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Anne-Joséphe Theroigne de Méricourt

* 13.08.1762 in Maricourt/Fürstentum Lüttich
† 08.06.1817 in Paris

Anne-Josèphe Terwagne, so ihr Geburtsname, wurde am 13.08.1762 in Marcourt im Hochstift Lüttich als Tochter armer Bauern geboren. Ihre Eltern waren Pierre Terwagne und Anne-Élisabeth Lahaye, die bei der Geburt ihres dritten Kindes starb. Sie hatte noch die jüngeren Brüder Pierre-Josèphe, geboren im Jahre 1764, und Josèphe, der 1767 zur Welt kam.

Im Jahre 1768 wurde das Mädchen in ein Kloster geschickt, um das Nähen zu erlernen. Dien Unterricht zahlte eine Tante aus Lüttich. Doch im Jahr nach ihrer Eheschließung stellte sie gönnerhafte Tante die Zahlungen für das Schulgeld ein. So ging sie zu ihrem Vater zurück, der zwischenzeitlich ebenfalls geheiratet hatte. Sowohl ihre Stiefmutter als auch die Tante behandelten sie sehr schlecht.

Als sie 13 Jahre alt war, wurde sie zusammen mit ihrem jüngeren Bruder nach Xhoris zu Verwandten ihres Vaters geschickt. Dort wurde sie bis zur Erschöpfung zur Arbeit, sodass sie zu ihrer Tante nach Lüttich zurückkehrte, wo sie immer noch ausgebeutet wurde.

Sie lernte nun in Sougné, einer Provinz in Limburg, Kühe zu hüten. Später kehrte sie nach Lüttich zurück um als Näherin zu arbeiten. Durch eine andere Tante aus Xhoris traf sie eine Frau, die die als Gouvernante für ihre Tochter mit nach Antwerpen nehmen wollte. Doch schon nach wenigen Wochen trennten sich beide und Anne-Josèphe Terwagne blieb allein im Gasthof zurück. In dieser Situation traf sie auf Madame Colbert, die sie als Gouvernante für ihre Tochter anstelle. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon 16 Jahre alt. Sie hatte die Kinder zu unterrichten und erhielt die Chance in mehreren europäischen Hauptstädten als Opernsängerin ausgebildet zu werden. Als die Colberts nach England gingen, folgte ihnen auch Méricourt dorthin.

Sie traf dort auf einen vermögenden Engländer, der sie überreden wollte mit ihm durchzubrennen. Als sie ablehnte entführte ihr Verehrer sie. Als dieser volljährig war ging das unverheiratete Paar nach Paris. Als er 1787 nach England zurückkehrte, blieb sie mit einer finanziellen Unterstützung von 200.000 Livres zurück. Aus dieser Beziehung stammte ihre einzige Tochter Françoise-Louise, die im Jahre 1788 an den Pocken starb.

Zwischen 1784 und 1787 ging sie eine Affäre mit den 60jährigen Marquis Anne-Nicolas Doublet de Persan, einem Ratsmitglied des Pariser Parlaments, ein. Vieles über ihre Beziehung bleibt ein Rätsel, aber bekannt ist, dass sie durch Briefe kommunizierten und dass er sie sehr großzügig behandelte. Anne-Joséphe firmierte unter dem Pseudonym Mademoiselle Campinado, wenn sie als Kurtisane arbeitete.

Als sie den italienischen Tenor Giacomo David kennenlernte, trennte sie sich vom Marquis de Persan und verfolgte eine Gesangskarriere. Dort nahm sich der bedeutende Kastratenleherer Ferdinando Tenducci ihrer Ausbildung an. Zwischen Mai 1787 und Februar 1788 reiste sie nach Italien. Im Mai 1789 hörte sie in Rom vom Ausbruch der Französischen Revolution.

Erstmals kam sie am 17.07.1789 mit der Französischen Revolution in Verbindung als Louis XVI. im Hotel de Ville mit der dreifarbigen Kokarde am Revers die Revolution heiligte. Hierbei trug sie die Reitkleidung eines Mannes und einen runden Hut, um der Benachteiligung als Frau zu entgehen.

