Versuch blieb erfolglos. Saint Hilaire ließ sich verleugnen und Binot wies die flehenden Frauen kalt von sich. Die ganze Stadt war bedrückt.
Um ihn auf seinen letzten Wege zu begleiten und Palm den geistlichen Beistand zu geben, wurde der Braunauer Stadtpfarrer Thomas Pöschl in das Gefängnis gerufen. Pöschl übernahm die traurige Aufgabe, die Ehefrau Palms von dessen Schicksal zu informieren. Im gelang es nicht, dies in Worte zu fassen.
Auch Stadtpfarrer Pöschl versuchte beim Platzkommandanten eine Abwendung des Todesurteils für Palm zu erreichen. Er appellierte dabei an die Güte und Generosität der großen Nation und bat um Erbarmen für die unglücklich verwaiste Familie. Doch der Platzkommandant konnte nichts machen und verwies darauf, das nur Kaiser NapoleonPalm pardonieren könne.
Nach der Rückkehr übergab der Buchhändler Palm seine zwei Ringe und seine Sackuhr an Pöschl, der diese an die Familie übergeben sollte. Es war gegen 14 Uhr, als die Vorbereitungen für die Exekution getroffen waren.
Unter Trommelschlag und türkischer Musik rüstete sich die gesamte Garnison, da man einen Aufstand der Bevölkerung wegen des rigorosen Urteils fürchtete, zum Aufmarsche. 150 Infanteristen und 120 Kavalleristen standen zur Begleitung des Delinquenten bereit. Man gestattet Palm nicht, den Weg zum Exekutionsplatz zu laufen. Zusammen mit Pfarrer Pöschl und dessen Begleiter saß Palm auf dem Wagen. Der Wagen fuhr - den Hauptplatz des Ortes meidend - durch Gassen, an denen sich die Menschen voller Teilnahme gesammelt hatten. Auf den Wällen der Festung waren Kanonen zum Abfeuern bereit, falls es zu Unruhen unter der Bevölkerung kommen sollte.
Auf dem Richtplatze war die gesamte französische Garnison der Stadt und Umgebung von Braunau im Karre angetreten. Dem zum Tode verurteilten wurde dann durch den Pfarrer Pöschl eine Augenbinde angelegt und kniete sich nieder. Sechs Soldaten mit zitternden Händen feuerten auf den etwa 10 bis 12 Schritten entfernten Todeskandidaten. Er fiel nach vorn und war nur verwundet. Es wurde eine zweite Salve befohlen, die Johann Philipp Palm ebenfalls nicht tötete. Als Pfarrer Pöschl an den Verurteilten herantrat, stellte er fest, dass Palm noch atmete. Eine dritte Salve direkt auf den Kopf des Delinquenten beendete das Schauspiel.
Wenige Tage nach dem Tode des Buchhändlers Palm schrieb Pöschl der Witwe des gerichteten Buchhändlers und übersandte seinen Abschiedsbrief sowie die anderen Habseligkeiten. Im Jahre 1814 wandte sich Pöschl nochmals an die Witwe und beschrieb die genauen Umstände der letzten Stunden im Leben des Nürnberger Buchhändlers Johann Philipp Palm.