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Johanna Stegen

* 11.01.1793 in Lüneburg
† 12.01.1842 in Berlin

Johanna Katharina Stegen wurde am 11.01.1793 in Lüneburger Sülzviertel geboren. Sie war die Tochter des Salzsieders Peter Daniel Stegen und seiner dritten Ehefrau Sophie Rahel Behrens.

 Die Familie Stegen lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen, dennoch besuchte sie eine Schreib- und Rechenschule und später eine Garnisonsschule. Als der Vater verstarb war sie erst 11 Jahre alt.  Die Mutter musste die Familie mit einem Obsthandel über Wasser halten. So fand Johanna eine Anstellung als Dienstmädchen bei einer verwitweten Zolleinnehmerin am Neuen Thore.

 Am 21.03.1813 erhoben sich die Bürger Lüneburgs die französischen Verwaltungsbeamten und begannen, auf Basis der alten Ordnung, mit der Aufstellung von Freiwilligenverbänden. Als am 28.03.1813 französische Truppen unter dem General Pierre Watier die Stadt besetzen wollten, wurden diese durch russische Kosaken unter dem Befehl Benckendorffs und bewaffneten Bürgern zurückgeworfen. Napoléon ordnete eine m gegen Lüneburg unter dem Befehl von Joseph Morand an. Ihm standen 2800 Soldaten, davon 75 berittene Mann, sowie 9 Geschütze zur Verfügung.

 Am 01.04.1813 gelang es ihm den unkoordinierten bewaffneten Widerstand der Bürger an den mittelalterlichen Stadttoren zu brechen und die Stadt in Besitz zu nehmen. 50 gefangene Bürger sollten am kommenden Tag hingerichtet werden. Am folgenden Morgen erschienen Kosaken aus Süden vor der Stadtmauer. Der französische Kommandeur hielt sie für die üblichen Streifkorps und schickte seine 75 Reiter und zwei Geschütze vor die Stadt. Doch in diesem Moment griffen russische Husaren den Verband an und nahmen die zwei Kanonen sowie zahlreiche französische Reiter gefangen. Preußische Füsiliere unter Major von Borcke griffen zeitgleich mehrere Stadttore an und konnten das erste Stadttor erobern. Gleichzeitig befreiten Lüneburger Bürger die 50 Gefangenen und beschossen französische Soldaten in der Stadt. Morand, der bereits zu diesem Zeitpunkt verwundet war, befahl den Rückzug aus der Stadt auf eine westlich vor dem Neuen Tor stehende französische Truppe. Sein Befehl konnte jedoch nicht mehr von allen Detachements ausgeführt werden, da diese bereits durch nachdrängende russisch-preußische Truppen eingekesselt waren und bereits kapitulierten.

 Die Rückeroberung von außen, bei der General Morand nun schwer verwundet wurde, scheiterte, nach einigen Anfangserfolgen.

 Hier kam es nun auch zu der heldenhaften Tat, die Johanna Stegen über die Grenzen Lüneburgs hinaus bekannt machte.

 In der Mittagszeit erfuhr die gerade 20jährige Frau von einem verwundeten preußischen Füsilier, dass ein Munitionswagen der preußischen Truppen wegen eines Radbruchs aufgegeben werden musste und die Munition zu Neige gehe. Als Major von Borcke gerade den Rückzugsbefehl geben wollte, sah er ein Mädchen mit gerafften Röcken auf seine Männer zulaufen.

 Entschlossen machte sie sich auf dem Weg zum liegengebliebenen Trosswagen und sammelt in ihrer Schürze Kugeln und Schießpulver ein. Unter stetigen feindlichen Beschuss begab sie sich zu den preußischen Soldaten und versorgte sie immer wieder mit neuer Munition. Der Überlieferung nach soll diese Tat maßgeblich zum Sieg der preußischen Truppen beigetragen haben.

 Am Abend kapitulierte das gesamte französische Korps unter dem schwer verletzten General Morand und ging in Gefangenschaft. Als am kommenden Tage bekannt wurde, dass Marschall Davout mit einer 11.000 Mann starken Division links der Elbe nach Norden vorrückte, verließen die russischen und preußischen Kräfte unter Mitnahme der Gefangenen und zahlreicher Lüneburger Bürger, wozu auch Johanna Stegen gehörte. Am 04.04.1813 besetzte Davout Lüneburg und behandelte die Stadt milde, indem er nur eine Kontribution und die Entwaffnung der Bürger forderte.

 Die Franzosen setzten ein Kopfgeld auf Johanna Stegen aus, das jedoch nicht zu ihrer Ergreifung führte. Sie erging in den folgenden Monaten ihren französischen Häschern immer wieder, eine Zeit die für sie großen Stress bedeutete. So musste sie zum Beispiel am 13.07.1813 in der Mittagshitze über mehr als 3 Meilen, wie ein gehetztes Wild, vor französischen Douaniers flüchten und sich noch über viele Stunden in einem Keller verstecken. Sie versteckte sich auch bei einem Pfarrer in Natendorf, bis sie verraten wurde und wieder bei ihrer Mutter ein Versteck fand. Immer wieder musste sie sich bis zur endgültigen Befreiung Lüneburg verstecken.

 Als am 18.09.1813 der russische General Tettenborn Lüneburg besetzte, lud er Johanna Stegen zur Tafel und stellte sie allen Anwesenden, darunter auch Karl Varnhagen von Ense, als würdige Kampfgefährtin vor. Auch Major von Reiche, Führer eines Bataillons freiwilliger Jäger lernte die junge Frau bei dieser Gelegenheit kennen und schätzen. Er bat seine Gattin Stegen als liebe Hausgenossin zu sich zu nehmen. Am 11.10.1813 traf sie bereits in Berlin ein.

 Am 28.09.1817 ging sie die Ehe mit dem ehemaligen preußischen Feldwebel Wilhelm Hindersin ein. Trauzeugen waren Major von Reiche, Friedrich Ludwig Jahn und Friedrich August Stägemann. Aus der Ehe stammten vier Kinder. Ihr Gatte hatte nach dem Militärdienst eine Anstellung am neuen Königlichen Lithographischen Institut gefunden, wo er als tüchtiger Zeichner und später die Leitung der technischen Anstalt wahrnahm. Ihr Gatte heirate 1846 zum zweiten Male und starb am 31.01.1863.

Johanna Stegen starb am 12.01.1842, im 25. Ehejahr, an den Folgen eines Herzleidens, dass sie sich auf der Flucht im Sommer 1813 zugezogen hatte.

 Sowohl Karl August Varnhagen von Ense als auch Friedrich Rückert setzten ihr ein lyrisches Denkmal. Massmann verfasste im Jahre 1863 das Buch »Der zweite April 1813 und Johanna Stegen, das Mädchen von Lüneburg. Zur fünfzigjährigen Jubelfeier in's Gedächtniß gerufen.« als patriotisches Erinnerungsbuch.

 Anlässlich des 100. Jahrestage wurde in Lüneburg am 02.04.1913 ein Denkmal für das »Heldenmädchen von Lüneburg« errichtet. Bereits fünf Jahre zuvor hatte man ihr ein Grabdenkmal auf den Berliner Sophienfriedhof errichtet.