Während der Französischen Revolution war sie regelmäßige Zuhörerin im Jakobinerclub und besuchte auch regelmäßig die Sitzungen der Nationalversammlung. So nahm sie als Zuhörerin der Nationalversammlung am 04.08.1789 teil, in der sich die Abgeordneten über die Ausbreitung der revolutionären Ereignisse in Frankreich informierten. Am 26.08. desselben Jahres nahm sie an der Verkündung der Menschen- und Bürgerrechte teil. Um noch näher am politischen Geschehen zu sein zog sie in die Rue Noailles.

Den ganzen Sommer 1789 hatte sie in Versailles gelebt und sich mit politischen Persönlichkeiten wie Jérôme Pétion, Camille Desmoulins und dem Abbé Sieyès getroffen und debattiert.

Im Oktober, als die Nationalversammlung von Versailles nach Paris zog, folgte sie ebenfalls nach Paris.

In der Folge nahm sie die republikanische Gesinnung an und entsagte ihren adeligen Verehrern. So gehörte nun der Dichter Marie Joseph Chénier zu ihren Freunden, der sie mit den französischen Dichtern bekannt machte.

Im Januar 1790 gründete Mèricourt zusammen mit Gilbert Romme, einem Mitglied der Pariser Nationalversammlung, den Klub der Gesetzesfreunde (Le Amis de la loi). Dieser Klub sollte die patriotische Gesinnung der Provinzen stärken. Doch dieser Klub existierte nur kurze Zeit.

Sie gehörte auch zu den Initiatoren des Klubs der Menschenrechte, eine politische Gesellschaft.

Anne-Josèphe verwandelte ihren revolutionären Eifer in Reden im Club des Cordeliers und auf den Terrassen der Nationalversammlung. Frustriert über die geringen Möglichkeiten, die weiblichen Patrioten zur Verfügung standen, unterstützte sie die Gründung von gemischtgeschlechtlichen und frauenpatriotischen Clubs. Etwa zu dieser Zeit wurde sie als »Théroigne de Méricourt« bekannt. Sie musste jedoch erkennen, dass die Mehrheit der Revolutionäre sich nicht für eine Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzen werden. Für sie haben Frauen »die gleichen Rechte natürlichen Rechte wie Männer, daher ist es äußerst unfair, dass wir das tun«. Hier war die Ungleichbehandlung von Mann und Frau gemeint.

Im November 1789 konzentrierte sich die royalistisch gesinnte Presse auf sie. Neben einer bedeutenden Karikatur, die sie als »Patriotenhure« oder »Kriegsführerin« darstellte, verleumdete man sie als Erstürmerin der Bastille oder Anführerin der Fischseiber, die am 06.10.1789 das Königspalast von Versailles nach Paris holte. Ein anderes Mal sollte sie gegen Soldaten in ihrem »scharlachroten Reitkleid« gekämpft haben oder an anderen Brennpunkten der Revolution aktiv teilgenommen haben. Erzählungen, die sich noch weit über ihren Tod überlebten.

Im Mai 1790 verließ sie verarmt und von den Verleumdungen stark verletzte Frau Paris in Richtung Marcourt und schließlich.in ihre Heimat Lüttich.

Dort wurde sie jedoch von der kaiserlichen-österreichischen Polizei verhaftet und auf die Festung Kufstein in Tirol gebracht. Durch die übertriebene Darstellung Ihrer Person in der französischen Boulevardpresse überschätze man in Österreich ihren Einfluss auf die Revolution. Im folgenden Jahr überführte man sie schließlich nach Wien, wo man sie anklagte eine Verschwörung gegen die französischen Königin Marie Antoninette, eine Schwester des deutschen Kaisers Leopold II., geplant zu haben. Da sich die Anschuldigungen jedoch als haltlos erweisen, wie die über einen Monat von François de Blanc durchgeführten Befragungen ergaben. Schließlich wurde entlassen und erhielt ein Gnadengeld und kehrte ins revolutionäre Frankreich zurück.

Sie kam im Januar 1792 wieder in Paris an. Bereits am 01.02.1792 berichtete sie im Jakobinerclub über ihre Leiden in der österreichischen Gefangenschaft. Sie wurde als »Amazone der Freiheit« gefeiert. Im Frühjahr 1792 forderte sie das Recht ein, dass Frauen Waffen tragen dürfen und im März desselben Jahres forderte sie die Einrichtung von Frauenbataillonen. Doch war ihr Werben für das Bataillon nicht erfolgreich und führte dazu, dass man sie wegen Unruhen im Stadtteil Faubourg Saint-Antonie bei den Jakobinern verleugnete: Aus ihrer Rede, die nach Leon Abensours »Histoire générale du féminisme, des origines à nos jours« zitiert wird:

Lasst uns bewaffnen, wir haben das Recht dazu, von Natur aus und sogar per Gesetz. Zeigen wir den Menschen, dass wir ihnen weder an Tugend noch an Mut unterlegen sind ... Beanspruchen nur Männer Anspruch auf Ruhm? Auch wir wollen eine Bürgerkrone anstreben und die Ehre anstreben, für eine Freiheit zu sterben, die uns vielleicht teurer ist als ihnen … Bewaffnen wir uns, gehen wir dreimal pro Woche auf die Champs-Élysées … Machen wir eine Liste davon Amazonen!

Am 25.03.1792 hielt sie eine Rede an die Frauen in der Société fraternelle des Minimes. In dieser Rede ließ sie erkennen, dass sie ihr politisches Engagement für die Gleichheit der Geschlechter einsetzen werde. Sie habe auch ein geschärftes Bewusstsein für die Unterdrückung der Frauen entwickelt. Mit Sandrine Dejou setzte sie sich dafür ein, dass Frauen sich bewaffnen und in die Armee eintreten dürfen.

Als am 10.08.1792 in Paris die Tuilerien durch das Volk gestürmt wurden, beteiligte sie sich daran. Sie wurde mit der »Bürgerkrone« für ihre Verdienste geehrt.

Zu Beginn des Jahres 1793 verfasste sie einige Schriften über die aktive Beteiligung der Frauen zur Förderung der patriotischen Pflichten. In der Zwischenzeit hatte sie sich politisch von den Jakobinern entfernt und den Girondisten um Jacques Pierre Brissot zugewandt.

Am 15.05.1793 wurde sie Opfer eines Angriffes von aufgebrachten Sansclouttinnen. Sie wurde hierbei nackt ausgezogen und schwer misshandelt und am Kopf verletzt. Die aufgebrachte Menge hielt sie für eine Verräterin an der jakobinischen Idee. Erst durch das Einschreiten Marats wurde die Misshandlung beendet und sie überlebte schwer verletzt.

Durch ihre schwere Kopfverletzung waren ihre geistigen Fähigkeiten stark beeinträchtigt und ihr Verhalten war unberechenbar. Im Sommer 1794 wurde sie auf Antrag ihres Bruders für geisteskrank erklärt und nach einem halben Jahr in ein Irrenhaus in Faubourg Mareau eingeliefert. 1807 wurde sie ins Krankenhaus verlegt, wo sie schließlich am 08.08.1817 verstarb. Sie sprach immer über die Revolution und hatte zwischenzeitlich auch klare Momente.

Sie kann als eine Vorkämpferin des modernen Feminismus angesehen werden, da sie sich, während ihres kurzen politischen Kampfes stets für die Gleichheit von der Frau in ihren natürlichen Rechten dem Mann gleich sei.

Ihre Lebensgeschichte wurde von Rudolf Gottschall im Jahre 1850 und von Paul Hervieu im Jahre 1902 als Stoff für Dramen entdeckt. Der belgische Komponist August de Boeck schuf im Jahre 1901 die Oper »Théroigne de Méricourt«.

In der Stadt Lüttich wurde die am 02.05.2016 eingeweihte Brücke »La Belle Liégeoise« nach ihr benannt. Sie verbindet den Bahnhof Lüttich-Guillenins mit dem Parc de la Boverie und ist 294 Meter lang.